Von Andreas Braun
Hoffnungsträger am Neuen Markt
Für viele Anleger ist die Wende am Neuen Markt geschafft. Ein sattes Plus von fast 70 Prozent im Nemax All Share seit den Tiefständen und Rückendeckung von der Leitbörse Nasdaq lassen Börsenträume wieder aufleben. Doch wer jetzt auf die falschen Titel setzt, kann noch immer böse Überraschungen erleben. Stock Picking ist am deutschen Wachstumssegment nach wie vor das Gebot der Stunde. Andreas Braun
Kaum ein Tag ohne Kurssprünge im hohen zweistelligen Bereich am Neuen Markt. In der vergangenen Woche gewannen mir nichts dir nichts einst geschmähte Titel wie Kinowelt oder Kleindienst Datentechnik die Hälfte ihres Wertes hinzu – ohne bedeutende Nachrichten zum Unternehmen. Kursverdoppler auf niedrigem Niveau schüren die Hoffnung vieler Anleger, eine schnelle Mark machen zu können oder doch noch die Gewinnzone mit ihren verlustreichen Neuer Markt-Investments zu sehen.
Noch immer dünne Umsätze
Dabei hat sich an den Risiken und Nebenwirkungen des Neuen Marktes nichts grundlegend geändert. Die Handelsumsätze sind nach wie vor erschreckend dünn. Zu Boomzeiten gingen allein im Nemax50 Aktien im Wert von mehreren Milliarden Euro über den Tresen. In der zurückliegenden Flaute lag der Handelsumsatz nur bei rund 50 Millionen Euro – und zwar für alle Titel am Neuen Markt. Aber auch die Geschäftsaussichten einer großen Zahl der Unternehmen haben sich nicht grundlegend verbessert. Die kritische Konjunkturlage tut dazu ein Übriges.
Einige Betreuerbanken, die für die Liquidität auch kleinerer Werte gesorgt hatten, haben ihre Sponsorships gekündigt. Allen voran Sal. Oppenheim, die Anfang Oktober angekündigt hatten, ihre Betreuerverträge zum Großteil auslaufen zu lassen. Andere Banken wollen die Rolle des Designated Sponsors nur noch gegen erhöhte Gebühren ausüben. Das trifft vor allem die kleineren Unternehmen am Neuen Markt.
Größe und Qualität zählen wieder
Für die Investment-Häuser, die nach wie vor am Neuen Markt engagiert bleiben wollen, zählen Qualität und langfristige Perspektive der Unternehmen, in die sie weiter investieren wollen. Das zeigt sich auch daran, dass der Nemax 50 der Schwergewichte den Nemax All Share in den vergangenen Wochen überholt hat: Größe zählt durchaus beim neuen Frühling des Neuen Marktes.
Die Kriterien, die die Profis an Neue-Markt-Werte anlegen, können durchaus auch bei den Engagements der Privatanleger Pate stehen. Nur ein hohes Handelsvolumen gestattet es Fondsmanagern zum Beispiel mit großen Stückzahlen in einen Wert einzusteigen – ohne dass der Kurs gleich explodiert. Und nur bei den Schwergewichten des Neuen Marktes wie Aixtron, Qiagen, Singulus oder Mobilcom kann er Positionen über den Kapitalmarkt, aber auch außerbörslich, ohne großes Aufsehen wieder abbauen.
Zumeist verknüpft mit der Größe der Titel in Umsatz und Handelsvolumen ist ihre Stellung im jeweiligen Markt - ein weiteres Kriterium für nachhaltige Kurschancen. Pfeiffer Vacuum etwa ist im Bereich Vakuum-Pumpen eines der im Weltmarkt führenden Unternehmen. Die Umsatzeinbrüche im Bereich der Halbleiter-Kunden vor allem in den USA konnte das Unternehmen zuletzt fast komplett abfedern. Pfeiffer ist in Europa und Asien stark aufgestellt und beliefert mit seinen Produkten nicht nur die zyklische Chipindustrie, sondern auch Labors von Forschungseinrichtungen und die Biotech- und Chemie-Industrie.
