Und er regt sich über die Aufweichung der EU-Kriterien auf! :o)
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Durchsuchung eines Betriebs nach Nitrophen-Skandal
Im Skandal um das Unkrautvernichtungsmittel Nitrophen sind Kloppenburg 230 Tonnen Fleisch beschlagnahmt worden, das mit der Chemikalie verseucht ist. Die zustaendige Staatsanwaltschaft in Oldenburg teilte mit, das Fleisch sei fuer den Export nach Russland gedacht gewesen. Bei einer Durchsuchung des Betriebs seien unter anderem auch Vieh-Ordner mit dem Vermerk "Nitrophen" sichergestellt worden, hiess es weiter.
Oldenburg liegt nach meinem Wissen nicht im Osten
Der staatlich kontrollierte „ganzheitliche Gesundheitsschutz“ für Mensch und Tier begann mit Johann Peter Frank gegen Ende des 18. Jh. Durch Fleischbeschau und hygienebewußten Umgang sollte sich der Verbraucher allmählich in Sicherheit wiegen können, keimfreie tierische Lebensmittel zu konsumieren. Der Mensch, der die Geschicke der Natur lenken will, erkannte jedoch, daß mit künstlichen Eingriffen in ein natürliches Geschehen alles besser und schneller geht. Und in der Tat, die Rinder und auch andere Tiere, die für den menschlichen Konsum gedacht waren, wuchsen mit den Futtermittelzusätzen schneller. So sollte die Ernährung mit tierischem Eiweiß für alle Zivilisierten jederzeit gesichert sein. Die damit verbundene Massentierhaltung barg jedoch neue Risiken in sich und damit weitere intensive Eingriffe in die Tierhaltung, sowohl im Stall als auch auf der Weide.
Außer ein paar Skandalen der letzten Monate und Jahre, die im wesentlichen durch Prionen (biologische Schädlinge als Verursacher von BSE) und Pestizide (synthetische Schadstoffe wie Dioxin) aufgerührt wurden, bereiten heute Viren, Bakterien und Parasiten in tierischen Erzeugnissen der Volksgesundheit nur noch wenig Sorgen. Denn im wesentlichen hat man die Lebensmittelquantität und qualität im Griff. Was durch Fleischbeschau begann gliedert sich in unseren Zeiten schon in 14 Kategorien auf. Masthilfsmittel für alle Belange.
Beginnen wir beispielsweise mit den Enzymen und Probiotika. Sie sind erst seit wenigen Jahren für die Tiermast verfügbar, werden aber zunehmend häufiger in Mastbetrieben eingesetzt, womit obligatorisch eine wachsende wirtschaftliche Bedeutung verbunden ist. Diese gentechnisch herstellbaren Zusätze dienen der besseren Verwertung des Futters. Enzyme machen den pflanzlich gebundenen Phosphor biologisch verfügbar und Probiotika, das sind Bakterien oder Hefen, dienen zur Stabilisierung der Darmflora bei Jungtieren.
Wie beim Menschen gibt es natürlich auch für die Tiere Medikamente zur Behandlung von Infektionskrankheiten. Antiparasitika dienen der Abwehr von Parasiten, gegen bakterielle Erkrankungen werden Antibiotika, Mykotoxine, Sulfonamide oder Nitrofurane eingesetzt und vor Virusinfektionen versucht man die Tiere durch Impfungen zu schützen.
Von diesen Medikamenten sind bestimmte Antibiotika heftig in Verruf geraten. Vor allem jene, die in die Gruppe der Leistungs- bzw. Wachstumsförderer fallen wie Avoparcin (E 715). Diese Chemikalien werden nicht nur als Medikament angewendet, sondern auch als Futtermittelzusatz zur Verbesserung der Futterverwertung. Sie verschieben, wie die neueren Enzyme und Probiotika, die Kosten - Nutzen - Rechnung: weniger Futter - weniger Kosten. Solche Antibiotika und deren Stoffwechselprodukte (Metaboliten) bleiben in den Fleischwaren, weil sie den Tieren bis hin zum Schlachttermin verabreicht werden, obwohl eine bis zu 50 Tagen währende Wartezeit bis zur Schlachtung vorgeschrieben ist. Bei Avoparcin beispielsweise wird eine Kreuzresistenz beobachtet, d.h., gegen Avoparcin resistente Bakterien wie Enterokokken können auch gegen humane Antibiotika resistent sein, wie in diesem Falle gegen Vancomycin.
