Was von der New Economy bleibt
Euphorie, Enttäuschung, Ernüchterung
Der Jubel über die Internet-Wirtschaft war übertrieben – der Abgesang ist es auch
Von Nina Bovensiepen
Eine phantastische Zeit war das damals, ein Schwelgen in Superlativen. Wer am Wirtschaftsleben teilnahm und im besten Fall das Glück hatte, in einer Dot-Com-Firma zu arbeiten, konnte sich jeden Tag mit einem euphorischen Gefühl vor den Bildschirm setzen. Der Blick in die Zeitung, das Frühstücksfernsehen und die Live-Schaltungen zur Börse offenbarten, in welch revolutionärer Zeit es sich leben ließ. Unter dem Schlagwort New Economy war von der größten Umwälzung seit der industriellen Revolution die Rede, von einem neuen Wirtschaftszeitalter mit nachhaltigem Wachstum, hoher Beschäftigung und niedriger Inflation. Und heute?
Aus und vorbei, so scheint es. Täglich ist von neuen Pleiten, Gewinnwarnungen und Entlassungswellen einstiger Hoffnungsträger der Internet- Wirtschaft zu lesen. Der Neue Markt, das deutsche Börsensegment für Wachstumswerte, kennt nur noch den Weg nach unten. Das Geschäft mit Börsengängen ist zum Erliegen gekommen. Kaum hat man in Deutschland begriffen, was die New Economy ist, da platzt schon die Internet-Blase. Könnte man meinen.
Denn genauso wie die Euphorie während des Booms übertrieben war, so ist es nun der Abgesang auf die Neue Wirtschaft. Richtig ist, dass das Internet und verwandte Techniken ökonomische Gesetze von Produktivität und Wachstum nicht auf Dauer außer Kraft setzen. Die neuen Technologien durchdringen aber schon nach kurzer Zeit fast alle Bereiche des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens und bringen enorme Vorteile – für Unternehmen wie Konsumenten.
Nicht mehr wegzudenken ist das Internet etwa aus den Wertschöpfungsprozessen von Großunternehmen. Konzerne wie Siemens oder DaimlerChrysler managen ihren Einkauf, den Vertrieb und die Kundenbeziehungen inzwischen zu einem großen Teil über das Netz und realisieren damit beträchtliche Einsparungen. Dass es gerade die Unternehmen der so genannten Old Economy sind, die von den Segnungen der neuen Technologien profitieren, widerlegt einen der Mythen, die viele für die Gesetzmäßigkeiten der Neuen Wirtschaft hielten: Der Erste im Netz muss eben nicht der Erfolgreichste sein. Während manche reine Internet-Firma in der ersten Zeit viel Lehrgeld bezahlt hat und deshalb heute vor dem Aus steht, haben andere sich Zeit gelassen und die Fehler der First Mover vermieden. Microsoft etwa konnte seinen späten Start im Internet dank einer gut gefüllten Firmenkasse und seiner Marktmacht locker aufholen – und verwies die Konkurrenz Netscape auf die Plätze.
Schnellere Zyklen
Und noch eine These überlebt sich allmählich: Im Netz sei für die Verbraucher alles umsonst. Tatsächlich konnten viele der jungen Firmen anfangs nur eine kritische Masse von Nutzern gewinnen, indem sie Informationsdienste oder Anwendungen kostenlos bereit stellten. Die Strategie aber, damit ein attraktives Umfeld für Werbung zu schaffen, um mit den Einnahmen wiederum den eigenen Dienst zu finanzieren, ging häufig nicht auf. Jetzt mehren sich die Ankündigungen von Online-Diensten, Verlagen oder Musikanbietern, für ihr Angebot kassieren zu wollen. Auch im Internet gilt eben das alte ökonomische Gesetz, dass ein Gut Geld kosten muss, damit es langfristig am Markt angeboten werden kann.
Die Beliebtheit von Erotik-Seiten zeigt, dass die Nutzer durchaus bereit sind, für Inhalte zu bezahlen. Obwohl auf diesem Feld kräftig abkassiert wird, steigen die Besucherzahlen weiter – weshalb angeblich sogar der größte europäische Internet-Anbieter T-Online darüber nachdenkt, in das Geschäft einzusteigen. Auch wenn es sich hier um ein sehr spezielles Genre handelt: Es ist wahrscheinlich, dass mit der Attraktivität und Anwenderfreundlichkeit der Angebote auch die Bereitschaft steigt, dafür zu zahlen. Wer ein spezielles Musik-Stück von Superstar Madonna haben will, wird eher fünf DM an Napster bezahlen als 30 DM für die ganze CD. Wer den kürzesten Weg von München nach Innsbruck wissen möchte, holt sich diese Information vielleicht lieber für zwei DM aus dem Netz, statt im Straßenatlas zu suchen.
Dass gerade zurzeit wieder heiß über diese so genannten Business-to- Consumer-Angebote (B2C) – den Online-Verkauf an Privatkunden – diskutiert wird, weist auf ein spezielles Phänomen der Neuen Wirtschaft hin: Die Zyklen von Euphorie, Enttäuschung und Ernüchterung drehen sich schneller als früher. So war B2C letztes Jahr erst der große Renner, einige Monate später war die große Business-to-Business-Welle (B2B) da und prompt galt B2C als aussichtsloses Geschäft. Nun kehrt es zurück.
Grund für die Beschleunigung ist die schnelle und weltweite Verbreitung der neuen Technologien selbst. E-Mails oder den Einkauf im Internet gibt es noch nicht lange. Dass sie inzwischen zu einem selbstverständlichen Teil des Alltags geworden sind, lässt häufig vergessen, wie fundamental die neuen Technologien das Leben verändert haben.
