Linux im Bundestag

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calexa:

Linux im Bundestag

 
07.02.02 18:23
Seit gut einer Woche trommelt die Polit-Agentur "Werk 21" kräftig für eine Linux-Initative im Deutschen Bundestag. Open-Source-Fans in Politik und Wirtschaft sind begeistert. Verschnupft beklagt Microsoft-Chef Kurt Sibold eine "Diskriminierung" seiner Produkte.

Das ist schon ein komisches Politikum, das sich da unter "bundestux.de" entfaltet: Kräftig lobbyiert dort ein augenscheinlich lockeres Bündnis aus Software-Freaks, Bundestagsabgeordneten, EDV-Arbeitern und -Interessierten und - nicht zuletzt - Vertretern mittelständischer Unternehmen für eine andere Software-Plattform für den deutschen Bundestag: Linux.

Seit knapp einer Woche sammelt die "Bundestux-Initiative", in Form gegossen von der "Agentur für politische Kommunikation" Werk21, Unterschriften für eine "Einführung von Freier Software im Deutschen Bundestag". Über 15.000 elektronische Unterschriften sind schon zusammengekommen.

Die Diskussion über Open Source in staatlichem Einsatz ist sicher nicht neu. Seit langem schon argumentieren Partei-IT-Experten wie der SPD-Abgeordnete Jörg Tauss, sicherheitsrelevante Strukturen verlangten auch danach, dass man wisse, was in der Software vorgehe und mittels ihrer geschehe: Nur Open Source mache die Funktionsweisen von Programmen transparent.

Den Beelzebub der Softwarewelt gibt dagegen seit langem schon das US-Unternehmen Microsoft mit seiner Software. Die steht zunehmend im Ruf, Hackern zahlreiche Angriffsflächen zu bieten. Außerdem wisse man nie, was wirklich passiere, gerade auch in der Kommunikation der neuen Programme mit den Web-Servern des Mutter-Konzerns. Paranoiker und Satiriker unterstellen MS-Chef Bill Gates lang schon Weltherrschaftspläne, doch auch immer mehr "ernste" Experten mahnen Misstrauen an.

Unnötigerweise, versichert Microsofts Deutschland-Chef Kurt Sibold, der bereits vor Monaten anbot, den Experten des Bundestages den Sourcecode des Windows-Betriebssystems offen zu legen. Angesichts vieler Millionen Zeilen Codes, die geprüft werden müssten, bevor man ein Urteil fällen könnte, kam dieser Vorschlag vielen IT-Fachleuten wie ein rührender Scherz vor - eine gut gemeinte Geste, mehr nicht.

Nein, Linux sei das System der Wahl, weil es von Anfang an offen entwickelt worden sei.

Wer nun der Meinung ist, solche Fragen sollten doch von Technikern beantwortet, solche Entscheidungen von IT-Verantwortlichen getroffen werden, hat die Diskussion nicht begriffen: Es geht tatsächlich um Politik. Mehr noch: "Linux oder Microsoft?" ist längst zu einer ideologischen Frage geworden.

Harte Lobby gegen hartes Business

"In einer freien Marktwirtschaft", heißt es auf der Bundestux-Website, "hat der Staat die Aufgabe, Monopolstellungen von Unternehmen zu vermeiden und einen echten Wettbewerb zu gewährleisten". Deshalb bedürfe es in Sachen Linux oder Microsoft bewusster Entscheidungen, denn Microsoft beherrsche nun einmal mehr als 90 Prozent des Marktes. "Die demokratischen Gremien der Bundesrepublik Deutschland sollten bei der IT-Nutzung darauf achten, demokratische Spielregeln möglichst auch im Sekundärbereich zu berücksichtigen."

Da klingeln Microsoft-Chef Sibold die Ohren. Solche Worte, schrieb Sibold den Bundestux-Organisatoren, habe er doch "mit Überraschung" gelesen. Völlig baff macht ihn aber, dass es die Bundestuxler für eine Pflicht des demokratischen Gemeinwesens halten, freie Software einzusetzen. Denn genau das konstatiert der Bundestux-Aufruf: "Die demokratische Komponente lässt sich nicht nur auf die erhöhte Sicherheit und Flexibilität der Software reduzieren, sondern ist vielmehr Ausdruck eines erweiterten Demokratieverständnisses, das die wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen mit einbezieht. Aus diesen Erwägungen ist es geradezu die Pflicht eines demokratischen Staates, auf freie Software zu setzen."