Eine andere Gruppe von Zusätzen macht von sich reden, weil insbesondere bei ihnen Rückstände im Fleisch verbleiben. Diese Zusätze werden auf dem Weg zum Schlachter eingesetzt und können, wegen des baldigen Endes der Lebensfunktionen, nicht mehr abgebaut werden. Es handelt sich um Psychopharmaka (Sedativa) mit beruhigenden und erregenden Wirkungen. Zur Beruhigung der Tiere werden sogenannte bBlocker dem Tier gespritzt. Und parallel dazu bAgonisten zur Verhinderung des Herzversagens während ihres Todeskampfes (Agonie), der erst beim Schlachter endet.
Neben den Leistungsförderern (Enzyme, Probiotika und Antibiotika), die der besseren Futterverwertung dienen, den Sedativa und einer ganzen Reihe weiteren recht eigentümlich anmutenden Stoffen, gibt es zur Förderung des Muskelaufbaues noch die Anabolika. Anabolika, im Rahmen der Tiermast auch als Masthormone bezeichnet, können natürliche körpereigene aber auch künstlich hergestellte Sexualhormone sein, oder Stoffe mit ähnlicher Wirkung (hormonal wirkende Stoffe).
Hormone
Hormone sind die Träger (Botenstoffe) der organischen Informationssysteme. Bei ausgewachsenen Organismen werden sie unter anderem in Teilen des Gehirns, der Schilddrüse oder der Bauchspeicheldrüse gebildet und mit dem Blut über den gesamten Organismus versendet. Sie sind für die Aufrechterhaltung und zur Regulation der Organfunktionen unentbehrlich. In der fetalen Phase, also bis zum embryonalen Entwicklungsstadium, steuern sie die Faltung der Zellverbände (d.h., die Entwicklung der Organe). Dieses regulatorische System, dessen Informationsvermittler die Hormone sind (Hormonsystem), liegt zudem im Gleichgewicht mit zwei weiteren Systemen, dem Immunsystem und dem Nervensystem. Diese drei körpereigenen Informationssysteme teilen sich viele Botenstoffe, d.h., ein und derselbe Botenstoff kann auf alle drei Systeme Auswirkungen haben.
Die Wirkung der Hormone wird an Rezeptoren ausgelöst - sowie ein Sender für seine Botschaft einen Empfänger braucht. Die Empfänger in biologische Systemen, also die Rezeptoren, sind Proteine an Zelloberflächen, an die sich die Botenstoffe anlagern. Bei der Anlagerung wird eine Änderung der Proteinstruktur bewirkt, welche zu chemischen Veränderungen in der Zelle führt. Diese chemische Reaktion entspricht dem Informationsgehalt der übermittelten Nachricht. Spezifische Informationen sind dadurch möglich, weil es für jeden Hormontyp einen eigenen Rezeptortyp in entsprechenden Organen gibt. Rezeptoren funktionieren quasi wie Schalter, die durch Hormone bedient werden, so wie man Zimmerlampen ein- und ausschalten oder deren Helligkeit verändern (dimmen) kann.
Hormonal wirkende Substanzen sind definitionsgemäß „exogene Stoffe“, die also nicht vom Organismus selbst produziert werden, aber Veränderungen im Hormonsystem und in den anderen körpereigenen Informationssystemen hervorrufen. Bekannt sind solche Substanzen aus den Gruppen der synthetischen Stoffe (Xenoöstrogene) wie Industriechemikalien oder Arzneimittel und der pflanzlichen Naturstoffe (Phytoöstrogene und Mycotoxine mit östrogener Wirkung). Von 250 bis 1000 Stoffen wird vermutet, daß sie hormonähnliche Wirkungen haben. Diese Stoffe binden, im Gegensatz zu den körpereigenen Hormonen, an die Rezeptoren unspezifisch und können damit das natürliche Gleichgewicht des Organismus auslenken. Die Störung beruht darauf, daß ein Schaltvorgang zur falschen Zeit, zu stark, zu schwach oder an ungünstigen Zellrezeptoren gleichzeitig erfolgt, oder die natürliche Schaltfunktion blockiert und dadurch notwendige Regulatorien außer Kraft setzt.
Für die Tiermast eignen sich insbesondere Sexualhormone (körpereigene und synthetische) oder Substanzen die ähnlich wirken. Die als Masthormone bezeichneten hormonal wirksamen Stoffe haben die Eigenschaft, die anabole Wirkung (Aufbau der Muskulatur) im Vergleich zur sexualwirksamen Komponente zu verstärken. Die körpereigenen Sexualhormone sind primär für die Regulation der Reproduktion zuständig (Ei- und Samenreifung, Monatszyklus etc.).