Klassische Kennziffern helfen weiter
Bei der Bewertung von Wachstumsunternehmen spielen auch klassische Maßstäbe wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis wieder eine Rolle. Wichtig dabei ist der Blick über den Tellerrand der Branche. Der DVD-Anlagenbauer Singulus mag mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 26 im Segment der Spezialmaschinenbauer hoch bewertet sein, die Ausrichtung auf die DVD-Technologie ist jedoch weiterhin zukunftsträchtig. Und der einzige Mitbewerber am Neuen Markt, Steag Hamatech, wird auch im kommenden Jahr noch mit dem Erreichen der Gewinnschwelle kämpfen müssen.
Neben den arrivierten Unternehmen am Neuen Markt haben aber auch einige kleinere Werte den Turnaround geschafft, oder sie stehen kurz davor. So erfreute in den vergangenen Wochen der IT-Dienstleister Emprise mit einer Rückkehr in die Gewinnzone. Einen Großteil seiner Beteiligungen hat das Unternehmen veräußert oder abgeschrieben – und konzentriert sich nun wieder mit Erfolg auf sein Kerngeschäft.
Pralle Kasse sichert das Überleben
Ob die Turnaround-Kandidaten ihre Durststrecke dauerhaft überwinden können, wird auch von der Liquiditätssituation bestimmt. Hohe Investitionen in Produktionsstätten oder -verfahren, aber auch in Restrukturierungs-Maßnahmen erfordern schlicht Geld. Ein positiver Cash Flow und die Höhe der kurzfristig verfügbaren Mittel geben darüber Ausschluss. Atoss, Entwickler von Finanzsoftware, kann etwa auf ein beruhigendes Finanzpolster von 30 Millionen Euro blicken. Mit einem nur noch geringen Vorsteuerverlust im dritten Quartal 2001 bleibt die Kasse gefüllt.
Dass sogar im Internet Geld verdient werden kann, demonstriert der E-Business-Dienstleister im syzygy in bescheidenem Rahmen. Nach leichten Verlusten ist das Bad Homburger Unternehmen im vergangnen Quartal fast punktgenau in die schwarzen Zahlen zurückgekehrt. Mit einigen Großunternehmen wie BP, DaimlerChrysler und Axa als Kunden und einem Finanzpolster von rund 53 Millionen Euro auf der hohen Kante dürfte Syzygy zu den Überlebenden der geplatzten Internet-Blase gehören.
Stand:17.11.2001
© 2001 sharper.de
Schmuggler
Hoffnungsträger am Neuen Markt
Für viele Anleger ist die Wende am Neuen Markt geschafft. Ein sattes Plus von fast 70 Prozent im Nemax All Share seit den Tiefständen und Rückendeckung von der Leitbörse Nasdaq lassen Börsenträume wieder aufleben. Doch wer jetzt auf die falschen Titel setzt, kann noch immer böse Überraschungen erleben. Stock Picking ist am deutschen Wachstumssegment nach wie vor das Gebot der Stunde. Andreas Braun
Kaum ein Tag ohne Kurssprünge im hohen zweistelligen Bereich am Neuen Markt. In der vergangenen Woche gewannen mir nichts dir nichts einst geschmähte Titel wie Kinowelt oder Kleindienst Datentechnik die Hälfte ihres Wertes hinzu – ohne bedeutende Nachrichten zum Unternehmen. Kursverdoppler auf niedrigem Niveau schüren die Hoffnung vieler Anleger, eine schnelle Mark machen zu können oder doch noch die Gewinnzone mit ihren verlustreichen Neuer Markt-Investments zu sehen.
Noch immer dünne Umsätze
Dabei hat sich an den Risiken und Nebenwirkungen des Neuen Marktes nichts grundlegend geändert. Die Handelsumsätze sind nach wie vor erschreckend dünn. Zu Boomzeiten gingen allein im Nemax50 Aktien im Wert von mehreren Milliarden Euro über den Tresen. In der zurückliegenden Flaute lag der Handelsumsatz nur bei rund 50 Millionen Euro – und zwar für alle Titel am Neuen Markt. Aber auch die Geschäftsaussichten einer großen Zahl der Unternehmen haben sich nicht grundlegend verbessert. Die kritische Konjunkturlage tut dazu ein Übriges.
Einige Betreuerbanken, die für die Liquidität auch kleinerer Werte gesorgt hatten, haben ihre Sponsorships gekündigt. Allen voran Sal. Oppenheim, die Anfang Oktober angekündigt hatten, ihre Betreuerverträge zum Großteil auslaufen zu lassen. Andere Banken wollen die Rolle des Designated Sponsors nur noch gegen erhöhte Gebühren ausüben. Das trifft vor allem die kleineren Unternehmen am Neuen Markt.
