MONEY-Börse
Top-Manager mit Rhetorik-Schwäche
Warum sind Deutschlands Top-Manager so erstaunlich schwache Redner, wenn sie in der Öffentlichkeit auftreten, wundert sich FOCUS-MONEY-Redakteur Markus Voss.
Löscher, Obermann, Funke: Die Chefs von Siemens, Telekom und Hypo Real EstateAn die Achterbahnfahrt der Börse haben sich die Anleger mittlerweile gewöhnt. Verliert der Dax einmal „nur“ 0,2 Prozent, wie Freitagmittag, gilt das schon fast als Stabilisierung. Irritierend bleiben jedoch extreme Kurskorrekturen, wie sie in den vergangenen Wochen bei der Hypo Real Estate, der Telekom oder Siemens zu beobachten waren. Binnen weniger Stunden lösten sich Milliarden an Börsenwert in Luft auf. Schlechte Nachrichten werden von der Börse zu Recht bestraft. Schlimm wird es für die Aktionäre jedoch, wenn schlechte Nachrichten vom Vorstand auch noch schlecht verkauft werden, weil er die Börsenreaktion einfach unterschätzt hat. ZUM THEMA
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Ein gutes Beispiel lieferte diese Woche die Hypo Real Estate: Im Januar hatte das Unternehmen nach einer überraschenden Gewinnrevision um 295 Millionen Euro 37 Prozent seines Börsenwerts verloren. In Zahlen waren das zwei Milliarden Euro, das Siebenfache der abgeschriebenen Summe. Grund dafür war, dass Vorstandschef Georg Funke, der noch im November Wertberichtigungen steif und fest ausgeschlossen hatte, in den folgenden Presse- und Analystenkonferenzen ein schwaches Bild abgab. Dass er nicht erklären konnte, warum der Wertverfall im Portfolio so spät erkannt wurde und wie groß die verbleibenden Risiken überhaupt sind.
Am Donnerstag trat Funke wieder vor die Presse. Diesmal hatte er nicht nur den kompletten Jahresabschluss dabei. Eigens angeheuerte Berater hatten ihm dazu einen Foliensatz erstellt, der keine Fragen offen ließ. Der Markt bekam die lange ersehnte Transparenz über die Risiken der Bank – und Funke einen Kursgewinn von fast 13 Prozent. Aus Sicht der Aktionäre ist das ärgerlich. Denn der Fall zeigt, welcher Schaden hätte vermieden werden können, wenn der Vorstand im Januar besser kommuniziert hätte. Das Niveau, von dem sie damals fiel, hat die Aktie nämlich noch lange nicht erreicht.
Missverständnis sorgt für Kursdesaster
Der Telekom kostete Mitte März ein Missverständnis Milliarden. Festnetzchef Timotheus Höttges hatte gesagt, dass der Konzern in der T-Home-Sparte an der Kostenschraube drehen müsse und weitere Kunden im Festnetzgeschäft verlieren werde. Die Börse interpretierte das als Gewinnwarnung – und wertete die Telekom um sechs Milliarden Euro ab. Schon öfter hatte Höttges auf den drohenden Kundenschwund hingewiesen. Doch Investoren gingen davon aus, dass die nun von Höttges erwähnten Probleme noch hinzukämen. So hatte es der Manager aber gar nicht gemeint. Der Konzern stellte das umgehend richtig. Trotzdem blieb der Kurs der T-Aktie im Keller.
Siemens-Chef Peter Löscher dachte richtig, als er mit der Gewinnwarnung vor zwei Wochen das Versprechen verband, seine Mittelfristprognose bis 2010 trotzdem einzuhalten. Doch die Börse glaubte ihm nicht. Das liegt weniger an der Person Löscher als daran, dass Siemens-Manager viel zu oft eigene Probleme kleingeredet haben. Dieses Bild wieder zu korrigieren wird Jahre dauern.
Soziale Kompetenz als Führungskriterium
Sind deutsche Vorstände schlechte Kommunikatoren? Könnte ein bisschen mehr Klarheit und Esprit bei öffentlichen Auftritten gar den Aktienkurs heben? In den Aufsichtsräten hat die Debatte darüber tatsächlich begonnen: „Wir müssen die kommunikative Kompetenz unserer Führungskräfte stärker ausbilden“, bekannte Allianz-Aufsichtsratschef Henning Schulte-Noelle Anfang März bei einer Podiumsdiskussion auf dem 15. Münchner Management-Kolloquium. Der knorrige Manager, eine Ikone der Deutschland AG, gab sich ungewohnt einsichtig: „Wir haben Führungsstärke lange verwechselt mit Fachkompetenz und dem Erreichen von Performance-Indikatoren“, sagte Schulte-Noelle. Dann kam dem knorrigen Manager ein Satz über die Lippen, den man aus seinem Mund wohl am wenigsten erwartet hatte: Auch „soziale Kompetenz“ sei wichtig, nuschelte Schulte-Noelle.