Masthormone wirken besonders effektiv bei jungen Tieren wie beispielsweise Kälber bis zur Sexualreife oder bei kastrierten Bullen (Ochsen). Bei erwachsenen Tieren (außer Ochsen) werden die körpereigenen Sexualhormone in so hohem Maße produziert, so daß die Masthormone kaum noch einen zusätzlichen Nutzen bringen. Um die anabole Wirkung auch bei Erwachsenen zu nutzen, wären Zugaben in großer Menge erforderlich. Dies ist aber gar nicht notwendig, denn die Masttiere werden schon als Früherwachsene geschlachtet. Die gute Futterverwertung durch die Leistungsförderer und das schnelle Wachstum des Körpers durch die Masthormone beschert den Tieren ein kurzes Leben mit strammen Muskeln. Der Zeitgewinn bis zum Erreichen des gewünschten Schlachtgewichtes liegt bei etwa 20 Tagen und bringt dem Mäster bis zu DM 200,– mehr in den Beutel.
Eine noch derbere Mastvariante wurde früher mit sogenannten Thyreostatika erreicht. Diese hormonal wirkenden Stoffe, die bei Mensch und Tier als Arznei für Schilddrüsenerkrankungen eingesetzt werden, bewirken die Einlagerung von Wasser ins Gewebe (Muskeln und anderen Organen) und führten so zur Steigerung des Gewichtes des Tieres und damit zu einem noch besseren Verkaufspreis beim Schlachter.
Die künstlich hergestellten Hormone für diese Zwecke zeigen oft eine beachtliche Stabilität, sodaß sie im Gewebe lange erhalten bleiben und als Rückstände im Fleisch des geschlachteten Tieres nachgewiesen werden können.Wie alles begann
Anfang Oktober 1980 gingen Schlagzeilen durch die Presse wie „Drogen im Fleisch“. Die Bundesbürger waren aufgeschreckt - schließlich verließen sie sich auf den gesetzlich vorgeschriebenen ordnungsgemäßen Zustand ihrer Lebensmittel. Nach den amtlichen Bestätigungen der Hormonrückstände sank binnen 14 Tage der Kalbfleischpreis auf weniger als die Hälfte ab.
Was war geschehen? Niedersachsen 1971: in fast 90% der Kälberbestände wurde DES gefunden; Untersuchungsamt Karlsruhe 1972: in knapp der Hälfte der geprüften Kalbfleischproben fand sich DES; Berlin 1975: jede dritte Kalbfleischprobe enthielt Zeranol; Weser-Ems 1977: jedes 13. Kalb wurde mit DES gemästet; Italien 1980: DES auch in Säuglingsnahrung; Krefeld 1980: in 20 von 48 Proben Säuglingsnahrung wurde DES gefunden.
DES, eine mit 60 Synonymen und Abkürzungen gehandelte Substanz (siehe im Internet unter http://www.bgvv.de/fbs/chem/civs/5653.htm), gehört zu den Stoffen mit hormonaler Wirkung. Neben der Anwendung als Masthormon wurde es auch als Arznei in der Humanmedizin eingesetzt, z.B. in den USA zwischen den Jahren 1945 und 1971, um Frühgeburten abzuwenden. Hinweise über dessen schädliche Wirkung gab es in Fachpublikationen schon im Jahre 1940 aus den USA und 1956 auch aus Deutschland. In den Jahren 1971 und 1972 wurde dann der Nachweis erbracht, daß DES sowohl Gebärmutterkrebs verursacht, als auch Krebsgeschwüre in der Vagina bei jungen Frauen unter 20, die als Töchter von mit DES behandelten Müttern geboren waren. Bei den männlichen Nachkommen waren unter anderem Zysten in den Nebenhoden beobachtet worden. Selbst in der dritten Generation waren noch Folgen festzustellen, die mit Fehl-, Früh- und Totgeburten einher gingen. Diese Beobachtungen wurden im nachhinein durch weitere Tierversuche bestätigt und mit der Zeit konnte eindeutig belegt werden, daß DES diese Schädigungen über Generationen hin bewirkt.
Im Jahre 1977 sprach die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft - etwas spät aber immerhin - eine Warnung zu DES aus und seit 1981 ist die Anwendung von DES und anderen Anabolika für die Tiermast durch die Richtlinie 81/602/EWG verboten.
