Seit gut einer Woche trommelt die Polit-Agentur "Werk 21" kräftig für eine Linux-Initative im Deutschen Bundestag. Open-Source-Fans in Politik und Wirtschaft sind begeistert. Verschnupft beklagt Microsoft-Chef Kurt Sibold eine "Diskriminierung" seiner Produkte.
Das ist schon ein komisches Politikum, das sich da unter "bundestux.de" entfaltet: Kräftig lobbyiert dort ein augenscheinlich lockeres Bündnis aus Software-Freaks, Bundestagsabgeordneten, EDV-Arbeitern und -Interessierten und - nicht zuletzt - Vertretern mittelständischer Unternehmen für eine andere Software-Plattform für den deutschen Bundestag: Linux.
Seit knapp einer Woche sammelt die "Bundestux-Initiative", in Form gegossen von der "Agentur für politische Kommunikation" Werk21, Unterschriften für eine "Einführung von Freier Software im Deutschen Bundestag". Über 15.000 elektronische Unterschriften sind schon zusammengekommen.
Die Diskussion über Open Source in staatlichem Einsatz ist sicher nicht neu. Seit langem schon argumentieren Partei-IT-Experten wie der SPD-Abgeordnete Jörg Tauss, sicherheitsrelevante Strukturen verlangten auch danach, dass man wisse, was in der Software vorgehe und mittels ihrer geschehe: Nur Open Source mache die Funktionsweisen von Programmen transparent.
Den Beelzebub der Softwarewelt gibt dagegen seit langem schon das US-Unternehmen Microsoft mit seiner Software. Die steht zunehmend im Ruf, Hackern zahlreiche Angriffsflächen zu bieten. Außerdem wisse man nie, was wirklich passiere, gerade auch in der Kommunikation der neuen Programme mit den Web-Servern des Mutter-Konzerns. Paranoiker und Satiriker unterstellen MS-Chef Bill Gates lang schon Weltherrschaftspläne, doch auch immer mehr "ernste" Experten mahnen Misstrauen an.
Unnötigerweise, versichert Microsofts Deutschland-Chef Kurt Sibold, der bereits vor Monaten anbot, den Experten des Bundestages den Sourcecode des Windows-Betriebssystems offen zu legen. Angesichts vieler Millionen Zeilen Codes, die geprüft werden müssten, bevor man ein Urteil fällen könnte, kam dieser Vorschlag vielen IT-Fachleuten wie ein rührender Scherz vor - eine gut gemeinte Geste, mehr nicht.
Nein, Linux sei das System der Wahl, weil es von Anfang an offen entwickelt worden sei.
Wer nun der Meinung ist, solche Fragen sollten doch von Technikern beantwortet, solche Entscheidungen von IT-Verantwortlichen getroffen werden, hat die Diskussion nicht begriffen: Es geht tatsächlich um Politik. Mehr noch: "Linux oder Microsoft?" ist längst zu einer ideologischen Frage geworden.
Harte Lobby gegen hartes Business
"In einer freien Marktwirtschaft", heißt es auf der Bundestux-Website, "hat der Staat die Aufgabe, Monopolstellungen von Unternehmen zu vermeiden und einen echten Wettbewerb zu gewährleisten". Deshalb bedürfe es in Sachen Linux oder Microsoft bewusster Entscheidungen, denn Microsoft beherrsche nun einmal mehr als 90 Prozent des Marktes. "Die demokratischen Gremien der Bundesrepublik Deutschland sollten bei der IT-Nutzung darauf achten, demokratische Spielregeln möglichst auch im Sekundärbereich zu berücksichtigen."
Da klingeln Microsoft-Chef Sibold die Ohren. Solche Worte, schrieb Sibold den Bundestux-Organisatoren, habe er doch "mit Überraschung" gelesen. Völlig baff macht ihn aber, dass es die Bundestuxler für eine Pflicht des demokratischen Gemeinwesens halten, freie Software einzusetzen. Denn genau das konstatiert der Bundestux-Aufruf: "Die demokratische Komponente lässt sich nicht nur auf die erhöhte Sicherheit und Flexibilität der Software reduzieren, sondern ist vielmehr Ausdruck eines erweiterten Demokratieverständnisses, das die wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen mit einbezieht. Aus diesen Erwägungen ist es geradezu die Pflicht eines demokratischen Staates, auf freie Software zu setzen."
Das, murrt Sibold, komme einer Diskriminierung der Produkte seines Unternehmens gleich und bedeute im direkten Umkehrschluss der Bundestux-Thesen, "dass Sie einen Staat, der nicht Linux einsetzt, für undemokratisch oder zumindest für nicht pflichtbewusst halten". Das wird wohl genau so sein.
Die Frontlinie verläuft quer durch die Fraktionen
Die Gretchenfrage, die insbesondere die Erstunterzeichner der Kampagne gern geklärt hätten, lautet: Emanzipation oder Abhängigkeit? Für sie ist all dies keine technische Frage, sondern eine der Überzeugung: Wie, in welchem Stil soll es weitergehen? Mit den Tücken einer proprietären Software, der man sich zunehmend ausliefert? Oder mit den Tücken einer längst nicht völlig ausgereiften freien Software, die aber "frei", irgendwie demokratisch und daher korrekt daherkommt?