Größe und Qualität zählen wieder
Für die Investment-Häuser, die nach wie vor am Neuen Markt engagiert bleiben wollen, zählen Qualität und langfristige Perspektive der Unternehmen, in die sie weiter investieren wollen. Das zeigt sich auch daran, dass der Nemax 50 der Schwergewichte den Nemax All Share in den vergangenen Wochen überholt hat: Größe zählt durchaus beim neuen Frühling des Neuen Marktes.
Die Kriterien, die die Profis an Neue-Markt-Werte anlegen, können durchaus auch bei den Engagements der Privatanleger Pate stehen. Nur ein hohes Handelsvolumen gestattet es Fondsmanagern zum Beispiel mit großen Stückzahlen in einen Wert einzusteigen – ohne dass der Kurs gleich explodiert. Und nur bei den Schwergewichten des Neuen Marktes wie Aixtron, Qiagen, Singulus oder Mobilcom kann er Positionen über den Kapitalmarkt, aber auch außerbörslich, ohne großes Aufsehen wieder abbauen.
Zumeist verknüpft mit der Größe der Titel in Umsatz und Handelsvolumen ist ihre Stellung im jeweiligen Markt - ein weiteres Kriterium für nachhaltige Kurschancen. Pfeiffer Vacuum etwa ist im Bereich Vakuum-Pumpen eines der im Weltmarkt führenden Unternehmen. Die Umsatzeinbrüche im Bereich der Halbleiter-Kunden vor allem in den USA konnte das Unternehmen zuletzt fast komplett abfedern. Pfeiffer ist in Europa und Asien stark aufgestellt und beliefert mit seinen Produkten nicht nur die zyklische Chipindustrie, sondern auch Labors von Forschungseinrichtungen und die Biotech- und Chemie-Industrie.
Klassische Kennziffern helfen weiter
Bei der Bewertung von Wachstumsunternehmen spielen auch klassische Maßstäbe wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis wieder eine Rolle. Wichtig dabei ist der Blick über den Tellerrand der Branche. Der DVD-Anlagenbauer Singulus mag mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 26 im Segment der Spezialmaschinenbauer hoch bewertet sein, die Ausrichtung auf die DVD-Technologie ist jedoch weiterhin zukunftsträchtig. Und der einzige Mitbewerber am Neuen Markt, Steag Hamatech, wird auch im kommenden Jahr noch mit dem Erreichen der Gewinnschwelle kämpfen müssen.
Neben den arrivierten Unternehmen am Neuen Markt haben aber auch einige kleinere Werte den Turnaround geschafft, oder sie stehen kurz davor. So erfreute in den vergangenen Wochen der IT-Dienstleister Emprise mit einer Rückkehr in die Gewinnzone. Einen Großteil seiner Beteiligungen hat das Unternehmen veräußert oder abgeschrieben – und konzentriert sich nun wieder mit Erfolg auf sein Kerngeschäft.
Pralle Kasse sichert das Überleben
Ob die Turnaround-Kandidaten ihre Durststrecke dauerhaft überwinden können, wird auch von der Liquiditätssituation bestimmt. Hohe Investitionen in Produktionsstätten oder -verfahren, aber auch in Restrukturierungs-Maßnahmen erfordern schlicht Geld. Ein positiver Cash Flow und die Höhe der kurzfristig verfügbaren Mittel geben darüber Ausschluss. Atoss, Entwickler von Finanzsoftware, kann etwa auf ein beruhigendes Finanzpolster von 30 Millionen Euro blicken. Mit einem nur noch geringen Vorsteuerverlust im dritten Quartal 2001 bleibt die Kasse gefüllt.
Dass sogar im Internet Geld verdient werden kann, demonstriert der E-Business-Dienstleister im syzygy in bescheidenem Rahmen. Nach leichten Verlusten ist das Bad Homburger Unternehmen im vergangnen Quartal fast punktgenau in die schwarzen Zahlen zurückgekehrt. Mit einigen Großunternehmen wie BP, DaimlerChrysler und Axa als Kunden und einem Finanzpolster von rund 53 Millionen Euro auf der hohen Kante dürfte Syzygy zu den Überlebenden der geplatzten Internet-Blase gehören.
Stand:17.11.2001
© 2001 sharper.de
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