Deutschland kommt auf schwarze Liste
ABN-Strategen sehen rot-grüne Wirtschaftspolitik als Risikofaktor für europäische Konzerne
Von Holger Zschäpitz
Berlin - Gerhard Schröder bleibt momentan nichts erspart. Bei der Kanzlerwahl gewähren ihm nicht einmal alle Parteifreunde den Vertrauensbeweis. Zugleich revidieren die von der Regierung bezahlten Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Wachstumsprognosen drastisch nach unten. Und nach den Unternehmen dreschen nun auch die Banken auf die frisch gewählte rot-grüne Regierung und deren Finanz- und Steuerpläne ein. Insbesondere ausländische Institute üben in ihrer Analyse wenig Zurückhaltung. Von der "deutschen Krankheit" schreiben die Experten von ABN Amro und haben eine Giftliste mit Unternehmen aufgestellt, die einen Großteil ihres Geschäfts zwischen Flensburg und Garmisch abwickeln. Anleger sollten wegen des Risikos um diese Gesellschaften einen großen Bogen machen. Credit Suisse First Boston und Morgan Stanley sehen in Deutschland den "kranken Mann Europas". Und in den Augen der französischen Credit Agricole steht Deutschland mit dem Rücken zur Wand. Wenn es das Risiko einer Depression - also einer langjährigen Agonie der Wirtschaft - gebe, dann nicht für die USA oder Europa sondern für Deutschland.
"Bisher dachten wir immer, die Neuauflage der rot-grünen Koalition brächte keine große Politikänderung. Wir wurden negativ überrascht", schimpft Holger Fahrinkrug, Volkswirt bei UBS Warburg. "Wir sehen jetzt eine altmodische sozialistische Wirtschaftspolitik, die negativ ist für Ökonomie, Unternehmen und deutschen Finanzmarkt ist."
Ungewohnt scharf meldeten sich gestern auch die Experten der staatseigenen WestLB mit einer Analyse unter dem Titel "Giftpillen für die deutsche Wirtschaft" zu Wort: "Auch wenn die Performance deutscher Aktien in den letzten Tagen dies nicht widerspiegelt, das in den rot-grünen Koalitionsverhandlungen vereinbarte Paket ist ein denkbar schlechtes Signal für die deutsche Wirtschaft", so Hendrik Garz. Er vermisst jegliche Spur von zukunftsgewandter Strategie. "Vor allem ist ein echter Wille, die wirklich notwendigen Reformen durchzuführen, nicht erkennbar."
Für hiesige Aktionäre ist dies alles nichts positives. Denn die Banker belassen es nicht beim Schimpfen. Überall in den Kreditinstituten spitzen die Strategen wegen des politischen Risikos die Bleistifte, um den fairen Wert für den Dax herabzusetzen. Gartz etwa denkt daran, seine Dax-Prognose um über zehn Prozent von 5100 auf 4500 Punkte zurückzunehmen. Im Klartext: Er beziffert den Schaden der rot-grünen Wirtschaftspolitik für Anleger auf über 60 Mrd. Euro.
Auch andere Strategen sehen Unheil für die deutschen Konzerne. So hält Anais Faraj, Stratege bei Nomura, die für die Dax-Konzerne prgnostizierten Gewinnsteigerungen von 50 Prozent in diesem und dem nächsten Jahr für utopisch einem Umfeld schwachen Wachstums und steigender Steuern. "Ergebnissteigerungen lassen sich aktuell nur durch Kostensenkungen etwa im Personalbereich realisieren. Sollten die Konzernlenker wirklich die Prognosen erreichen, steht halb Deutschland auf der Straße."
Einen radikalen Weg schlägt ABN-Experte Chris Johns ein. Er empfiehlt den Anlegern, aus dem Depot die deutsche Wirtschaft vollständig herauszukegeln. Deutschland laufe Gefahr, ein neuer Problemfall nach japanischem Vorbild zu werden. "Wenn uns die japanische Krise eins gelehrt hat dann das: Unternehmen, die am wenigsten Geschäft mit dem kränkelnden Nippon machten, liefen am besten", so Johns. Das heißt für die heutig Situatione: Anleger sollten vor allem jene Gesellschaften dringend meiden, deren Umsätze am Wohl und Wehe der deutschen Wirtschaft hängen.
Ganz oben auf der Giftliste stehen Karstadt-Quelle, die zu 91 Prozent von den hiesigen Verkäufen abhängen. Auf den Plätzen zwei und drei folgen Deutsche Telekom und Commerzbank. Doch nicht nur deutsche Konzerne finden sich auf der schwarzen Liste. Der Bekleidungsriese Hennes & Mauritz setzt ein Drittel aller weltweiten Verkäufe hier zu Lande ab. Auch die Aktien der schwedischen Bank SEB sowie des Mobilfunkbetreibers MMO2 bergen nach Berechnungen von Johns ein Deutschland-Risiko. "Die Parallelen zwischen Japan und Deutschland sind offensichtlich: Schwaches Wachstum, eine überalterte Gesellschaft, die starke Abhängigkeit der Ökonomie vom Maschinenbau, eine schwach ausgeprägte Risikokultur, Unflexible Strukturen am Arbeitsmarkt, eine generelle Überregulierung sowie eine überbordende Bürokratie."