Denn letztlich lautet die Frage, mit wem man sich künftig gemein mach will: Mit einem riesigen Konzern oder mit einem lockeren Verbund zahlreicher mittelständischer Unternehmen, von denen, so beeilt sich die Bundestux-Initiative zu unterstreichen, viele in Deutschland ansässig sind? Wahrlich, ein Politikum, ein Zeichen und eine Frage, an der sich die Gemüter entzünden können.
Anders als sonst verlaufen dabei die Frontlinien innerhalb des Parlamentes durchaus nicht entlang der Parteigrenzen - sondern quer hindurch. Die "Medienpolitiker", so drückt das die Grüne Grietje Bettin aus, sind sich "weitgehend einig", nicht aber "die Wirtschaftspolitiker". Ein Revival der Links-Rechts-Flügelkämpfe, innerparteiliche Version, mit überraschenden Schulterschlüssen über Parteigrenzen hinweg.
Sibold signalisiert derweil Gesprächsbereitschaft.
Ganz IT-Profi, kann er sich durchaus Gründe vorstellen, ein System wie Linux zu betreiben. Nur sprächen im Fall des Bundestags die besseren Gründe für den weiteren Betrieb von Microsoft-Programmen, und überhaupt arbeite die Bundestux-Initiative mit den falschen Argumenten. Die seien "nicht sachlich" - was stimmt, aber nicht bedeutet, dass sie - aus Perspektive der Linux-Befürworter - nicht sachgerecht wären.
Denn für Sibold ist das alles eine technische oder wirtschaftliche, für die Bundestux-Bewegten aber in erster Linie eine politische Frage. Die hoffen, wie etwa die grüne Abgeordnete Grietje Bettin, mit der Umstellung auf Linux die festgefahrene, harte Welt des Software-Business positiv umzugestalten.
"Bundestux" ist nicht herbeigeredet, manifestiert vielmehr das tatsächliche Wollen vieler Politiker und - natürlich - auch mittelständischer Linux-Unternehmer. Gestalt und damit druckvolle Kommunizierbarkeit hat der Themen-Trend jedoch erst, seit sich die politische Kommunikations-Agentur Werk21 das Thema zu eigen machte und die Bundestux-Website aus der Taufe hob. Analog zu den Linux-Bewegten glauben auch die Werk21-Macher, "Politik gestaltet Gesellschaft" - immerhin das Motto der Agentur. Zur Vollständigkeit fehlt es dem Firmen-Motto jedoch noch an einem Nachsatz: "Wir gestalten Politik".
(Quelle: manager-magazin.de)
So long,
Calexa
Das ist schon ein komisches Politikum, das sich da unter "bundestux.de" entfaltet: Kräftig lobbyiert dort ein augenscheinlich lockeres Bündnis aus Software-Freaks, Bundestagsabgeordneten, EDV-Arbeitern und -Interessierten und - nicht zuletzt - Vertretern mittelständischer Unternehmen für eine andere Software-Plattform für den deutschen Bundestag: Linux.
Seit knapp einer Woche sammelt die "Bundestux-Initiative", in Form gegossen von der "Agentur für politische Kommunikation" Werk21, Unterschriften für eine "Einführung von Freier Software im Deutschen Bundestag". Über 15.000 elektronische Unterschriften sind schon zusammengekommen.
Die Diskussion über Open Source in staatlichem Einsatz ist sicher nicht neu. Seit langem schon argumentieren Partei-IT-Experten wie der SPD-Abgeordnete Jörg Tauss, sicherheitsrelevante Strukturen verlangten auch danach, dass man wisse, was in der Software vorgehe und mittels ihrer geschehe: Nur Open Source mache die Funktionsweisen von Programmen transparent.
Den Beelzebub der Softwarewelt gibt dagegen seit langem schon das US-Unternehmen Microsoft mit seiner Software. Die steht zunehmend im Ruf, Hackern zahlreiche Angriffsflächen zu bieten. Außerdem wisse man nie, was wirklich passiere, gerade auch in der Kommunikation der neuen Programme mit den Web-Servern des Mutter-Konzerns. Paranoiker und Satiriker unterstellen MS-Chef Bill Gates lang schon Weltherrschaftspläne, doch auch immer mehr "ernste" Experten mahnen Misstrauen an.
Unnötigerweise, versichert Microsofts Deutschland-Chef Kurt Sibold, der bereits vor Monaten anbot, den Experten des Bundestages den Sourcecode des Windows-Betriebssystems offen zu legen. Angesichts vieler Millionen Zeilen Codes, die geprüft werden müssten, bevor man ein Urteil fällen könnte, kam dieser Vorschlag vielen IT-Fachleuten wie ein rührender Scherz vor - eine gut gemeinte Geste, mehr nicht.
Nein, Linux sei das System der Wahl, weil es von Anfang an offen entwickelt worden sei.
