Wenn Unternehmen zu Grunde gehen, sind immer die anderen schuld. mm nennt die wahren Ursachen des Scheiterns und entlarvt die Versager in den Führungsetagen.
Warum die Geschäfte so miserabel laufen? Klaus Lederer schob es auf die Weltlage.
Kaum einer wolle investieren, erst der Anschlag auf das World Trade Center, dann der Enron-Skandal, versuchte der ehemalige Babcock-Chef seine enttäuschten Aktionäre zu trösten.
Dass er dabei war, den Oberhausener Anlagenbauer in die Pleite zu managen, diese Randnotiz verkniff sich der Herr Lederer.
Heinrich Binder, weiland Vorstandsvorsitzender des Baukonzerns Philipp Holzmann, rechtfertigte Verluste über 2,7 Milliarden Mark in erster Linie mit "Altlasten", die seine Vorgänger zu verantworten hätten.
Dass ein beachtlicher Teil der Miesen dann doch jüngeren Datums war, ließ der Herr Binder außer Acht.
Und auch Wolfgang Rupf, einst Chef der fast fallierten Bankgesellschaft Berlin, hatte sich wenig vorzuwerfen. Wie soll einer reüssieren mit solchem Personal? "Ich weiß nicht, was da los ist, ich kriege nicht mal einen Revisionsbericht", lamentierte er gegenüber seinen Aufsichtsräten.
Dass der Herr Rupf fleißig mitgestümpert hatte, erschien ihm natürlich nicht der Rede wert.
Wenn Unternehmen scheitern, dann zeigen ihre Topmanager fast immer die gleichen pawlowschen Reflexe: verdrängen, verbrämen, verschleiern.
Mal ist die Wirtschaftskrise in Argentinien schuld. Dann liegt es am Euro, der heute zu schwach und morgen zu stark ist. Ein unverschämter Tarifabschluss, verblendete Analysten, reformmüde Politiker. Und neuerdings als Argumentationshilfe bevorzugt bemüht: die Terrorattacken des 11. September.
Im Erfinden von Ausreden für das eigene Versagen sind Topmanager groß etwa so groß wie die Schuldenberge, die sie nach ihrem Wirken oft hinterlassen.
Es ist jedoch das Management, das in der Regel die Hauptverantwortung am Niedergang einer Firma trägt. Missratene Unternehmenskäufe, missglückte Diversifizierung, missbrauchtes Kapital: "In 90 Prozent aller Fälle", hat der Stuttgarter Insolvenzverwalter Volker Grub festgestellt, ist der "versagende Unternehmer" Ursache für die Pleite.
Das war so und ist diesmal erst recht so, da über Deutschland eine der größten Konkurswellen der Nachkriegszeit hinwegschwappt. Rund 35.000 Unternehmensinsolvenzen erwartet die Kreditversicherung Hermes in diesem Jahr. Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg glaubt gar, dass "die eigentliche Pleitewelle noch vor uns liegt": Viele Betriebe seien finanziell so ausgezehrt, dass sie im kommenden Aufschwung nicht mehr mitschwimmen könnten.
Bereits unter der Wasserlinie: ein Münchener Filmmogul namens Kirch, Brandenburgs Zeppelin-Hoffnung Cargolifter, der oberpfälzische Stahl- und Subventionsschmelzer Maxhütte. Brink- und Holzmann, Dittmeyer und Dornier; eine Lübecker Werft sank (Flender), ein Berliner Büroartikelhändler (Herlitz) gab auf.
Der Wiedervereinigungsrausch und die Internet-Begeisterung der 90er Jahre überdeckten die Strategiefehler und die Führungsschwächen in vielen Konzernen. Die Manager mussten keine Sanktionen fürchten; im Krisenfall halfen die Banken generös mit frischem Geld.
Inzwischen sind die Kredithäuser im globalen Wettbewerb selbst unter Druck geraten. Sie nutzen nun die Chance, ihr Kreditportfolio zu bereinigen. Immer öfter drehen sie kränkelnden Betrieben den Geldhahn zu.