Die bis dahin angewendeten billigen synthetischen Masthormone wurden noch einmal bei Kälbermastskandalen in Norddeutschland und den Benelux-Staaten im Jahre 1985 als „Hormoncocktail“ berühmt, mit Namen wie 19-Nortestosteron, 17a-Ethinylöstradiol oder Methoxyprogesteron. Weitere zweifelhafte Anabolika wie Trenbolon und Zeranol blieben sogar bis zum Jahre 1988 in Frankreich zugelassen.
In den Jahren 1988 und 1996 wurden die Richtlinie von 1981 für hormonal wirkende Substanzen bei veterinären Anwendungen durch die Richtlinien 88/146/EWG bzw. 96/22/EU noch einmal nachgebessert.
Bei Rückstandskontrollen im Jahre 1996 in Deutschland wurden noch bei einem von 561 geschlachteten Kälbern DES im Muskelfleisch gefunden und beispielsweise bei fünf von 734 Mastrinder 19-Nortestosteron im Urin.
Wie lukrativ das Geschäft mit dem illegalen Handel der Masthormone war oder noch ist, bekam Karel van Noppen zu spüren. Sein Versuch die Machenschaften der Händler und Tiermäster aufzudecken, mußte der belgische Tierarzt und Inspektor zu Beginn des Jahres 1995 mit seinem Leben bezahlen.
DES hatte bisher wohl die schwerwiegendsten Auswirkungen von Masthormonen auf den Menschen gehabt. Die anderen waren bisher weniger spektakulär in Erscheinung getreten, auch wenn aus etlichen Untersuchungen Hinweise auf Gesundheitsrisiken für Mensch und Tier hervorgingen. So hatte beispielsweise die Zusammenfassung von 61 Untersuchungen zur Spermienanzahl pro Volumeneinheit bei Männern im Jahre 1992 ergeben, das zwischen 1938 und 1990 die Anzahl der Spermien um fast die Hälfte abgenommen hat, was unter anderem auch mit den Masthormonen in Verbindung gebracht werden konnte. Es konnte gezeigt werden, daß 17a-Ethinylöstradiol, ein Mittel das auch bei Frauen zur Empfängnisverhütung verwendet wurde, eine 40fach höhere Wirksamkeit besitzt als sein Pendant, das körpereigene 17b-Östradiol, und nur sehr langsam im Körper abgebaut und damit direkt als Rückstand aus der Rindermast dem Menschen zugeführt wird. Grundsätzlich wurden die möglichen Langzeitwirkungen der künstlichen Masthormone auf den Menschen diskutiert, gerade wegen deren Langlebigkeit im Organismus und wegen der Einlagerung ins Fettgewebe, welches schier ein unendliches Reservoir für solche Pharmaka darstellt. Diskutiert wurde auch über Störungen des Hormonhaushaltes von Kindern vor der Pubertät, aber vor allem war man sich darüber bewußt, wie viele Forschungslücken es in diesem weiten Feld zu füllen gibt, da alle Masthormone nicht nur pharmakologisch wirksam sind, sondern direkt in die menschlichen Informationssysteme eingreifen.
Ohne Details oder eine vollständige Liste aller Masthormone hier weiter aufzuführen, sollen nun im weiteren jene Masthormone vorgestellt werden, die in der EU verboten sind, aber in etwa 20 Staaten, darunter auch in den USA und in Kanada von Amtswegen zugelassen sind. Zu diesen gehören die drei natürlichen, also körpereigenen Sexualhormone 17b-Östradiol, Progesteron und Testosteron, sowie die körperfremden Stoffe Melengestrol, Trenbolon und Zeranol (letztere zum Teil als Acetate, um die Bioverfügbarkeit zu erhöhen). Die hormonale Wirksamkeit dieser Anabolika ist durch deren Ankopplung an die entsprechenden Hormonrezeptoren bedingt. Melengestrol mimt Progesteron nach, Trenbolon bindet an den Testosteronrezeptor und Zeranol ist das Pendant zu 17b-Östradiol.
17b-Östradiol - ein Sexualhormon, das im Körper von Menschen und anderen Säugetieren gebildet wird.
Zeranol - ein von der WHO vorgeschlagener Freiname für ein Hydrierungsprodukt von Zearalenon (ein Gift aus Schimmelpilzen).
