das war die Prognose von Libuda, aber nicht jetzt nach den letzten Anstiegen, sondern im letzten Dezember. Und im Frühjahr 2003 bei einem DAX-Stand von 2.300 pronostizierte wohl als einziger auf deutschen Aktienboards ein gewisser snag für Ende 2005 einen Stand von 5.500 bis 6.000. Und zwar nicht aus einer Bierlaune heraus, sondern aufgrund steigender Gewinne, die er mit der dort einsetzenden Hebelwirkung bei steigender Ausbringung begründete. In einer immer fixkostenlastigeren Wirtschaft bedeuten nämlich steigende Erlöse stark überproportional steigende Gewinne.
DAX 6000 – und dann? (EurAmS)
Trotz der massiven Einbrüche vergangene Woche: Die 6000 Punkte schafft der DAX locker, sagen Experten. Doch dann wird die Luft dünner. Was Anleger jetzt tun sollten
von Jens Castner, Tobias Meister, Euro am Sonntag
Kaum zu glauben: Drei Jahre sind es schon, in denen eitel Sonnenschein an der Börse herrscht – und kaum einer hat’s gemerkt. Erst jetzt, da sich der DAX langsam, aber sicher der 6000-Punkte-Marke nähert, kommt das Gros der Anleger zurück. Erstmals seit 2001 meldet das Deutsche Aktieninstitut wieder eine steigende Anzahl von Aktionären. An den institutionellen Investoren ist die Hausse ebenso vorübergegangen wie an den meisten Privatanlegern. Auch hoch bezahlte Börsenprofis laufen den steigenden Kursen hinterher. Branchenschätzungen zufolge beträgt die Aktienquote der Versicherungen im Schnitt nur etwa zehn Prozent. In den Boom-Jahren 1999 und 2000 waren es 25 Prozent. Da der Druck auf die Lebensversicherungen, endlich wieder akzeptable Renditen zu erwirtschaften, mit jedem guten Börsentag wächst, ist es wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis der deutsche Leitindex die Hürde von 6000 Punkten überquert. "Was den Markt treibt, ist die hohe Liquidität, auf der viele Institutionelle noch sitzen", sagt Olaf Conrad, Fondsmanager bei HSBC Trinkaus & Burkhardt. Mit anderen Worten: Da die gesamte Versicherungsbranche stets prozyklisch agiert, wird in den kommenden Monaten weiter Geld an die Börsen fließen. Die im ersten Halbjahr anstehende Dividendensaison sollte zusätzlich dafür sorgen, daß der finanzielle Nachschub nicht abreißt. Nicht nur die Versicherer, auch die Banken waren viel zu vorsichtig. Wie eine Umfrage unserer Redaktion unter 20 führenden Instituten im Dezember vergangenen Jahres ergab, trauten die Kapitalmarktexperten dem DAX 2006 im Schnitt einen Anstieg auf knapp 5700 Punkte zu – ein Kursniveau, das längst überschritten ist. "Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, daß es sich um die Kursziele fürs Jahresende handelte", schränkt Stefan Steib, Leiter der Research-Abteilung bei der Landesbank Rheinland-Pfalz, ein. Da Steib eine schwächere zweite Jahreshälfte erwartet, sieht er keinen Grund, sein bisheriges Kursziel von 6000 Punkten – seinerzeit das optimistischste aller befragten Banken – anzuheben.
Andere haben das bereits getan. Commerzbank und M.M. Warburg beispielsweise halten inzwischen 6300 Punkte für erreichbar, die Landesbank Baden-Württemberg und SEB-Invest rechnen sogar mit 6500. "Da bewertungstechnisch noch Luft nach oben besteht", räumt auch Steib ein, "könnte die 6000er Marke im zweiten Quartal zeitweise deutlich überschritten werden." Auch HSBC-Fondsmanager Olaf Conrad sieht den Bewertungsspielraum der DAX-Titel noch nicht als ausgereizt an. Das Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) liege mit 14 noch immer unter dem langfristigen Durchschnitt von 16 bis 26, der in konjunkturellen Aufschwungphasen als angemessen erachtet wird. In Punkte umgerechnet lägen die für dieses Jahr prognostizierten Gewinne der DAX-30-Unternehmen bei 422, fürs nächste Jahr erwarten die Analysten einen Anstieg auf 472. Damit sind die Unternehmensgewinne doppelt so hoch wie 2002 und rangieren um 50 Prozent über der bisherigen Rekordmarke aus dem Jahr 2000. "Schon ein Anstieg des Markt-KGVs auf 16 würde einen DAX-Stand von mehr als 7000 Punkten bedeuten", rechnet Conrad vor.