Der Liquiditätsstopp ist meist der Auslöser für Zahlungsunfähigkeit und Insolvenz; die eigentliche Ursache ist er nicht - die liegt in der Führung der Unternehmen selbst.
Was haben die Topmanager falsch gemacht? Warum wurden Warnsignale nicht beachtet? Welche Lehren lassen sich aus der Misere ziehen?
manager magazin entlarvt die Verdränger auf den Chef-Fluren und nennt die Führungsfehler - sieben Sünden, die zum Tode führen können:
1. Größenwahn
Das Ende war symptomatisch für den Realitätsverlust des Helmut Becker. Während die 179 Angestellten, die das "interessanteste Autohaus der Welt" (Beckers Eigenwerbung) einst beschäftigte, sich am 30. April mit Altbier den Insolvenzfrust von der Seele tranken, träumte der Pleitier im fernen Marbella von einem neuen Luxusautohandel mit angeschlossener Beauty-Farm.
Glamour und Gloria waren Becker immer wichtiger als nackte Bilanzen und schnöde Verkaufszahlen, nachdem er 1992 das Düsseldorfer Autohaus (Ferrari, Bentley, Lamborghini) von seinem Vater übernommen hatte.
Der Schickeria-König inszenierte Ferrari-Corsos auf Sylt, war Präsident des Ferrari Owners Club, begründete die Initiativen "Mein Herz für Düsseldorf" und "Ich bin ein Berliner". Außerdem saß er der deutsch-italienischen Wirtschaftsvereinigung vor, war Chef eines eigenen Autorennstalls und kandidierte (erfolglos) für den Bundestag.
Bei so viel Aktionismus in eigener Sache blieb für das Tagesgeschäft keine Zeit. Von 1997 an rollte der Autohandel nur noch im Rückwärtsgang. Becker, einst Lieferant für Berühmtheiten wie Jil Sander, Günter Netzer und Udo Jürgens, verkaufte immer weniger Luxus-Pkw.
Jährlich fielen zuletzt zwischen 500.000 und einer Million Euro Verlust an. Im März musste der Lebemann für seine Dachfirma Auto Becker GmbH & Co. KG Insolvenz anmelden.
Seit Januar hat der Autohändler die Staatsanwaltschaft am Hinterrad. Sie ermittelt wegen Bilanzfälschung und Betrugs. Die Umsätze seiner Firma sollen genauso manipuliert worden sein wie Busen und Lippen seiner neuen Gespielin Tatjana Gsell, Noch-Ehefrau eines Nürnberger Schönheitschirurgen.
Angeben, abheben - abstürzen. Wer seine Firma für einen luxuriösen Lebensstil missbraucht, darf sich nicht wundern, wenn er eines Tages vor dem Nichts steht.
Für den Bonner Unternehmensberater Hermann Simon ist derlei Egomanie heute "einer der häufigsten Gründe" für Insolvenzen; der Kölner Soziologe Erwin Scheuch widmete diesem Phänomen gar ein Buch ("Deutsche Pleiten", Rowohlt, Berlin 2001).
Größenwahn testierten Staatsanwälte und Gutachter auch Manfred Schmider. Der ehemalige Gebrauchtwagenhändler und spätere Chef des Bohrerspezialisten Flowtex liebte das Leben in Saus wie in Braus. Die Feier zu seinem 50. Geburtstag mit Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ließ sich "Big Manni" rund eine halbe Million Euro kosten. Vor seiner mit Kunstwerken vollgestopften Villa im badischen Durlach parkten ein Ferrari Daytona, ein Rolls-Royce und ein Jaguar E-Typ. Der angesehene Mittelständler besaß eine 55-Meter-Yacht, Ferienanwesen in Südfrankreich und Florida sowie ein Zehn-Millionen-Dollar-Haus in Montevideo, samt Eisenbahnstrecke ums Grundstück und griechischem Tempel.
Dumm nur, dass Schmiders Schwelgerei aus den Gewinnen seiner Firma nicht zu finanzieren war. Also verfiel Manni auf den Kniff, Bohrmaschinen zu verkaufen, die überhaupt nicht existierten.
