Zinsen und Wachstum

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tom68:

Zinsen und Wachstum

 
10.04.01 17:34
Zuletzt aktualisiert: 10 Apr 2001 13:09 GMT+00:00 (Reuters)  




Reuters Foto  
Berlin (Reuters) - Niedrigere Zinsen, moderate Lohnabschlüsse und konstante Investitionen des Staates könnten nach Einschätzung der führenden deutschen Wirtschaftsinstitute Wachstum und Beschäftigung sichern. Moderate Lohnerhöhungen ermöglichten der Europäischen Zentralbank (EZB) Zinssenkungen, schreiben die Wissenschaftler in ihrem am Dienstag veröffentlichten Gutachten. Noch im Frühjahr sei eine Zinssenkung um 0,5 Prozentpunkte gerechtfertigt. Die für 2001 von 2,7 auf 2,1 Prozent korrigierte Wachstumsprognose sollte die Bundesregierung nicht zu Aktionismus verleiten. Ein höheres Haushaltsdefizit durch geringere Steuereinnahmen sei hinzunehmen. Finanzminister Hans Eichel (SPD) erklärte, Deutschland werde sich international für ein koordiniertes Vorgehen gegen die globale Wachstumsschwäche einsetzen.  

"Die jüngste Diskussion über Nachschlagsforderungen und die Ankündigung einer harten Lohnrunde 2002 sind für Konjunktur und Beschäftigung kontraproduktiv", schrieben die Wissenschaftler. "Jetzt geht es darum, die tarifpolitischen Weichen für das Jahr 2002 und darüber hinaus zu stellen". Die Gutachter schlugen vor, Lohnabschlüsse nicht wie üblich für das laufende Jahr, sondern jeweils für das kommende Jahr abzuschließen. "Dies würde der Geldpolitik frühzeitig signalisieren, wie der Kurs der Lohnpolitik auf mittlere Sicht einzuschätzen ist, und die Planungssicherheit der Unternehmen nähme zu." Der Chefvolkswirt des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Gustav-Adolf Horn, sprach sich indessen gegen eine Nullrunde bei den Löhnen aus. Eine Nachschlagsdiskussion sei aber ebenso verfehlt. Richtig wären längerfristige moderate Abschlüsse wie im vergangenen Jahr.  

Der Bundesregierung empfehlen die Institute, ihre Haushaltspolitik auf einen mittelfristigen Ausgabenpfad auszurichten und weniger auf das Erreichen jährlicher Defizitziele zu drängen. "Ein höheres Staatsdefizit sollte kein Anlass für Nachtragshaushalte oder Haushaltssperren sein", sagte Horn. Anstatt sich ausschließlich an Defizitquoten zu orientieren, solle die Bundesregierung eine konstante Ausgabenpolitik einschlagen. Erhöhte Abgaben oder gekürzte Ausgaben schwächten die Konjunktur zusätzlich. "Bislang ist die Finanzpolitik zu einseitig am Abbau des Budgetdefizits ausgerichtet", kritisieren die Wissenschaftler. In Deutschland sollte der Investitionsanteil am Staatshaushalt deutlich ausgebaut werden. "Verrottete Schulen sind beispielsweise kein Wachstumsbeitrag", sagte Horn.  

Wachstumsraten von drei Prozent wie im vergangenen Jahr könnten bis 2002 nicht mehr erreicht werden, heißt es in dem Gutachten, das für 2001 ein Wachstum von 2,1 Prozent und 2002 von 2,2 Prozent erwartet. Trotz dieser Wachstumsschwäche wird das Ziel von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), die Zahl der Arbeitslosen bis zum Wahljahr 2002 auf im Durchschnitt unter 3,5 Millionen zu senken, für erreichbar gehalten: 2002 werde es 3,470 Millionen Arbeitslosen geben, 2001 knapp 3,7 Millionen.  

Bundesfinanzminister Eichel wertete das Gutachten als Bestätigung der Politik der rot-grünen Bundesregierung. Für Pessimismus bestehe kein Anlass. Anfang Mai werde die Regierung Wachstumsprognose von jetzt noch rund 2- 3/4 Prozent revidieren. Seine Ankündigung, sich für ein international koordiniertes Vorgehen einzusetzen, führte Eichel nicht näher aus. Ende April tagen die sieben führenden Industrienationen (G7) und der Internationale Währungsfonds (IWF) in Washington.  

Für die Euro-Zone erwarten die Institute ein Wachstum von 2,6 (revidiert von 2,8) Prozent in diesem und nochmals 2,6 Prozent im kommenden Jahr. Bundesbank-Präsident Ernst Welteke schrieb im Vorwort des am Dienstag veröffentlichten Geschäftsberichts der Notenbank, für den Euro-Raum sei derzeit nicht mit einer nachhaltigen und ausgeprägten konjunkturellen Abschwächung zu rechnen. Primäre Aufgabe der Geldpolitik bleibe es, die Inflationsrisiken gering zu halten. Auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) senkte ihre Prognose für die Euro-Zone auf 2,7 von 3,1 Prozent für 2001. Eine Inflationrate von rund zwei Prozent sei kein Problem, sagte der für den Konjunkturbericht verantwortliche OECD-Volkswirt Vincent Koen der Nachrichtenagentur Reuters. Die Länder der Europäischen Währungsunion seien nicht immun gegen die Abkühlung der Konjunktur in den USA und in Japan, hieß es in dem Konjunkturbericht. Die Konjunkturaussichten für die Euro- Zone seien jedoch besser als in den USA. "Nur wenn sich das internationale Umfeld verschlechtert, ist eine Leitzinssenkung um mehr als 25 Basispunke nötig", sagte Koen.  

Die Wirtschaftsforschungsinstitute präsentieren ihre Prognosen jeweils im Frühjahr und im Herbst. Beteiligt sind das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), das Hamburgische Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA), das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IFW) sowie das Institut für Wirtschaftsforschung (IFO) in München.

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