Westerwelle steht in Israel unter Anklage
Die israelische Armee hat das Westjordanland in acht Gebiete getrennt und voneinander isoliert: Hebron, Bethlehem, Ramallah, Jericho, Nablus, Dschenin, Tulkarem und Kalkilija. Wer sein Wohngebiet verlassen will, braucht dazu eine spezielle Genehmigung des israelischen Inlandgeheimdienstes. Dieser Paß ist zwischen fünf und 19 Uhr gültig und muß jeden Monat erneuert werden.
Damit sitzen die Palästinenser in acht Gefängnisgroßanlagen fest. Es läßt sich wohl nicht ernsthaft bestreiten, daß das von Israel über die Autonomiegebiete verhängte Regime in seinem Wesen dem früheren Apartheid-System in Südafrika entspricht. Die Bewegungsfreiheit der Schwarzen in ihren Homelands und von dort zu den Townships war freilich nie in einem solchen Ausmaß eingeschränkt wie das Recht der Palästinenser auf freie Bewegung in ihrem angestammten Land. Daß die südafrikanische Apartheid rassistisch war, galt als »common sense«. Der gleiche common sense untersagt auch nur den Vergleich Israels mit einem rassistischen Regime. Warum eigentlich? Ist Rassismus weniger rassistisch, wenn er im Land der Holocaust-Überlebenden praktiziert wird? Kann nicht sein, was nach den Vorschriften der politischen Korrektheit nicht sein darf?
FDP-Chef Guido Westerwelle war ohnedies nicht nach Israel gereist, um die Scharon-Politik einer substantiellen Kritik zu unterziehen. Es wird ihm nicht einmal gestattet sein, »warnende Worte« eines »guten Freundes« anzubringen. Denn nicht Scharon hat sich zu rechtfertigen, sondern Westerwelle. Er wird sich für die Äußerungen des aus Syrien stammenden Fast-FDP-Landtagsabgeordneten Jamal Karsli zu rechtfertigen haben, der die israelische Kriegsführung mit »Nazi-Methoden« verglich, und für die Kritik, die FDP-Vize Jürgen Möllemann an der Kritik des jüdischen CDU-Politikers Michel Friedman übte. Seinen Standpunkt, daß es sich hier um deutsche Innenpolitik handle, wird Westerwelle wohl nicht durchstehen können.
Möllemann ist ein Rechtspopulist, der es wie Jörg Haider versteht, die neoliberale Verdrängungsgesellschaft mit den Komplexen des kleinen Mannes zu versöhnen. Möllemann ist auch ein dezidiert proarabischer Politiker. Doch muß er deshalb noch lange kein Antisemit sein. Sein an Friedman gerichteter Vorwurf der »unerträglichen elitären Arroganz« kann doch nur unter der Annahme einer »unerträglichen jüdisch-elitären Arroganz« als antisemitisch bewertet werden. Der von deutschem Feuilleton und zionistischem Establishment unisono erhobene Antisemitismus-Vorwurf trägt den Antisemitismus in sich. Möllemann sagte nicht »die Juden« - seine Kritiker denken in dieser antisemitischen Kategorie. Und Israel nutzt den verlogenen Anti-Antisemitismus als Legitimationsideologie seiner rassistischen Politik.