Stoiber - bloß nicht zu bayerisch

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Stoiber - bloß nicht zu bayerisch

 
01.03.02 06:34
Zwei politisch unerfahrene Werbeagenturen sollen Edmund Stoiber zum Kanzler machen. Der Kandidat darf dabei nicht zu byerisch wirken.

Als Gerhard Schröder am Donnerstag zum Endspurt in den bayerischen Kommunalwahlkampf eingriff, bereitete ihm die CSU einen launigen Empfang. In München, der Residenz seines großen Kontrahenten, konnte der Sozialdemokrat auf roten Plakaten lesen: "Sichert Eure Arbeitsplätze. Der Kanzler kommt!"

Die freche Regierungsanmache stammt von Serviceplan, der Werbeagentur des Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber. Die Münchner Agentur ist ein Neuling im Politgeschäft. Sie ist kreativ fürs ZDF ("Mit dem Zweiten sieht man besser"), lässt Überkinger sprudeln, stinkt mit Sixtus gegen Fußschweiß an. Und von nun an bis zur Bundestagswahl vor allem gegen Schröder.

"Eine echte Herausforderung", sagt Serviceplan-Geschäftsführer Florian Haller. Nicht nur, weil das politische Geschäft sehr viel schnelllebiger und damit unkalkulierbarer ist. Sondern auch, weil mit McCann-Erickson eine in Politwerbung ebenfalls unerprobte Großagentur mitmischt - im Auftrag der CDU. Und nicht zuletzt deshalb, weil mit dem CSU-Chef ein Mann "öffentlich verkauft" werden muss, der nördlich des Mains auf Vorbehalte stößt; einer, den die Wähler zwar durchaus für kompetent halten, aber nicht besonders sympathisch finden.

Um seine Stärken herauszukehren und die Schwächen - zumindest optisch - auszubügeln, hat Stoiber die Kreativköpfe von Deutschlands größter Inhaber-geführten Agentur-Gruppe engagiert. Die Kanzlermacher haben ihr Hauptquartier inmitten der bayerischen Landeshauptstadt, in einem neu sanierten, ehemaligen Pfandleihhaus. Umgeben von viel Glas und Holz und Kunst. Und dem Geruch frischer Farbe.

Acht junge Ideengeber arbeiten daran, der CSU ein neues Design zu verpassen. Allesamt Leute ohne CSU-Parteibuch, wie sie versichern. "Das war kein Kriterium für den Job", sagt Ronald Focken, ebenfalls Geschäftsführer bei Serviceplan. "Wir hatten erwartet, dass der ein oder andere vielleicht sagt: ,Ich will keine Parteipropaganda machen.‘ Aber das war nicht der Fall."

Hausbacken und angestaubt

Erste Ergebnisse, der CSU ihr hausbackenes, leicht angestaubtes Image zu nehmen und die Partei samt ihrem Vorsitzenden auf modern zu trimmen, liegen bereits vor. "Näher am Menschen" heißt der Claim, den die Werbeleute der Christlich-Sozialen Union angedichtet haben. Ein Etikett, gegen das selbst der "Ochsensepp" Josef Müller, einst Parteigründer, und Franz Josef Strauß nichts einzuwenden hätten. Als Volkspartei, verwurzelt in Bayern, präsent in jedem Winkel des Landes, mit einer Ausstrahlungskraft über den Freistaat hinaus, so hat Serviceplan die CSU "repositioniert".

Das erste Plakat des Kanzlerkandidaten der Union zeigt einen einnehmend lächelnden Herrn ohne Krawatte, dem in großen Lettern der Spruch "Anpacken für den Aufschwung!" zugeschrieben wird. Dahinter weht eine Deutschland-Fahne vor weißblauem Himmel. Im Bildrahmen ist das progressiv verbrämte Parteikürzel www.csu.de abgebildet.

