Anleger bevorzugen im Moment statt defensiver Titel immer mehr zyklische Werte. Sie fürchten, mit defensiven Portfolios ins Abseits zu geraten
Profis gehen nach dem Baukastenprinzip vor
Anlageprofis scheinen schnell zu vergessen. Nach der jüngsten Rallye ist die Stimmung bei Strategen und Fondsmanagern wieder deutlich gestiegen. Und dies zeigt sich auch in den Investitionsentscheidungen. Hier ist das Pendel umgeschlagen – statt defensiver Titel setzen immer mehr Anleger auf zyklische Werte. Neue Favoriten sind damit Aktien, die von einem Konjunkturaufschwung direkt profitieren. Da stört es auch wenig, dass von der Konjunkturseite sich die Horrormeldungen summieren. So musste gestern der Index des Verbrauchervertrauens der Universität Michigan nach unten revidiert werden, bereits am Donnerstag sorgten die Septemberdaten über die Verkäufe langlebiger Güter für lange Gesichter.
„Der Höhepunkt der wirtschaftlichen Belastung ist nahe. In einer solchen Situation müssen sich die Anleger mit Zyklikern für den kommenden Aufschwung wappnen“, sagt Thomas Tilse, Stratege bei Commerz Asset Managers. Tilse ist nicht der Einzige, der in den kommenden Wochen sein Depot wieder „schärfer“ stellen will. Die meisten Fondsmanager sind nach dem scharfen Kurseinbruch der vergangenen 18 Monate noch immer sehr defensiv positioniert. Unterteilt man die Titel von null Sterne (defensiv) bis fünf Sterne (extrem konjunkturabhängig), überwiegen in den meisten Portfolios Aktien mit null bis drei Sternen – das heißt, dass zyklische Titel noch klar untergewichtet sind. „Ich glaube zwar nicht, dass der Konjunkturaufschwung gleich morgen kommt, aber ich gestalte meine Portfolios jetzt wieder ausgeglichener“, sagt Klaus Lüpertz, Chefstratege Private Banking bei HSBC Trinkaus Capital Management. Er will in den kommenden Wochen sukzessive zyklische Titel wie SAP, BASF oder Infineon zukaufen. „Ich würde nach der Rallye vielleicht noch mal auf günstigere Kurse warten, doch schwache Tage sind Kauftage“, so Lüpertz.
Doch die Rechnung könnte nicht aufgehen. „Alle warten auf einen größeren Rücksetzer, damit sie noch einmal niedrigere Kurse zum Einstieg bekommen. Meistens geht die Rallye dann weiter“, sagt Jörg Kloy, Leiter Aktienmanagement bei SEB Invest. Der Dax könnte vor einem Rückschlag noch über die 5000-Punkte-Marke klettern. „Vielleicht geht es dann von 5200 auf 4800 Punkte zurück. Dann kann ich auch heute investieren“, so Kloy. Er hat bereits in den vergangenen Wochen defensive Werte aus den Branchen Versorger und Pharma verkauft und sein Depot zyklisch ausgerichtet. Weiter zukaufen will er mit Siemens, SAP, Daimler-Chrysler, Lufthansa und Preussag Werte, die mindestens vier Konjunktursterne haben.
Doch es gibt bereits erste mahnende Stimmen, die den Optimismus der Marktteilnehmer für übertrieben halten. „Die Zykliker-Rallye ist kurzfristig zu weit gelaufen“, sagt Matthias Jörss, Stratege bei Sal. Oppenheim. Insbesondere die niedrigen Renditen am Anleihemarkt zeigten, dass Bondanleger noch nicht mit einem raschen Wirtschaftsaufschwung rechnen. Bereits im Jahr 2000 hätte der Rentenmarkt zuverlässigere Konjunktursignale als der Aktienmarkt ausgesendet. „Jeder Rentenfondsmanager beschäftigt sich seit Jahren mit Konjunkturanalyse. Insbesondere Technologieaktienanleger haben sich bisher wenig um gesamtwirtschaftliche Belange gekümmert.“ Jörss rät daher so lange mit einem Einstieg bei Zyklikern abzuwarten, bis ansteigende langfristige Renditen einen Aufschwung andeuteten.
Tatsächlich scheint der Rentenmarkt ein verlässlicherer Indikator. Strategen und Fondsmanager haben in diesem Jahr schon häufiger die Renaissance der Zykliker ausgerufen und wurden nach wenigen Wochen stets eines Besseren belehrt. „Auch jetzt wollen die Anleger wieder zur Normalität zurückkehren“, sagt Chris Johns von ABN Amro. Anleger verstünden darunter jedoch in den kommenden beiden Jahren einen Anstieg der Unternehmensgewinne von rund 15 Prozent. „Eine solche Normalität ist abnormal“, sagt Johns und empfiehlt Anlegern weiter das Übergewichten defensiver Werte. Wassili Papas, Fondsmanager bei Union Investment, bringt die Stimmen der Skeptiker auf den Punkt: „Bei den meisten Anlegern sind noch die Zeiten enormer Kursgewinne präsent. Da scheint man schnell den Bärenmarkt zu vergessen.“