Wer nun der Meinung ist, solche Fragen sollten doch von Technikern beantwortet, solche Entscheidungen von IT-Verantwortlichen getroffen werden, hat die Diskussion nicht begriffen: Es geht tatsächlich um Politik. Mehr noch: "Linux oder Microsoft?" ist längst zu einer ideologischen Frage geworden.
Harte Lobby gegen hartes Business
"In einer freien Marktwirtschaft", heißt es auf der Bundestux-Website, "hat der Staat die Aufgabe, Monopolstellungen von Unternehmen zu vermeiden und einen echten Wettbewerb zu gewährleisten". Deshalb bedürfe es in Sachen Linux oder Microsoft bewusster Entscheidungen, denn Microsoft beherrsche nun einmal mehr als 90 Prozent des Marktes. "Die demokratischen Gremien der Bundesrepublik Deutschland sollten bei der IT-Nutzung darauf achten, demokratische Spielregeln möglichst auch im Sekundärbereich zu berücksichtigen."
Da klingeln Microsoft-Chef Sibold die Ohren. Solche Worte, schrieb Sibold den Bundestux-Organisatoren, habe er doch "mit Überraschung" gelesen. Völlig baff macht ihn aber, dass es die Bundestuxler für eine Pflicht des demokratischen Gemeinwesens halten, freie Software einzusetzen. Denn genau das konstatiert der Bundestux-Aufruf: "Die demokratische Komponente lässt sich nicht nur auf die erhöhte Sicherheit und Flexibilität der Software reduzieren, sondern ist vielmehr Ausdruck eines erweiterten Demokratieverständnisses, das die wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen mit einbezieht. Aus diesen Erwägungen ist es geradezu die Pflicht eines demokratischen Staates, auf freie Software zu setzen."
Das, murrt Sibold, komme einer Diskriminierung der Produkte seines Unternehmens gleich und bedeute im direkten Umkehrschluss der Bundestux-Thesen, "dass Sie einen Staat, der nicht Linux einsetzt, für undemokratisch oder zumindest für nicht pflichtbewusst halten". Das wird wohl genau so sein.
Die Frontlinie verläuft quer durch die Fraktionen
Die Gretchenfrage, die insbesondere die Erstunterzeichner der Kampagne gern geklärt hätten, lautet: Emanzipation oder Abhängigkeit? Für sie ist all dies keine technische Frage, sondern eine der Überzeugung: Wie, in welchem Stil soll es weitergehen? Mit den Tücken einer proprietären Software, der man sich zunehmend ausliefert? Oder mit den Tücken einer längst nicht völlig ausgereiften freien Software, die aber "frei", irgendwie demokratisch und daher korrekt daherkommt?
Denn letztlich lautet die Frage, mit wem man sich künftig gemein mach will: Mit einem riesigen Konzern oder mit einem lockeren Verbund zahlreicher mittelständischer Unternehmen, von denen, so beeilt sich die Bundestux-Initiative zu unterstreichen, viele in Deutschland ansässig sind? Wahrlich, ein Politikum, ein Zeichen und eine Frage, an der sich die Gemüter entzünden können.
Anders als sonst verlaufen dabei die Frontlinien innerhalb des Parlamentes durchaus nicht entlang der Parteigrenzen - sondern quer hindurch. Die "Medienpolitiker", so drückt das die Grüne Grietje Bettin aus, sind sich "weitgehend einig", nicht aber "die Wirtschaftspolitiker". Ein Revival der Links-Rechts-Flügelkämpfe, innerparteiliche Version, mit überraschenden Schulterschlüssen über Parteigrenzen hinweg.
Sibold signalisiert derweil Gesprächsbereitschaft.
Ganz IT-Profi, kann er sich durchaus Gründe vorstellen, ein System wie Linux zu betreiben. Nur sprächen im Fall des Bundestags die besseren Gründe für den weiteren Betrieb von Microsoft-Programmen, und überhaupt arbeite die Bundestux-Initiative mit den falschen Argumenten. Die seien "nicht sachlich" - was stimmt, aber nicht bedeutet, dass sie - aus Perspektive der Linux-Befürworter - nicht sachgerecht wären.
Denn für Sibold ist das alles eine technische oder wirtschaftliche, für die Bundestux-Bewegten aber in erster Linie eine politische Frage. Die hoffen, wie etwa die grüne Abgeordnete Grietje Bettin, mit der Umstellung auf Linux die festgefahrene, harte Welt des Software-Business positiv umzugestalten.
"Bundestux" ist nicht herbeigeredet, manifestiert vielmehr das tatsächliche Wollen vieler Politiker und - natürlich - auch mittelständischer Linux-Unternehmer. Gestalt und damit druckvolle Kommunizierbarkeit hat der Themen-Trend jedoch erst, seit sich die politische Kommunikations-Agentur Werk21 das Thema zu eigen machte und die Bundestux-Website aus der Taufe hob. Analog zu den Linux-Bewegten glauben auch die Werk21-Macher, "Politik gestaltet Gesellschaft" - immerhin das Motto der Agentur. Zur Vollständigkeit fehlt es dem Firmen-Motto jedoch noch an einem Nachsatz: "Wir gestalten Politik".
(Quelle: manager-magazin.de)
So long,
Calexa