Das, murrt Sibold, komme einer Diskriminierung der Produkte seines Unternehmens gleich und bedeute im direkten Umkehrschluss der Bundestux-Thesen, "dass Sie einen Staat, der nicht Linux einsetzt, für undemokratisch oder zumindest für nicht pflichtbewusst halten". Das wird wohl genau so sein.

Die Frontlinie verläuft quer durch die Fraktionen

Die Gretchenfrage, die insbesondere die Erstunterzeichner der Kampagne gern geklärt hätten, lautet: Emanzipation oder Abhängigkeit? Für sie ist all dies keine technische Frage, sondern eine der Überzeugung: Wie, in welchem Stil soll es weitergehen? Mit den Tücken einer proprietären Software, der man sich zunehmend ausliefert? Oder mit den Tücken einer längst nicht völlig ausgereiften freien Software, die aber "frei", irgendwie demokratisch und daher korrekt daherkommt?

Denn letztlich lautet die Frage, mit wem man sich künftig gemein mach will: Mit einem riesigen Konzern oder mit einem lockeren Verbund zahlreicher mittelständischer Unternehmen, von denen, so beeilt sich die Bundestux-Initiative zu unterstreichen, viele in Deutschland ansässig sind? Wahrlich, ein Politikum, ein Zeichen und eine Frage, an der sich die Gemüter entzünden können.

Anders als sonst verlaufen dabei die Frontlinien innerhalb des Parlamentes durchaus nicht entlang der Parteigrenzen - sondern quer hindurch. Die "Medienpolitiker", so drückt das die Grüne Grietje Bettin aus, sind sich "weitgehend einig", nicht aber "die Wirtschaftspolitiker". Ein Revival der Links-Rechts-Flügelkämpfe, innerparteiliche Version, mit überraschenden Schulterschlüssen über Parteigrenzen hinweg.

Sibold signalisiert derweil Gesprächsbereitschaft.

Ganz IT-Profi, kann er sich durchaus Gründe vorstellen, ein System wie Linux zu betreiben. Nur sprächen im Fall des Bundestags die besseren Gründe für den weiteren Betrieb von Microsoft-Programmen, und überhaupt arbeite die Bundestux-Initiative mit den falschen Argumenten. Die seien "nicht sachlich" - was stimmt, aber nicht bedeutet, dass sie - aus Perspektive der Linux-Befürworter - nicht sachgerecht wären.

Denn für Sibold ist das alles eine technische oder wirtschaftliche, für die Bundestux-Bewegten aber in erster Linie eine politische Frage. Die hoffen, wie etwa die grüne Abgeordnete Grietje Bettin, mit der Umstellung auf Linux die festgefahrene, harte Welt des Software-Business positiv umzugestalten.

"Bundestux" ist nicht herbeigeredet, manifestiert vielmehr das tatsächliche Wollen vieler Politiker und - natürlich - auch mittelständischer Linux-Unternehmer. Gestalt und damit druckvolle Kommunizierbarkeit hat der Themen-Trend jedoch erst, seit sich die politische Kommunikations-Agentur Werk21 das Thema zu eigen machte und die Bundestux-Website aus der Taufe hob. Analog zu den Linux-Bewegten glauben auch die Werk21-Macher, "Politik gestaltet Gesellschaft" - immerhin das Motto der Agentur. Zur Vollständigkeit fehlt es dem Firmen-Motto jedoch noch an einem Nachsatz: "Wir gestalten Politik".
(Quelle: manager-magazin.de)

So long,
Calexa
calexa:

INTERVIEW MIT GRIETJE BETTIN

 
07.02.02 18:24
Seit Grietje Bettin vor rund zwei Jahren als jüngste Abgeordnete in den Bundestag einzog, profiliert sich die Grüne dort vor allem mit Technologie-Themen - und gehört nun zu den Erstunterzeichnern der Bundestux-Initiative.