Er meinte damit, dass ein Konzernchef seine Aussagen auch in den gesellschaftlichen Kontext einordnen muss. Unvergessen der Fauxpas, den sich einst Deutsche-Bank-Chef Ackermann leistete, als er die Verkündung eines Rekordgewinns mit der Ankündigung von Entlassungen verknüpfte. „Blöder geht’s nicht“, bemerkte der frühere Thyssen-Chef Dieter Vogel, der in München neben Schulte-Noelle auf dem Podium saß. Das zeige, wie sich einige Manager von der Realität entfernt hätten. „So was zerstört den Kitt in unserer Gesellschaft“, ergänzte Vogel. Im Mittelstand käme niemand auf die Idee, solche Meldungen abzugeben. Dort herrsche mehr Realitätssinn. Liaison zwischen Managern und MedienmachernZUM THEMA
Vorstandsgehälter:
Was Spitzenmanager wert sindIn jedem Fußballverein wird der Trainer zur Disposition gestellt, wenn er die Mannschaft nicht mehr erreicht. Für Top-Manager gibt es erstaunlich viele Ausnahmen von dieser Regel. Wäre es zu viel verlangt, wenn sie grundsätzlich ein professionelles Rhetorik- oder Medientraining erhielten? Offenbar ja, denn souveräne Auftritte vor Publikum sind rar gesät: Telekom-Chef René Obermann gelang ein solcher im April 2007 als Gast der Talkshow von Maybrit Illner. Obermann war sogar so überzeugend, dass die beiden bald danach ein Paar wurden. Auch Wolfgang Reitzle gilt als guter Kommunikator. Zufällig ist auch er mit einer TV-Größe verheiratet. Das können und wollen wir von Vorstandschefs wie Michael Diekmann (Allianz), Manfred Wennemer (Continental) oder Wolfgang Ziebart (Infineon) nicht verlangen. Mehr Elan und geschliffene Rhetorik täten nicht nur den Zuhörern gut. Insbesondere Analysten und Fondsmanager machen ihr Anlageurteil auch davon abhängig, wie überzeugend die Konzernlenker ihre „Story“ rüberbringen – und ob sie daran glauben. Will heißen: Klare Worte heben den Kurs.
Porsche-Chef Wedeking kann´s
Es geht nicht um rhetorische Windmaschinen, die jeden Kleinsterfolg zum Quantensprung aufbauschen, wie Ziebarts Vorgänger Ulrich Schumacher. Es geht um Wahrheit, Klarheit und stichhaltige Argumente. Dass die Porsche-Aktie seit Jahren so gut läuft, hat auch damit zu tun, dass Wendelin Wiedeking sein Unternehmen gut verkauft. Mittlerweile profitiert sogar VW von diesem Nimbus, auch wenn Wiedekings Attitüde vielen in Wolfsburg sauer aufstößt.
Unvergessen auch der frühere SAP-Chef Hasso Plattner, der einst bei einer Anwendermesse in den USA mit E-Gitarre auf die Bühne sprang und ein formidables Solo hinlegte. Dem Software-Absatz hat es tatsächlich geholfen. Merke: Gesten sagen manchmal sogar noch mehr als gute Worte.
Gegen Lampenfieber hilft Übung
Auch in der Bankenwelt gibt es im positiven Sinne gute Selbstdarsteller – und gute Rhetoriker. Commerzbank Klaus-Peter Müller hat die Kurssteigerungen seiner Aktie nach der Börsenkrise 2001 geradezu herbeigeredet. Er präsentierte die Bank schon wieder als Branchenschwergewicht, als intern noch vieles auf der Kippe stand. Mit seiner zeitweiligen Omnipräsenz in den Medien fing Müller Kritik an seiner Bank geschickt ab. Unterdessen konnten seine Manager den Laden aufräumen. Heute steht die Bank, gemessen an ihrer Größe, tatsächlich glänzend da. Jetzt passt auch die Lage zur Story.
Wir können an dieser Stelle nicht jeden Dax-Chef einzeln würdigen, und tatsächlich sind viele von ihnen in Hintergrundgesprächen auch wesentlich lockerer und sprachlich klarer als auf dem Podium. Haben die Herren also schlichtweg nur Lampenfieber, wenn sie mit ihrem Manuskript ans Rednerpult treten oder sich im Talkshow-Sessel die Beine verknoten?
Da hilft nur eines: Übung!