Im Frühjahr 2000 flog der größte Betrugsfall der deutschen Nachkriegsgeschichte auf. Schaden: rund 2,2 Milliarden Euro. Schmider wurde zu 12 Jahren Haft verurteilt, magerte um 50 Kilo ab und zeigte sich reumütig. Er bitte, ließ Manni mitteilen, "alle Beteiligten um Entschuldigung".
2. Riskante Finanzierung
Selbst Hand anlegen musste der ehemalige Babcock-Chef Klaus Lederer selten. Er hatte ja Fritz Kall.
Weil der Oberhausener Anlagenbauer chronisch unterfinanziert war, musste Lederers Geldgenie ständig Finanzlöcher stopfen, zunächst als Finanzvorstand, später als Berater. Mal bog Kall die Bilanz ein wenig zurecht, mal presste er die Werfttochter HDW aus, unablässig bettelte Lederers Intimus bei Banken um Kredite.
Babcock wandelte auf zu schmalem Grat. Die schwindende Finanzkraft des Konzerns passte nicht mehr zum Geschäftsmodell. Im Anlagenbau erfordern Großaufträge Millionen an Vorleistungen; bezahlt werden die Projekte oft erst Jahre später.
Als Lederer Mitte März die ertragsstarke HDW verkaufte und sich gleich mit (siehe "Einer ist fein raus") [€], war der Spuk vorbei. Ohne HDW stürzte die Eigenkapitalquote auf konkursreife 6,5 Prozent ab; Babcock konnte die Löhne nicht mehr zahlen. Der Gang zum Insolvenzrichter war - trotz massiver Intervention der Politik - Anfang Juli unausweichlich. Die Banken wollten kein neues Geld mehr nachschießen. Sie hatten das Vertrauen in Babcock verloren. Gegen Lederer ermittelt die Staatsanwaltschaft nun wegen Insolvenzverschleppung.
Die Pleitewelle sei ein typisch deutsches Phänomen, sagt der Kieler Betriebswirtschaftsprofessor Jürgen Hauschildt. Oft unterschätzten Unternehmensführer das Finanzvolumen, das ihre Geschäfte erforderten. In Branchen wie dem Anlagenbau oder Werften reiche das Eigenkapitalpolster oft nicht aus, "um selbst kurze Durststrecken zu überbrücken".
Die Lübecker Flender-Werft steuerte wegen eines einzigen Großauftrags in den Untergang. Weil sich das Ausliefern zweier so genannter Superfast-Fähren verzögerte, hatte das Unternehmen keine andere Wahl mehr, als Insolvenz zu beantragen.
Oft mangelt es den Firmen nicht nur an eigenem Geld, auch die Struktur der Fremdfinanzierung stimmt nicht: Wer von zu vielen und zu kleinen Kreditgebern abhängig ist, dem fehlt im Ernstfall eine starke Hausbank, die andere Institute mitzieht.
Bisweilen führt auch Schusseligkeit an den Rand des Ruins. Die Münchener Knürr AG, ein Hersteller von Elektronikgehäusen, ließ einen Wechsel platzen, als es für das Unternehmen vor drei Jahren um Leben oder Sterben ging. Prompt luden die Gläubigerbanken zur Krisensitzung.
Der Scheck, der beinahe das Aus bedeutet hätte, belief sich auf die Summe von - 500 Mark.
3. Antiquiertes Geschäftsmodell
Einmal erfolgreich, immer erfolgreich, dachte sich Rolf Deyhle. Die Musicals "Cats" und "Phantom der Oper" bescherten seiner Stella AG jahrelang ausverkaufte Häuser, volle Kassen und ein riesenhaftes Selbstgefühl. Sogar "die Oma von der Schwäbischen Alb" würde er ins Großstadttheater locken, protzte Deyhle auf dem Höhepunkt seines Ruhms; hundert Jahre könne er seine Singspiele noch aufführen, Mozarts "Zauberflöte" liefe schließlich schon doppelt so lange.