SPIEGEL ONLINE: Frau Bettin, Sie sind MdB, nicht EDV, richtig? Warum engagieren Sie sich für eine bestimmte Software für den Bundestag?
Grietje Bettin: Wenn man sich im medienpolitischen Bereich bewegt, sollte man schon versuchen, auch mit gutem Beispiel voranzugehen. Wenn es uns als Bundestag - das ist ein riesiger Apparat - gelingt, die Softwareplattform Stück für Stück umzustellen, dann hat das natürlich auch eine symbolische Bedeutung. Man kann sowas nicht politisch fordern, ohne selbst mit gutem Beispiel voranzugehen.

SPIEGEL ONLINE: Aber ist die Software-Plattform des Bundestages eine politische Frage? Müssten so was nicht einfach die Techniker entscheiden?

Bettin: Das finde ich überhaupt nicht. Das Thema Open-Source ist durchaus eine Sache, der man auch politisch Rückenwind verschaffen sollte. Da sind sich die Medienpolitiker im Bundestag auch relativ einig. Allerdings nicht die Wirtschaftspolitiker.

SPIEGEL ONLINE: Was spricht denn für Linux im Bundestag?

Bettin: Linux ist als System besser und sicherer, weil es nicht so anfällig ist für Viren und Ähnliches, und mittlerweile ist es auch benutzerfreundlich und auch für große Institutionen einsetzbar.

SPIEGEL ONLINE: Open-Source-Gegner sagen, dass es einfach nicht genügend Software gäbe. Können Sie garantieren, dass man alle Aufgaben, die im Bundestag anfallen, mit Open-Source-Software erledigen kann?

Bettin: Also in dieser Hinsicht muss man sich auf die Aussagen der Techniker verlassen können, und dort wird gesagt, dass mittlerweile alles möglich sei. Die Finanzdirektion in Niedersachsen hat erfolgreich 15.000 Rechner auf Open-Source umgestellt. Das scheint gut zu laufen.

SPIEGEL ONLINE: Wir haben hier in den letzten Tagen eine kleine Flut von Briefen in Sachen Bundestux erlebt: Da drückt offenbar eine pfiffige, aber auch ziemlich kräftige Lobby...

Bettin: Absolut!

SPIEGEL ONLINE: Wer steckt dahinter?

Bettin: Die Initiative kommt zum einen aus Kreisen des Linuxtages, die ja schon seit Jahren sehr rührig sind in dieser Sache. Aus dem grünen Netzwerk Neue Medien sind viele mit dabei.

SPIEGEL ONLINE: Haben Sie keine Bedenken, dass Sie sich hier vor einen Karren spannen lassen von Leuten, die auch wirtschaftliche Interessen verfolgen?

Bettin: Das ist natürlich immer eine Frage, die man sich stellen muss. Ich weiß, dass inzwischen auch bei Linux und der freien Software ein Markt entstanden ist. Aber wenn ich mir da Quantitäten und Qualitäten ansehe, habe ich politisch überhaupt keine Bedenken.

SPIEGEL ONLINE: Im Zweifelsfall würde Microsoft wohl auch mehr Geld verlieren, als die Linux-Leute damit verdienen würden...

Bettin: Absolut. Wenn man so dem großen Monopolisten Microsoft etwas entgegensetzen kann, dann habe ich auch nichts dagegen, wenn das zugunsten eines wirtschaftlichen Unternehmens geht. Konkurrenz belebt das Geschäft. Linux ist von seiner Grundidee völlig anders, und es ist der bessere Ansatz, Software von vorn herein offen zu halten.
(Quelle: spiegel.de)

So long,
Calexa
calexa:

Teilerfolg für Linux im Bundestag

 
07.02.02 20:16
Im symbolträchtigen Streit um das neue Computer-Betriebssystem für den Deutschen Bundestag hat das offene System Linux gegen das Konkurrenzprodukt des weltgrößten Softwarekonzern Microsoft   einen Teilerfolg erzielt. Das berichten übereinstimmend die "Financial Times Deutschland" (Freitag) und der Onlinedienst heise.de.