ABN-Strategen sehen rot-grüne Wirtschaftspolitik als Risikofaktor für europäische Konzerne
Von Holger Zschäpitz
Berlin - Gerhard Schröder bleibt momentan nichts erspart. Bei der Kanzlerwahl gewähren ihm nicht einmal alle Parteifreunde den Vertrauensbeweis. Zugleich revidieren die von der Regierung bezahlten Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Wachstumsprognosen drastisch nach unten. Und nach den Unternehmen dreschen nun auch die Banken auf die frisch gewählte rot-grüne Regierung und deren Finanz- und Steuerpläne ein. Insbesondere ausländische Institute üben in ihrer Analyse wenig Zurückhaltung. Von der "deutschen Krankheit" schreiben die Experten von ABN Amro und haben eine Giftliste mit Unternehmen aufgestellt, die einen Großteil ihres Geschäfts zwischen Flensburg und Garmisch abwickeln. Anleger sollten wegen des Risikos um diese Gesellschaften einen großen Bogen machen. Credit Suisse First Boston und Morgan Stanley sehen in Deutschland den "kranken Mann Europas". Und in den Augen der französischen Credit Agricole steht Deutschland mit dem Rücken zur Wand. Wenn es das Risiko einer Depression - also einer langjährigen Agonie der Wirtschaft - gebe, dann nicht für die USA oder Europa sondern für Deutschland.
"Bisher dachten wir immer, die Neuauflage der rot-grünen Koalition brächte keine große Politikänderung. Wir wurden negativ überrascht", schimpft Holger Fahrinkrug, Volkswirt bei UBS Warburg. "Wir sehen jetzt eine altmodische sozialistische Wirtschaftspolitik, die negativ ist für Ökonomie, Unternehmen und deutschen Finanzmarkt ist."
Ungewohnt scharf meldeten sich gestern auch die Experten der staatseigenen WestLB mit einer Analyse unter dem Titel "Giftpillen für die deutsche Wirtschaft" zu Wort: "Auch wenn die Performance deutscher Aktien in den letzten Tagen dies nicht widerspiegelt, das in den rot-grünen Koalitionsverhandlungen vereinbarte Paket ist ein denkbar schlechtes Signal für die deutsche Wirtschaft", so Hendrik Garz. Er vermisst jegliche Spur von zukunftsgewandter Strategie. "Vor allem ist ein echter Wille, die wirklich notwendigen Reformen durchzuführen, nicht erkennbar."
Für hiesige Aktionäre ist dies alles nichts positives. Denn die Banker belassen es nicht beim Schimpfen. Überall in den Kreditinstituten spitzen die Strategen wegen des politischen Risikos die Bleistifte, um den fairen Wert für den Dax herabzusetzen. Gartz etwa denkt daran, seine Dax-Prognose um über zehn Prozent von 5100 auf 4500 Punkte zurückzunehmen. Im Klartext: Er beziffert den Schaden der rot-grünen Wirtschaftspolitik für Anleger auf über 60 Mrd. Euro.
Auch andere Strategen sehen Unheil für die deutschen Konzerne. So hält Anais Faraj, Stratege bei Nomura, die für die Dax-Konzerne prgnostizierten Gewinnsteigerungen von 50 Prozent in diesem und dem nächsten Jahr für utopisch einem Umfeld schwachen Wachstums und steigender Steuern. "Ergebnissteigerungen lassen sich aktuell nur durch Kostensenkungen etwa im Personalbereich realisieren. Sollten die Konzernlenker wirklich die Prognosen erreichen, steht halb Deutschland auf der Straße."
Einen radikalen Weg schlägt ABN-Experte Chris Johns ein. Er empfiehlt den Anlegern, aus dem Depot die deutsche Wirtschaft vollständig herauszukegeln. Deutschland laufe Gefahr, ein neuer Problemfall nach japanischem Vorbild zu werden. "Wenn uns die japanische Krise eins gelehrt hat dann das: Unternehmen, die am wenigsten Geschäft mit dem kränkelnden Nippon machten, liefen am besten", so Johns. Das heißt für die heutig Situatione: Anleger sollten vor allem jene Gesellschaften dringend meiden, deren Umsätze am Wohl und Wehe der deutschen Wirtschaft hängen.
Ganz oben auf der Giftliste stehen Karstadt-Quelle, die zu 91 Prozent von den hiesigen Verkäufen abhängen. Auf den Plätzen zwei und drei folgen Deutsche Telekom und Commerzbank. Doch nicht nur deutsche Konzerne finden sich auf der schwarzen Liste. Der Bekleidungsriese Hennes & Mauritz setzt ein Drittel aller weltweiten Verkäufe hier zu Lande ab. Auch die Aktien der schwedischen Bank SEB sowie des Mobilfunkbetreibers MMO2 bergen nach Berechnungen von Johns ein Deutschland-Risiko. "Die Parallelen zwischen Japan und Deutschland sind offensichtlich: Schwaches Wachstum, eine überalterte Gesellschaft, die starke Abhängigkeit der Ökonomie vom Maschinenbau, eine schwach ausgeprägte Risikokultur, Unflexible Strukturen am Arbeitsmarkt, eine generelle Überregulierung sowie eine überbordende Bürokratie."