So unverwundbar wähnte sich Deyhle, dass er die Deutschen in immer kürzeren Abständen mit neuen Kompositionen beglückte und am Ende Flop an Flop reihte. Der Blick für veränderte Kundenwünsche war ihm abhanden gekommen: Oma blieb doch auf der Alb, seine Musical-Republik Deutschland endete im Fiasko.
Deyhle befindet sich in bester Gesellschaft. Viele Firmen nehmen Marktveränderungen nicht wahr, ignorieren Wettbewerber und halten auch dann noch an ihren überholten Geschäftsideen fest, wenn sich die Verluste häufen.
Sechs Jahre lang hofften die Manager der Rundfunkwerke Schneider vergeblich, dass ihr Stammgeschäft Unterhaltungselektronik endlich schwarze Zahlen hervorbringt. Der Ausbau der Erfolg versprechenden Lasersparte kam zu spät und war nur halbherzig angelegt. Ende Januar war zunächst Sendeschluss im bayerischen Türkheim.
Auch die Elektrohandelskette Brinkmann hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Die Hamburger blieben bei ihrem antiquierten Fachhandelskonzept mit teuren Verkaufsräumen in der Innenstadt; die preisaggressiven Wettbewerber von Media-Markt bauten unterdes munter ihre Billigläden auf die grüne Wiese.
Statt sich mit anspruchsvollen Sortimenten von der Konkurrenz abzugrenzen, versuchte die Familienfirma zudem, das Expansionstempo der finanzstarken Metro-Tochter mitzugehen. Der Kraftakt kostete Media-Markt (Slogan: "Ich bin doch nicht blöd") ein müdes Lächeln - den hanseatischen Traditionsbetrieb die Existenz.
4. Missratene Expansion
Wer als Manager neue Geschäftsfelder sucht, neue Märkte erobern, neue Produkte verkaufen will, überfordert allzu häufig seine Mitarbeiter, das technische Know-how seines Unternehmens - und letztlich sich selbst. Als Musterbeispiel für eine fehlgeschlagene Diversifizierung gilt der tiefe Fall der Firma Sachsenring.
Nach der Übernahme des alten Trabi-Werks in Zwickau entwickelte sich der von den Brüdern Ulf und Ernst-Wilhelm Rittinghaus gegründete Autozulieferer zunächst zum Shootingstar der Branche; Hersteller wie VW, Opel, DaimlerChrysler und BMW zählten zu den Stammkunden.
Mit den Millionen des Börsengangs 1997 wagten sich die Brüder auf fremdes Terrain - und scheiterten grandios. Die Übernahme des Bremer Spezialfahrzeugherstellers Trasco, der auch die Audi-Limousinen des Kanzlers panzerte, erwies sich als finanzielles Fiasko. Der Versuch, den Neusser Folienhersteller Jagenberg zu schlucken, schlug fehl. Der Dresdner Mikroelektronik-Anbieter ZMD wurde schon kurz nach dem Sachsenring-Einstieg wieder verkauft.
Der Rittinghaus-Clan hatte sich völlig verfahren. Im Mai schließlich musste das Unternehmen Insolvenz anmelden.
Während Sachsenring zu Grunde ging, weil die Führungscrew das profitable Kerngeschäft verließ, übernehmen sich andere bei dem Versuch, Konkurrenten aufzukaufen.
Die ganze Telekom-Branche war von einem kollektivem Kaufrausch befallen. Ron Sommer von der Deutschen Telekom hat in den vergangenen Jahren einen zweistelligen Milliarden-Euro-Betrag für Zukäufe in den USA (Voicestream), Großbritannien (One2One) und für die UMTS-Lizenz ausgegeben. Resultat: Schulden von fast 70 Milliarden Euro.
Getrieben von der Gier nach immer höheren Marktanteilen, haben die Telekom-Chefs jedes Augenmaß verloren. Sie haben sowohl ihre finanziellen Möglichkeiten als auch ihre Integrationsfähigkeiten überschätzt.
