Mails/Nachrichten vom 13.06.2002, Bernecker & Cie.
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Guten Morgen, meine Damen und Herren,
meine gestrige Beurteilung hat sich kaum geändert. Ihr strategischer Ansatz bleibt: Worst Case im Markt wäre Best Case für Sie. Das signalisierte die Markttechnik gestern erneut:
Erstmals stiegen die Umsätze deutlicher auf jeweils 1,7 Mrd Stück an Nyse und Nasdaq und die Relation von new highs zu new lows ging saftig ins Minus auf 63 : 134 bzw. 46 : 232. Das wäre der Ansatz zu dem gestern beschriebenen Shake Out. Denn eine Börse, die sich auf der schiefen Ebene befindet, setzt den Schlußpunkt mit einem Ausverkauf. Das wäre der Worst Case im Markt.
Das Ganze widerspricht der Logik, ist aber eine Realität. Deren Einmaligkeit sehen Sie in der morgigen AB auf der S. 1. Es war absolut schlüssig, als ich Ihnen vor zwei oder drei Wochen mit dem markttechnischen Signal eine Frühjahrsrally ansagte. Daß dieses markttechnische Signal in den letzten zehn Tagen noch einmal konterkariert wurde, ist ein absolut seltener Fall. Vergleichen kann ich das nur mit der Situation 1998 in der Schwellenländerkrise, wofür es keinen substantiellen Vergleich gibt. Mag sein, daß die Terrorängste eine Rolle spielen, aber schlüssig sind sie nicht. Schließ-lich:
Das gestern vorgelegte Beigebook der Amerikaner widerspricht dem nicht. Es zeich-net den Trend, der von Anfang an gültig war. Wer auf einen Boom setzt, liegt falsch. Wer auf eine zyklische Erholung setzt, liegt richtig. Eine ganze Generation von Bör-sianern muß sich daran gewöhnen, die ihre Kenntnisse aus den 90er-Jahren bezie-hen. Diese sind samt und sonders falsch. Was tue ich?
Ich schaue jetzt auf Greenspan. Mit großer Sicherheit gehe ich davon aus, daß die FED in dem Moment handeln wird, wenn es markttechnisch bedrohlich wird. So weit ist es noch nicht. Die FED wird qualitativ oder quantitativ sofort handeln, wenn es in den Shake Out geht. Aber auf keinen Fall vorher. Das war in allen bekannten Fällen genau so und auch richtig. Die fundamentale Begründung lieferte Greenspan schon 1999, wie Sie sich erinnern, bevor er die weiche Landung der amerikanischen Kon-junktur mit der Zinspolitik begonnen hat.
Genauer besehen: Der Nasdaq Tracking Stock hält sich noch immer in der Waage. Gestern 27,90 $. Abgesägt wurde SIEBEL SYSTEMS, was längst fällig war. Alle an-deren sind noch nicht auf dem Tiefstpunkt angelangt und für SIEBEL reicht das Risi-ko bis 12 oder sogar 10 $. Werfen Sie bei dieser Gelegenheit einen Blick auf SAP und lesen Sie dazu die nächste AB.
Es geht auch anders: PROCTER & GAMBLE erhöht seine Prognose für den Ge-schäftsverlauf. Daraufhin neuer Höchstkurs mit 93 $ und damit ist mein Kursziel von 99 bis knapp 100 $ schon greifbar nahe. MOTOROLA liegt im Plan. Deshalb ge-stern bis 15,66 $, und ich hatte diese Aktie kürzlich zum Kauf empfohlen. Dabei bleibt es. Neuer Höchstkurs für GENERAL DYNAMICS. Auch dies ist ein Dauerbrenner von mir, genau so wie BOEING mit neuer Kaufempfehlung und LOCKHEED mit neu-em Topkurs von 65,83 $ gestern. Der einzige unter den Großen, der sich noch schwer tut, ist EASTMAN KODAK bei 30,50 $. Umgekehrt:
Neues Jahrestief von IBM ist ein schlechtes Zeichen. Die Begründung habe ich mehrfach im Zusammenhang mit GE und MICROSOFT an dieser Stelle diskutiert.
Die Ölspekulation hat die Konsolidierung weitgehend beendet. Ich plane neue Käufe in den nächsten Tagen. Besonders interessant ist diesbezüglich AMERADA HESS, die 10 $ von der Spitze verloren haben, nach zuvor über 50 % Kursgewinn. Neue Kaufbasis 76/77 $. Bei den Öl-Servicetiteln warte ich dagegen noch ab.