Euphorie, Enttäuschung, Ernüchterung
Der Jubel über die Internet-Wirtschaft war übertrieben – der Abgesang ist es auch
Von Nina Bovensiepen
Eine phantastische Zeit war das damals, ein Schwelgen in Superlativen. Wer am Wirtschaftsleben teilnahm und im besten Fall das Glück hatte, in einer Dot-Com-Firma zu arbeiten, konnte sich jeden Tag mit einem euphorischen Gefühl vor den Bildschirm setzen. Der Blick in die Zeitung, das Frühstücksfernsehen und die Live-Schaltungen zur Börse offenbarten, in welch revolutionärer Zeit es sich leben ließ. Unter dem Schlagwort New Economy war von der größten Umwälzung seit der industriellen Revolution die Rede, von einem neuen Wirtschaftszeitalter mit nachhaltigem Wachstum, hoher Beschäftigung und niedriger Inflation. Und heute?
Aus und vorbei, so scheint es. Täglich ist von neuen Pleiten, Gewinnwarnungen und Entlassungswellen einstiger Hoffnungsträger der Internet- Wirtschaft zu lesen. Der Neue Markt, das deutsche Börsensegment für Wachstumswerte, kennt nur noch den Weg nach unten. Das Geschäft mit Börsengängen ist zum Erliegen gekommen. Kaum hat man in Deutschland begriffen, was die New Economy ist, da platzt schon die Internet-Blase. Könnte man meinen.
Denn genauso wie die Euphorie während des Booms übertrieben war, so ist es nun der Abgesang auf die Neue Wirtschaft. Richtig ist, dass das Internet und verwandte Techniken ökonomische Gesetze von Produktivität und Wachstum nicht auf Dauer außer Kraft setzen. Die neuen Technologien durchdringen aber schon nach kurzer Zeit fast alle Bereiche des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens und bringen enorme Vorteile – für Unternehmen wie Konsumenten.
Nicht mehr wegzudenken ist das Internet etwa aus den Wertschöpfungsprozessen von Großunternehmen. Konzerne wie Siemens oder DaimlerChrysler managen ihren Einkauf, den Vertrieb und die Kundenbeziehungen inzwischen zu einem großen Teil über das Netz und realisieren damit beträchtliche Einsparungen. Dass es gerade die Unternehmen der so genannten Old Economy sind, die von den Segnungen der neuen Technologien profitieren, widerlegt einen der Mythen, die viele für die Gesetzmäßigkeiten der Neuen Wirtschaft hielten: Der Erste im Netz muss eben nicht der Erfolgreichste sein. Während manche reine Internet-Firma in der ersten Zeit viel Lehrgeld bezahlt hat und deshalb heute vor dem Aus steht, haben andere sich Zeit gelassen und die Fehler der First Mover vermieden. Microsoft etwa konnte seinen späten Start im Internet dank einer gut gefüllten Firmenkasse und seiner Marktmacht locker aufholen – und verwies die Konkurrenz Netscape auf die Plätze.
Schnellere Zyklen
Und noch eine These überlebt sich allmählich: Im Netz sei für die Verbraucher alles umsonst. Tatsächlich konnten viele der jungen Firmen anfangs nur eine kritische Masse von Nutzern gewinnen, indem sie Informationsdienste oder Anwendungen kostenlos bereit stellten. Die Strategie aber, damit ein attraktives Umfeld für Werbung zu schaffen, um mit den Einnahmen wiederum den eigenen Dienst zu finanzieren, ging häufig nicht auf. Jetzt mehren sich die Ankündigungen von Online-Diensten, Verlagen oder Musikanbietern, für ihr Angebot kassieren zu wollen. Auch im Internet gilt eben das alte ökonomische Gesetz, dass ein Gut Geld kosten muss, damit es langfristig am Markt angeboten werden kann.
Die Beliebtheit von Erotik-Seiten zeigt, dass die Nutzer durchaus bereit sind, für Inhalte zu bezahlen. Obwohl auf diesem Feld kräftig abkassiert wird, steigen die Besucherzahlen weiter – weshalb angeblich sogar der größte europäische Internet-Anbieter T-Online darüber nachdenkt, in das Geschäft einzusteigen. Auch wenn es sich hier um ein sehr spezielles Genre handelt: Es ist wahrscheinlich, dass mit der Attraktivität und Anwenderfreundlichkeit der Angebote auch die Bereitschaft steigt, dafür zu zahlen. Wer ein spezielles Musik-Stück von Superstar Madonna haben will, wird eher fünf DM an Napster bezahlen als 30 DM für die ganze CD. Wer den kürzesten Weg von München nach Innsbruck wissen möchte, holt sich diese Information vielleicht lieber für zwei DM aus dem Netz, statt im Straßenatlas zu suchen.
Dass gerade zurzeit wieder heiß über diese so genannten Business-to- Consumer-Angebote (B2C) – den Online-Verkauf an Privatkunden – diskutiert wird, weist auf ein spezielles Phänomen der Neuen Wirtschaft hin: Die Zyklen von Euphorie, Enttäuschung und Ernüchterung drehen sich schneller als früher. So war B2C letztes Jahr erst der große Renner, einige Monate später war die große Business-to-Business-Welle (B2B) da und prompt galt B2C als aussichtsloses Geschäft. Nun kehrt es zurück.
Grund für die Beschleunigung ist die schnelle und weltweite Verbreitung der neuen Technologien selbst. E-Mails oder den Einkauf im Internet gibt es noch nicht lange. Dass sie inzwischen zu einem selbstverständlichen Teil des Alltags geworden sind, lässt häufig vergessen, wie fundamental die neuen Technologien das Leben verändert haben.