Außer Melengestrol, das den Tieren mit dem Futter verabreicht wird, werden die anderen fünf Hormone den Tieren via sogenannte Pellets verabreicht. Diese Kapseln werden als Implantate meist hinter einem Ohr unter die Haut gesetzt. Von dort aus erfolgt die allmähliche aber dauerhafte Hormonabgabe.
Im Jahre 1995 hatte die Codex-Alimentarius-Kommission (CAC), das ist die gemeinsame Kommission der UN-Organisationen für Ernährung (FAO) und Gesundheit (WHO), in der Vertreter von Wissenschaft, Politik und Industrie aus rund 150 Staaten sitzen und die für die Festlegung internationaler Standards im Nahrungsmittelbereich zuständig ist, die drei körpereigenen Hormone als unbedenklich erklärt und zwei der künstlichen Hormone, nämlich Trenbolon und Zeranol, mit Grenzwerten belegt, um die Sicherheit im Umgang mit diesen Substanzen zu gewährleisten. „Über Melengestrol liegen nach Angaben des Veterinärmediziners Professor Bernd Hoffmann, Gynäkologie- und Andrologieexperte aus Gießen auch heute noch keine wissenschaftlichen Daten vor.“ So in der Ärztezeitung vom 11. Mai 1999.Der Unbedenklichkeitsnachweis
„Der Hersteller ist verantwortlich für die gesundheitliche Unbedenklichkeit seiner Erzeugnisse“ - teilte der Pressedienst des Bundesamtes für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärwirtschaft am 1. Februar 1999 mit. Bisweilen braucht der Hersteller aber für seine Produkte Rückendeckung, die wiederum nicht all zu selten aus nationalen und internationalen „Wissenschaftsgremien“ kommt. Um diese Verantwortung übernehmen zu können, sollten demnach nicht nur die Verantwortlichen der Herstellerbetriebe aufgeklärt werden. Vor allem deshalb, weil die Produktion von Nahrungsergänzungsmitteln und Pharmaka laufend zunimmt. Aufklärung bedarf es zum einen über Schadwirkungen und zum anderen über die Beweisführung; z.B. für den Unbedenklichkeitsnachweis.
Ein Blick in die Lehrbücher der Toxikologie oder Umwelt- und Hygienemedizin birgt etliche Informationen über Schadwirkungen. Und ein Blättern in den Lehrbüchern der Mathematik und Philosophie ermöglicht einen Einblick in die Beweisführung. Beginnen wir mit den Schadwirkungen.
1. Substanzen, also molekulare Eindringlinge, bieten sich drei Wege um in den Organismus zu gelangen. A: oral, das heißt über den Mund, die Speiseröhre bis hin zum Magen-Darm-Trakt. B: inhalativ über die Atemwege und C: dermal, also über die Haut.
2. Die Wirkungen von verschiedenen Stoffen im Organismus können sich addieren (additive Wirkung). D.h., zwei unterschiedliche Stoffe mit gleicher Wirkung wirken doppelt so stark. Sie könnten sich auch potenzieren (akkumulative Wirkung), also zusammen beispielsweise 1000 mal so starke Auswirkungen haben als deren Einzelwirkungen. Letztlich wäre es auch möglich, daß sich ihre Wirkung aufhebt (Antagonismus) oder abschwächt.
3. Die Schädigung ist von der Menge des Schadstoffes und von der Einwirkungsdauer abhängig. Man unterscheidet zwischen akuten Schädigungen mit sofortiger Wirkung und chronischen Wirkungen, wenn Schadstoffe über lange Zeit Krankheitssymptome verursachen. Aus diesen Beobachtungen läßt sich ein Zusammenhang folgern, den schon Paracelsus (1493 - 1541) mit: „Die Dosis macht die Wirkung“ beschrieb. Physikalisch formuliert ergibt sich die Dosis aus der Menge des Schadstoffes multipliziert mit der Zeit (Dosis = Menge ´ Zeit). Ein und dieselbe Dosis kann also auf zweierlei Wege erreicht werden. Physikalisch macht das keinen Unterschied, für biologische Systeme hingegen kann dies völlig andere Prozesse und Symptome auslösen. Darüber hinaus kommt es auch vor, daß die Erkrankung erst viele Jahre nach der Einwirkung (Latenzzeit) des Schadstoffes auftritt.