Fazit für Sie: In den Qualitätstiteln liegen Sie weiterhin richtig und müssen sich weder um Dow Jones noch Nasdaq kümmern. Dabei bleibt es vorerst.
Frankfurt zeigt eine Konstellation im DAX wie oben schon angedeutet. Hier droht ein Shake Out ebenso, so daß höchste Liquiditätspräferenz besteht. Ich möchte es fast beschwörend sagen. Was Sie wie tun, weiß ich nicht, aber: Beim Ausverkauf müssen Sie über Liquidität verfügen. Seien Sie darin ganz konsequent.
Der Fall MOBILCOM wird zur Schlüsselfunktion. Kommt es hier zum Crash des Un-ternehmens, so liegt darin eine Wende für den ganzen Telekommarkt. Ergänzend zum gestrigen Ticker: Eine Kette ist so stark wie das schwächste Glied aushält. MO-BILCOM ist ein Grenzanbieter im Telekommarkt, also das schwächste Glied. Kippt MOBILCOM in die Insolvenz, ist dieser „Störenfried“ beseitigt. Damit der Preiskampf unter den Verbliebenen ganz anders zu sehen. Welche weiteren Gedanken die Franzosen haben, skizziere ich in der nächsten AB. Auf den Punkt gebracht: Fällt MOBILCOM um, ist die Baisse für die Telekomtitel zu Ende. Wer dann noch in Tele-kom short geht, lebt gefährlich. Solche Endpunkte sind stets spektakulär, aber für die Marktteilnehmer eine Erlösung. Hängen Sie daran keine nationalen Animositäten. Das vertragen globale Märkte nicht. Zweiter Punkt:
Achten Sie auf PRO7/SAT1. Hier gilt das gleiche: Mit der letzten Insolvenz in der Kirch-Gruppe ist der deutsche Sender PRO7/SAT1 als Senderfamilie das interes-santeste Stück und sogar noch interessanter als der berühmt/berüchtigte Filmstock von Leo Kirch, der nämlich zu 77 % aus B- und C-Filmen besteht sowie nur 8 % A-Filmen, und den Rest teilen sich die verschiedenen Serien. Ich bin gespannt auf das Gebot für PRO7/SAT1. Natürlich ist das eine Wette, weil pausenlos verhandelt wird. Aber schauen Sie auf die täglichen Börsenumsätze von über 500.000 Stück pro Tag.
In Gold schon rein? Ich habe lediglich technische Bedenken. Die Korrektur fiel mir etwas zu gering aus. Ein Unzenpreis um 310 oder 305 $ erscheint mir wahrscheinli-cher. Dann würde ich die bekannten Goldminen kaufen. Am wichtigsten sind ANGLOGOLD und GOLDFIELDS, gefolgt von NEWMONT MINING oder BARRICK bis ASA. Die spekulativste Variante hatte ich in ASHANTI beschrieben. Bitte nachle-sen.
Der Dollar zeigt eine erstaunliche Parallele zum Dow. Beide begannen Ihre Schwä-che Anfang März und laufen fast auf den Punkt in die gleiche Richtung. Das erlaubt einen Umkehrschluß: Der Dollar hat die bekannten Hürden bei 95 Cents, anschlie-ßend bei 96 Cents, aber das Momentum zeigt keinen Ansatz für einen noch höheren Preis für den Euro, obwohl die Traummarkte 1:1 nicht auszuschließen ist. In dieser Markttechnik des Dollars liegt eine Art Spiegelbild für den Dow und führt zum glei-chen Ergebnis wie oben. Beide werden deftig und kräftig drehen, aber ohne einen spekulativen Tag geht es nicht ab. Dann ist die FED dran.
Ein Wort zu Tokio: Im Moment kein Handlungsbedarf, aber gut verlaufende Konsoli-dierung. Dazu bitte S. 8 der nächsten AB lesen.
Die Leitlinie für heute: Abwarten und zuschauen, Liquidität beschaffen und sei es, daß Sie Ihre Oma oder Ihre Freundin oder wen auch immer hinzuziehen. An einem Crashtag müssen Sie handlungsfähig sein. Ich werde nicht zögern, auch intraday diesen Ticker zu ergänzen. Bis dahin
herzlichst Ihr
Hans A. Bernecker
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