In dem Stoiber-Konterfei komme die neue Positionierung der "Marke Stoiber" zum Ausdruck, erläutert Haller. Der Kandidat solle in Wort und Bild die "Kernwerte" Kompetenz, Tatkraft und Glaubwürdigkeit vermitteln. Die Werbung versucht den mitunter als unnahbar geltenden Politiker lockerer, menschlicher und liberaler darzustellen.

Die Aktionen laufen in mehreren Phasen ab. In der ersten Stufe sollte das gewandelte Bild von CSU und Kandidaten herübergebracht werden. Die zweite Welle, die in Bayern bereits läuft, attackiert die SPD mittels "taktischer" (Haller) Anzeigen und Plakate, so wie beim Kanzlerempfang in München. Später wechselt der Stil hin zu einem sachlich argumentierenden und nicht polarisierenden Stoiber, bis dann im Sommer die "heiße Phase" startet, in der wieder scharf geschossen wird.

"Bayern ist keineswegs das Himmelreich"

Das größte Problem sehen Fachleute darin, die unterschiedlichen "Marken" CDU, CSU und Stoiber als Einheit zu verkaufen. Bis vor kurzem noch haben sich CDU und CSU bewusst voneinander abgesetzt. Viele in der Branche sind skeptisch, dass die "Subbrand" Stoiber mit den "Dachmarken" CDU und CSU wirklich in Einklang gebracht werden kann - zumal zwei bislang konkurrierende Agenturen nun auf einmal zusammenarbeiten müssen.

Serviceplan-Manager Haller, dem nach Branchenschätzungen ein Etat von 4,5 Mio. Euro zur Verfügung steht, hält solche Bedenken für übertrieben. Zum einen stünden sich die beiden Parteien sehr nahe, zum anderen seien die Werberichtlinien so formuliert, dass sie auch zum Selbstverständnis der CDU passen. Und Günter Sendlmeier von der CDU-Agentur McCann-Erickson verweist darauf, dass die Kommunikationskonzepte von beiden Agenturen gemeinsam erarbeitet würden. So feilen in Berlin etwa 16 Fachleute beider Agenturen an stimmigen Werbeleitsätzen, Plakatmotiven, Spot-Ideen.

Das Konfliktpotenzial ist dennoch nicht zu unterschätzen. Allein schon, weil so viele bei der Werbung mitreden. CDU und CSU haben sich für den Wahlkampf eine komplizierte Organisationsstruktur ausgedacht, deren Organigramm mit all den Kästchen und Pfeilen an den Schaltplan einer HiFi-Anlage erinnert.

Politisch unerfahrene Werbeagenturen

An der Spitze des Knäuels steht das "Team 40 plus"; der Name ist eine Anspielung auf das Wahlziel. Dort legen Stoiber und seine ehemalige Rivalin Angela Merkel gemeinsam mit Unionsgranden wie Friedrich Merz, Wolfgang Schäuble und Jürgen Rüttgers die groben Linien des Wahlkampfs fest. Daneben existiert ein "Stoiber-Team", das der ehemalige "Bild-am-Sonntag"-Chefredakteur Michael Spreng anführt. Beide Trupps müssen sich mit den Wahlkampfzentralen von CDU und CSU abstimmen, die von den Generalsekretären Laurenz Meyer und Thomas Goppel geleitet werden.

Noch scheint die Kooperation zu funktionieren. "Ich hatte das Schlimmste befürchtet", sagt ein hochrangiger Mitarbeiter der CDU-Zentrale. Doch die Abstimmung mit der CSU klappe eigentlich ganz gut. Per E-Mail informieren sich die Spitzen der beiden ungleichen Schwesterparteien über ihre Besprechungen, per SMS erinnern sie sich daran, diese Mails zu lesen.

Wie lange diese Kuschelstimmung anhält, bleibt abzuwarten - auch was das Zusammenspiel der Werbeagenturen betrifft. Aus CDU-Kreisen war zu hören, dass McCann bereits ein weitgehend ausgearbeitetes Konzept in der Schublade hatte, das auf Frau Merkel zugeschnitten war. Bis der Mann aus Bayern das große Los zog.