4. Die Schadstoffwirkungen können auch von der Natur des Organismus abhängen. Sie können auf verschiedene Individuen der selben Spezies gleich, unterschiedlich oder nur auf das eine aber nicht auf das andere Individuum wirken (individuelle Wirkung). Die Wirkung eines Schadstoffes ist in diesem Fall von der Veranlagung (genetische Disposition) des Organismus abhängig. Ebenso können unterschiedliche Wirkungen ein und derselben Substanz zwischen unterschiedlichen Spezies beobachtet werden. D.h., daß Wirkungen auf den Menschen anders oder deutlicher ausfallen können als zum Beispiel bei Affen. Ein dramatisches Beispiel fand man in den sechziger Jahren mit dem als Schlafmittel verwendeten Medikament Contergan. Beim Menschen reichten ein Milligramm Substanz pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag um Mißbildungen bei den Nachfahren hervorzurufen, beim Affen waren dafür schon 10 mg notwendig, bei der Maus 30 mg und beim Hamster gar 350 mg dieser Substanz für jene Wirkung; hingegen bei Ratten blieben selbst 4000 mg wirkungslos.
5. Letztlich muß noch zwischen direkten und indirekten Wirkungen unterschieden werden. Direkte Schädigungen bewirken Gifte wie Arsen oder Curare und ätzende Chemikalien wie Säuren und Laugen. Direkt schädigend sind auch karzinogene Substanzen die Tumore verursachen (wie Nitrosamine), mutagene Substanzen die erbgutverändernd erst die nächsten Generationen schädigen (wie das oben genannte DES) und teratogene Stoffe die die Entwicklung eines neuen Lebens stören, wie Anomalien an Organen des entstehenden Lebewesens (wie das oben genannte Contergan) oder die Reproduktionsorgane der Erzeuger schädigen (wie oben schon erwähnt: Fertilitätsstörungen durch Samenmißbildungen). Indirekte Schädigungen können beispielsweise durch die Abbauprodukte (Stoffwechselprodukte, Metaboliten) der körperfremden Substanzen ausgelöst werden, die ihrerseits eben schädigend sind.
Über die Schadstoffwirkungen hinaus wäre jeder, der Unbedenklichkeitsbescheinigungen ausstellen will, gut beraten, Kenntnisse über die Beweisführung zu besitzen. Denn allzu häufig werden Hinweise oder Plausibilitätsargumente als Beweis verkauft.
Im ersten Schritt der Beweisführung muß zunächst klar definiert sein, was bewiesen werden soll. Sollte das gelingen, bieten sich zwei Varianten der Beweisführung an: der induktive Beweis und der deduktive Beweis. Induktiv können Fragestellungen aus dem Bereich der Toxikologie praktisch von vorn herein nicht bewiesen werden. Was bleibt ist die deduktive Beweisführung.
Die Deduktion bedient sich empirischer Methoden, d.h., es muß mit hinreichend vielen Beispielen gezeigt werden, daß die Fragestellung mit ja oder nein beantwortet werden kann. Schon allein unter Berücksichtigung der Schadwirkungen aus den Punkten 3. oder 4. ist auch diese Art der Beweisführung unmöglich. Es sei denn, Forschungslücken würden quantitativ und qualitativ gefüllt und der Mensch selbst stünde als Versuchsobjekt für diesen Beweis zur Verfügung.
Nachdem aber gerade der Mensch vor Schädigungen geschützt werden soll, ist jeder Unbedenklichkeitsnachweis reine Spekulation. Die Unbedenklichkeit eines Stoffes kann erst dann vermutet werden, wenn Menschen über Generationen von ein und derselben Chemikalie keine Schädigung erleiden. Wirft man nun einen Blick auf eine Liste von heute verbotenen Stoffen mit denen der Mensch vor 10, 20, 30 oder 40 Jahren via Lebensmittel konfrontiert wurde, wird man erschreckt feststellen, daß diese Liste eine beachtliche Länge erreicht hat. Also alles Substanzen, für die der deduktive Beweis erbracht worden ist, daß es Menschen gibt, die von diesen Stoffen geschädigt worden sind.
Schon seit Jahrzehnten steht deshalb die Frage im Raume: „Warum müssen die Vertreter der Gesundheitsvorsorge den Schädlichkeitsbeweis erbringen und nicht der Hersteller den Unbedenklichkeitsbeweis?“. Die Antwort dürfte mit dem zuvor Gesagten klar sein. Der Hersteller kann den Unbedenklichkeitsnachweis nicht erbringen und die Vertreter der Gesundheitsvorsorge haben den Beweis erst dann auf der Hand wenn das, was vermieden werden sollte, schon eingetreten ist. Genau das aber verlangt die WTO: nicht den Unbedenklichkeitsnachweis sondern den Schädlichkeitsnachweis.
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