Aufstieg, Absturz, Kater, Neuanfang: An der Börse geht es immer wieder von vorne los. Trotzdem raffen manche Typen nicht, wie man mit Aktien Geld verdient. Ist doch total einfach.
"Die Aktienrallye ist bald vorbei", meldete jüngst die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung". Ich empfand das insofern als beunruhigend, als ich nicht einmal wusste, dass gerade eine Aktienrallye läuft. Das heißt, ich hatte davon gehört. Aber ich war wieder nicht dabei, als der Dax anfing, Gas zu geben. Seit März hat er 60 Prozent zugelegt. Aber ich komme zu solchen Rallyes grundsätzlich zu spät. Als Zuschauer sehe ich meist nur noch die Staubwolken in der Zielgeraden.
Wer nett ist, nennt mich einen antizyklischen Anleger (weil ich bei Mondpreisen einsteige und im dunklen Keller dann die Nerven verliere). Man könnte auch sagen: Mein Herz schlug immer schon für die Verlierer. Oder man lacht einfach, dass Typen wie ich es einfach nicht raffen, wie man mit Aktien Geld verdienen kann. Ich habe Bekannte, die mir ausdauernd erklären, wie leicht das eigentlich ist. Jeder hat solche Bekannte. Die können sehr anstrengend sein in ihrer wichtigtuerischen Bräsigkeit.
Mein letztes reines Aktienerlebnis liegt genau zehn Jahre zurück. Die Firma hieß FortuneCity.com. Als ich einstieg, kostete die Aktie 18 Euro. Als ich ausstieg, lag sie bei 8 Cent. Damit ist das Gröbste über mein Verhältnis zu Aktien gesagt. Seither ist alles verzischt: mein Geld, meine Spiellaune, FortuneCity, ja, selbst der Neue Markt, an dem die Firma gehandelt wurde. Obwohl sich ihre Idee völlig schlüssig angehört hatte: Sie baute im Internet eine glückliche Stadt für glückliche Bürger. FortuneCity hat damit früh bewiesen, was Facebook gerade erst schafft: zu zeigen, dass Online immer toll klingt, aber selten Gewinn bringt.
Immerhin lernte ich damals Begriffe wie Shareholder-Value, Venture-Capital, Break-even kennen sowie neue Berufsgruppen: erst Analysten, dann Charttechniker, die einem erklären konnten, dass noch Hoffnung besteht, wenn die zweite Unterstützungslinie in den nächsten acht Tagen hält. Sie brach dann erst ein paar Wochen später. Danach lernte ich weitere Fachvokabeln: Cash-burn-Rate zum Beispiel und Pennystocks.
So einfach ist das: Man ist Gewinner oder Verlierer
Meine Aktien wurden billiger als das Papier, auf das sie nie gedruckt wurden. Der damalige Vorstandschef von FortuneCity sagte: "Der Markt hat unsere Story nicht richtig verstanden." Es ging ums Geschichtenerzählen. Was lernte ich noch? Das, was alle dauernd aus solchen Erfahrungen lernen: nichts.
Vor ein paar Jahren habe ich ein Konto bei einer Direktbank eröffnet. Regelmäßig bekam ich den "Fonds des Monats" empfohlen. Die Reklame wurde mit Kurven dekoriert, die immer nach oben zeigten. Man musste nicht mal einen Ausgabeaufschlag zahlen. Ich fand das völlig unverdächtig, obwohl ich bis heute nicht weiß, was diese Fonds wirklich machen und wo die Menschen wohnen, die sie verwalten. An der Wall Street? In einem Uelzener Studentenwohnheim?
Sobald ich mein Online-Konto öffne, leuchten mir die Bewertungen alle knackrot entgegen. Wenn es ein Grab des unbekannten Kleinaktionärs gäbe, würde ich dort jedes Jahr ein paar Zehn-Euro-Scheine abfackeln. Meine Frau grinst zu solchen Geständnissen gern höhnisch. Ende der neunziger Jahre lag sie mal mit einem Medienfonds goldrichtig. "Du hattest Glück", sage ich dann. "Du nicht", sagt sie. Dann sage ich noch: "Doch, ich hab ja dich."
Aber so einfach ist das: Man ist Gewinner oder Verlierer. Vielleicht sollte ich wie Bekannte mit dem Pennystock Arcandor spekulieren? Oder ist es verwerflich, mit dem Schicksal tausender Verkäuferinnen noch Geld verdienen zu wollen? Aufstieg, Absturz, Kater, Neuanfang. Es geht immer wieder von vorne los.