Nun müsse McCann-Manager Sendlmeier seinen etwa 20 Mio. Euro umfassenden Etat neu ausrichten. Dieser weist derlei Gerüchte energisch zurück, ebenso die Vermutung, es könne deshalb zu Eifersüchteleien zwischen den Werbern gekommen sein. Der CDU-Auftrag sei nicht an einen bestimmten Kandidaten gekoppelt gewesen, seine Agentur müsse keinerlei Arbeitsergebnisse zerschreddern. "Wir hätten auch mit Serviceplan zusammengearbeitet, wenn Frau Merkel Kanzlerkandidatin geworden wäre", beteuert Sendlmeier.

Zweifel an Kooperationsfähigkeit

Wie reibungslos die beiden Werbeagenturen künftig kooperieren, wird sich spätestens in der heißen Wahlkampf-Phase zeigen, wenn Kanzler-Spots von Serviceplan und McCann-Erickson parallel über die bundesdeutschen Bildschirme flimmern. Die Filme müssen reichlich Sympathien erheischen, denn da gibt es Nachholbedarf. Ein Stoiber-Stratege konzediert einen "klaren Rückstand" beim Image des Kandidaten "im hohen Norden wie bei den Wählern in Ostdeutschland". Der CSU-Chef könne dort nicht punkten, wenn er den Menschen ständig vor Augen halte, "wie glänzend es im Freistaat läuft und wie beschissen dagegen in anderen Bundesländern".

CDU-Werber Günter Sendlmeier hält die von Serviceplan propagierte Darstellung Stoibers vor blauweißem Himmel allenfalls für "eine mögliche Richtung". Die Stoiber-Positionierung sei zwar festgezurrt, ein allgemein verbindlicher "Prototyp" des Kandidatenauftritts werde aber noch erarbeitet.

Zwar warnt auch CSU-Werber Haller davor, das Bayern-Image zu sehr in den Vordergrund zu stellen. Bei McCann fällt das Urteil aber härter aus. "Bayern ist keineswegs das Himmelreich", sagt Sendlmeier - wenngleich Stoiber dort bewiesen habe, dass er ein erfolgreicher Politiker sei.

Mit dieser Einschätzung weiß sich Sendlmeier im Einklang mit Stoibers Medienberater Spreng. Der achtet tunlichst darauf, dass Stoiber nicht als Superman aus dem Süden auftritt. Sprüche wie "Bei uns in Bayern ..." sind oberhalb des Mains tabu.

Finger in der Wunde

Eingeweihte führen es auf Sprengs Einfluss zurück, dass der früher als aufbrausend und besserwisserisch berüchtigte Stoiber sich heute geduldig die Probleme der Ostdeutschen anhört. Sein staatsmännisches, diszipliniertes und weich gespültes Auftreten der vergangenen Wochen trägt unübersehbar die Handschrift seiner Medien- und Werbeberater. Ein Satz wie "Wir müssen uns gerade auch um die kümmern, die ihr Kind allein erziehen müssen" war für das traditionelle Aschermittwochsgelage bis dato eher untypisch.

Die Gefahr, dass eine Werbepanne Stoiber aus der Bahn werfen könnte, tendiert gegen null. Inhaltslose Häme, wie das von CDU-Generalsekretär Meyer einst präsentierte Verbrecherplakat mit Schröder, werde es nicht geben, versichern die Werber. Die Reklame der Unionsparteien werde "den Finger in Wunden legen" (Sendlmeier), indem sie auf nicht gehaltene Wahlversprechen hinweist.

Die beste Werbung taugt nichts, wenn die beworbene Marke patzt. Und anders als bei einem Schokoriegel lässt sich dies bei einem Politiker nie ausschließen. Ein Interview genügt da oft schon. McCann-Manager Sendlmeier gibt sich dennoch zuversichtlich: Er sei gegen "Eventualfälle" gewappnet. Man darf gespannt sein.

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