Eine vom Bundestag bei der Berliner Firma Infora in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie sieht danach einen Einsatz von Linux für den E- Mail-Server und die so genannte Groupware-Anwendung als beste Lösung an. Auf den Personal Computern im Parlament soll jedoch weiterhin das Windows-System zum Einsatz kommen, ebenso auf allen anderen Servern.

Im Bundestag ist derzeit auf rund 5000 Bürorechnern das ältere Microsoft-System Windows NT 4 installiert. In Berlin läuft derzeit eine hitzig geführte Debatte, ob der Bundestag erneut Rechner mit einem Microsoft-System anschaffen oder künftig das offene Linux-System einsetzen soll.

Die Verfasser der Studie lehnen nach Angaben der "Financial Times Deutschland" eine radikale Abkehr von den Microsoft-Programmen ab. In der Studie heißt es, dass "Einrichtungs- und Umstellungsaufwände bei den Linux-lastigen Varianten zu erheblichen Abwertungen führten". Insgesamt wurden fünf Infrastruktur-Alternativen untersucht, die von einer reinen Linux- bis zu einer vollen Windows-Lösung reichten. Am besten schnitt dabei die Mischung ab, die im Serverbereich Windows 2000 mit bestimmten Linux-Komponenten ergänzt.

So long,
Calexa
Elend:

XP auf Clients und Linux auf Servern !?

 
28.02.02 11:40
Bezüglich der heutigen Sitzung der IuK-Kommission des deutschen Bundestages deutet alles auf das folgende Szenario hin:

Windows XP (Microsoft) wird auf den Clients eingesetzt, damit die Benutzer mit ihren bisherigen und ihnen wohlvertrauten Applikationen weiterarbeiten können (und der Daten-Migrations-, sowie der Schulungsaufwand möglichst gering bleiben).

Die Server des Deutschen Bundestages werden wohl so weit als möglich auf Linux umgesetzt um "den richtigen Schritt in die richtige Richtung" zu tätigen (Unabhängigkeit von Microsoft, Einsparung von Finanzmitteln).
Elend:

Bundestagskommission empfielt Linux statt Windows

 
28.02.02 13:43
Berlin (dpa) - Auf allen rund 150 Servern des Bundestags soll
künftig die Software des Marktführers Microsoft durch das freie
Betriebssystem Linux ersetzt werden. Eine entsprechende Empfehlung
verabschiedete die Kommission des Ältestenrates für Informations- und
Kommunikationstechnik (IuK-Kommission) am Donnerstag in Berlin mit
den Stimmen von SPD und Grünen. Wie der Kommissions-Vorsitzende Uwe
Küsters (SPD) im Anschluss weiterhin mitteilte, sollen jedoch die
etwa 5000 Rechner an den Arbeitsplätzen der Abgeordneten mit dem
Microsoft-Betriebssystem +Windows XP; ausgestattet werden.

Die Kosten für die Umstellung liegen laut Küsters schätzungsweise
bei 9,5 Millionen Euro verteilt auf fünf Jahre. Die Alternativ-
Variante, nur einen Teil der Server auf Linux umzustellen und den
Großteil mit Windows auszurüsten, wäre zwar pro Jahr um 80 000 Euro
preiswerter gewesen. Mit der Entscheidung gegen Microsoft sei man
aber künftig +nicht mehr auf die Entwicklungslinien und die
Lizenzpolitik eines einzigen Unternehmens angewiesen;, sagte Küsters.
Gleichzeitig habe sich Linux bei Angriffen von Viren als deutlich
stabiler erwiesen. Daher habe auch der Bundesrechnungshof die
Überlegungen der IuK-Kommission ausdrücklich gewürdigt.

Der Bundestag musste eine Entscheidung für ein neues
Betriebssystem fällen, da Microsoft die Unterstützung für das
bisherige Betriebssystem +Windows NT; im kommenden Jahr einstellt.
Seit mehreren Monaten läuft im Parlament eine interne Debatte, ob der
Bundestag künftig Rechner mit dem neuen Microsoft-System +Windows XP;
anschaffen oder ob das offene Linux-System eingesetzt werden soll.
Die Programmiercodes solcher so genannten Open-Source-Anwendungen
liegen offen und können vom Benutzer weiterentwickelt werden.
dpa ax yydd br
281328 Feb 02

Quelle: Ticker-Dienst
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