Solche Prognosen seien allerdings stets mit Fragezeichen versehen, gibt der Experte zu bedenken. Zum einen unterstellt dieses Szenario langfristig niedrige Zinsen (in Hochzinsphasen werden Aktien stets schlechter bewertet, da risikoärmere Anlageformen dann ebenfalls hohe Renditen abwerfen). Zum anderen wäre ein weiterhin freundliches Weltwirtschaftsklima die Grundvoraussetzung für eine Höherbewertung des exportlastigen deutschen Blue-Chip-Barometers. Das Gros der Experten rechnet für 2007 jedoch mit einer Abschwächung des Wachstums. Hinzu kommt, daß das durchschnittliche KGV auf Schätzungen für die Zukunft beruht, nicht auf tatsächlich erzielten Gewinnen. Wie stark ein enttäuschendes Ergebnis den Gesamtmarkt belasten kann, zeigte am Donnerstag das Beispiel Adidas. Die schwachen Quartalszahlen brachten die zuvor gute Stimmung der Börsianer mit einem Schlag zum Kippen, der DAX verlor mehr als 1,4 Prozent. Tammo Greetfeld, Marktstratege der HypoVereinsbank, warnt deshalb vor überzogenen Erwartungen. "Die Gewinnschätzungen für 2006 wurden im Verlauf des vergangenen Jahres um 8,5 Prozent nach oben revidiert", erklärt er. Selbst in Boom-Jahren habe es keine derart starke Anhebung der Analystenprognosen gegeben. Zwar werden die Unternehmen 2006 ihre Gewinne im Vergleich zu 2005 weiter steigern können, die Revisionsfreudigkeit der Experten aber dürfte abnehmen – "vor dem Hintergrund des von uns erwarteten zyklischen Hochpunkts der Konjunkturindikatoren in den kommenden Monaten", begründet Greetfeld seine Skepsis. Vor allem im dritten Quartal könne es Enttäuschungen geben. Hinzu kommt, daß die Umstellung auf die internationale Bilanzierungsvorschrift IRFS den Gewinnanstieg ziemlich erhöht. Greetfelds Kursziel für den DAX macht wenig Mut: 5500 Punkte. Das Gros seiner Kollegen teilt diesen Pessimismus nicht – vor allem wegen der robusten Konjunktur. Carsten Klude, Chef-Volkswirt beim Bankhaus M.M. Warburg, traut Deutschland in diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum von zwei Prozent zu. 2007 werde die Wachstumsdynamik zwar etwas nachlassen, da Treiber wie die Weltmeisterschaft oder vorgezogene Investitionen wegen der Mehrwertsteuer-Erhöhung dann wegfallen. Da Deutschland aber eine Exportnation ist, sei die konjunkturelle Entwicklung in den wichtigen ausländischen Märkten viel entscheidender. "In der zweiten Jahreshälfte dürfte die nachlassende Wachstumsdynamik eingepreist werden. Die Kurse müssen deshalb aber nicht zwangsläufig fallen", so Klude. Auch für Thomas Körfgen, Leiter des Aktienfondsmanagements bei SEB Asset Management, gibt es keinen Grund, schwarzzusehen. Angefacht von Übernahmeplänen, könnte der DAX in nächster Zeit durchaus weitersteigen. Egal ob ThyssenKrupp, Linde, E.on oder BASF – vielerorts arbeiten Manager an Übernahmen. Deutschlands Konzerne können es sich leisten. Durch die Kostensenkungsmaßnahmen verdienen viele Firmen genug, um durch Zukäufe wachsen zu können. "Fusionen und Akquisitionen werden wir in diesem Jahr mit Sicherheit noch öfter sehen", glaubt Körfgen. Beruhigend an der Sache ist für ihn, "daß die Preise für diese Deals wirtschaftlich erklärbar sind. Von Panikkäufen ist noch nichts zu spüren". Trotz des positiven Gesamtbilds will er aber wie seine Kollegen von anderen Banken die Risiken nicht verschweigen. Ein amerikanischer Militärschlag gegen den Iran oder ein Übergreifen der Vogelgrippe auf den Menschen würden die Stimmung an den Börsen schnell verderben. Schon am Faschingsdienstag hatten Händler gemutmaßt, daß für den scharfen Kurseinbruch weniger die schlechten Zahlen des US-Internetgiganten Google oder schwache Konjunkturdaten aus den USA verantwortlich waren, sondern vielmehr die erste tote Katze auf Rügen. Die durch Sars ausgelösten Kursabschläge der letzten Baisse sind vielen Anlegern noch in schmerzhafter Erinnerung.
"Die Gefahren kennen alle, nur lassen sie sich unmöglich bewerten", erklärt Körfgen. Auch Währungsturbulenzen oder stark steigende Rohstoffpreise könnten die Unternehmensgewinne belasten und die Börsen ins Wanken bringen. Außerdem ist fraglich, ob der Zinserhöhungszyklus in den USA tatsächlich zu Ende geht und wie weit die Europäische Zentralbank den Satz noch hochschrauben wird. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hat nach der jüngsten Erhöhung auf 2,5 Prozent schließlich weitere Schritte angekündigt. Bereits im Juni könnte der nächste folgen. Die Mehrheit der Volkswirte rechnet zum Jahresende mit einem Zinsniveau von drei bis 3,50 Prozent. Doch selbst wenn das ausbliebe, birgt der Markt jederzeit die Gefahr größerer Rückschläge, wie am Dienstag und Donnerstag vergangener Woche deutlich wurde. Andererseits sind genau diese Einbrüche notwendig, um die Stimmung nicht in Euphorie ausarten zu lassen wie vor der Mega-Baisse, die im März 2000 begann. "Negative Nachrichten wurden kaum mehr wahrgenommen, die Stimmung war schon wieder beunruhigend gut", erklärt Kai Franke, Chef-Stratege der BHF-Bank. "Die Korrektur kam genau zum richtigen Zeitpunkt", pflichtet Warburg-Volkswirt Carsten Klude bei. Der jüngste Schuß vor den Bug der Investorengemeinde wird wohl nicht der letzte gewesen sein. Anleger sind deshalb gut beraten, vorsichtige Strategien zu verfolgen, etwa mit Lock-in- und Bonuszertifikaten. Die 6000er Marke bleibt zwar auch nach der jüngsten Korrektur in Reichweite, doch warnt BHF-Experte Franke nicht ganz zu Unrecht: "Die Luft wird langsam immer dünner."DAX