Nur jetzt ist es natürlich gerade wieder zu spät. "Die Aktienrallye ist bald vorbei", meldete jüngst…
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,656004,00.html
"Die Aktienrallye ist bald vorbei", meldete jüngst die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung". Ich empfand das insofern als beunruhigend, als ich nicht einmal wusste, dass gerade eine Aktienrallye läuft. Das heißt, ich hatte davon gehört. Aber ich war wieder nicht dabei, als der Dax anfing, Gas zu geben. Seit März hat er 60 Prozent zugelegt. Aber ich komme zu solchen Rallyes grundsätzlich zu spät. Als Zuschauer sehe ich meist nur noch die Staubwolken in der Zielgeraden.
Wer nett ist, nennt mich einen antizyklischen Anleger (weil ich bei Mondpreisen einsteige und im dunklen Keller dann die Nerven verliere). Man könnte auch sagen: Mein Herz schlug immer schon für die Verlierer. Oder man lacht einfach, dass Typen wie ich es einfach nicht raffen, wie man mit Aktien Geld verdienen kann. Ich habe Bekannte, die mir ausdauernd erklären, wie leicht das eigentlich ist. Jeder hat solche Bekannte. Die können sehr anstrengend sein in ihrer wichtigtuerischen Bräsigkeit.
Mein letztes reines Aktienerlebnis liegt genau zehn Jahre zurück. Die Firma hieß FortuneCity.com. Als ich einstieg, kostete die Aktie 18 Euro. Als ich ausstieg, lag sie bei 8 Cent. Damit ist das Gröbste über mein Verhältnis zu Aktien gesagt. Seither ist alles verzischt: mein Geld, meine Spiellaune, FortuneCity, ja, selbst der Neue Markt, an dem die Firma gehandelt wurde. Obwohl sich ihre Idee völlig schlüssig angehört hatte: Sie baute im Internet eine glückliche Stadt für glückliche Bürger. FortuneCity hat damit früh bewiesen, was Facebook gerade erst schafft: zu zeigen, dass Online immer toll klingt, aber selten Gewinn bringt.
Immerhin lernte ich damals Begriffe wie Shareholder-Value, Venture-Capital, Break-even kennen sowie neue Berufsgruppen: erst Analysten, dann Charttechniker, die einem erklären konnten, dass noch Hoffnung besteht, wenn die zweite Unterstützungslinie in den nächsten acht Tagen hält. Sie brach dann erst ein paar Wochen später. Danach lernte ich weitere Fachvokabeln: Cash-burn-Rate zum Beispiel und Pennystocks.
So einfach ist das: Man ist Gewinner oder Verlierer
Meine Aktien wurden billiger als das Papier, auf das sie nie gedruckt wurden. Der damalige Vorstandschef von FortuneCity sagte: "Der Markt hat unsere Story nicht richtig verstanden." Es ging ums Geschichtenerzählen. Was lernte ich noch? Das, was alle dauernd aus solchen Erfahrungen lernen: nichts.
Vor ein paar Jahren habe ich ein Konto bei einer Direktbank eröffnet. Regelmäßig bekam ich den "Fonds des Monats" empfohlen. Die Reklame wurde mit Kurven dekoriert, die immer nach oben zeigten. Man musste nicht mal einen Ausgabeaufschlag zahlen. Ich fand das völlig unverdächtig, obwohl ich bis heute nicht weiß, was diese Fonds wirklich machen und wo die Menschen wohnen, die sie verwalten. An der Wall Street? In einem Uelzener Studentenwohnheim?
Sobald ich mein Online-Konto öffne, leuchten mir die Bewertungen alle knackrot entgegen. Wenn es ein Grab des unbekannten Kleinaktionärs gäbe, würde ich dort jedes Jahr ein paar Zehn-Euro-Scheine abfackeln. Meine Frau grinst zu solchen Geständnissen gern höhnisch. Ende der neunziger Jahre lag sie mal mit einem Medienfonds goldrichtig. "Du hattest Glück", sage ich dann. "Du nicht", sagt sie. Dann sage ich noch: "Doch, ich hab ja dich."
Aber so einfach ist das: Man ist Gewinner oder Verlierer. Vielleicht sollte ich wie Bekannte mit dem Pennystock Arcandor spekulieren? Oder ist es verwerflich, mit dem Schicksal tausender Verkäuferinnen noch Geld verdienen zu wollen? Aufstieg, Absturz, Kater, Neuanfang. Es geht immer wieder von vorne los.
Nur jetzt ist es natürlich gerade wieder zu spät. "Die Aktienrallye ist bald vorbei", meldete jüngst…
Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,656004,00.html