Jüngstes Beispiel: Bernie Ebbers. Der Worldcom-Gründer kaufte in den vergangenen Jahren rund 70 Unternehmen. Überkapazitäten und Preisverfall ließen die Worldcom-Schulden auf 29 Milliarden Dollar anwachsen bei 35 Milliarden Umsatz. Um das Desaster zu vertuschen fälschte Worldcom die Bilanzen. Ende Juni musste der zum Penny-Stock mutierte einstige Börsenliebling Fehlbuchungen von rund vier Milliarden Dollar zugeben.
Kaufwahn und gescheiterte Diversifizierung sind jedoch nicht die einzigen Gründe, warum die Wachstumspläne der Manager misslingen.
Besonders kleineren Unternehmen fehlt oft das technische Knowhow und die Entwicklungskapazität, um ihre Produkte schnell genug auf den Markt zu bringen.
So im Fall des brandenburgischen Luftschiffbauers Cargolifter.
Unternehmensgründer Carl von Gablenz unterschätzte die Tücken der Technik. Der Bau eines gigantischen Frachtzeppelins, der Lasten bis 160 Tonnen befördern sollte, überforderte das Unternehmen. Die Serienreife rückte in weite Ferne, die Zahlungsunfähigkeit immer näher. Weitere rund 400 Millionen Euro hätten investiert werden müssen - der deutsche Luftschifftraum zerplatzte.
Jetzt regiert der vorläufige Insolvenzverwalter Rolf-Dieter Mönning bei Cargolifter; er lässt erst einmal die technische Machbarkeit und die Vermarktungschancen prüfen.
Vielleicht reicht es ja noch zur kleinen Lösung: Einen Frachtballon gäbe es schon für 70 Millionen Euro.
5. Verlotterte Sitten
Er ging oft schon um sieben Uhr ins Büro und schaute regelmäßig auf den Baustellen nach dem Rechten. Lothar Mayer war kein Konzernführer, nein, er war "der Oberpolier" der Philipp Holzmann AG, wie ein Wegbegleiter formuliert. Techniker Mayer, der sich gern als "Mister Holzmann" feiern ließ, verkörperte die Unternehmenskultur, die bei Deutschlands traditionsreicher Baufirma vorherrschte. Motto: Wir bauen groß, wir bauen gut, wir bauen möglichst viel mit eigenen Leuten. Rentabilität? Nebensache.
Wasserwaage statt Abakus: Dieses Selbstverständnis führte Holzmann geradewegs ins Verderben. Die Niederlassungsleiter regierten wie Fürsten und stürzten sich in jedes noch so waghalsige Bauvorhaben; sie waren schließlich am Umsatz beteiligt.
Dem schwierigen Geschäft mit Immobilienprojekten zeigten sich die Bauingenieure nicht gewachsen. Am bitteren Ende waren aus einst fünf Milliarden Mark stiller Reserven über zwei Milliarden Mark himmelschreiender Verluste geworden.
Haben sich in einem Unternehmen erst einmal Geschäftssitten breit gemacht, die Kalkulation und Controlling ausblenden, dann fällt das Gegensteuern schwer. Mit einem Wechsel in der Chefetage ist es nicht getan. Das Fundament der Firma - der Unternehmensaufbau, die Verteilung der Verantwortung - muss neu gegossen werden.
Andere Baustelle, gleiche Schieflage. Auch beim Flugzeugbauer Dornier ließ die Unternehmenskultur kein gedeihliches Wirtschaften zu. Die Technik dominierte, kaufmännische Fähigkeiten waren unterentwickelt. Und: Weil Dornier viel fürs Militär fertigte, hielten die Manager Kosten "für etwas Gutes", so Insolvenzverwalter Eberhard Braun: "Die wurden in der Vergangenheit ja in jedem Fall erstattet."
Daher wunderte sich Braun nicht, dass "die ökonomischen Basisinstinkte" verloren gingen. Im US-Staat Virginia mietete Dornier für zehn Jahre ein großzügiges Vertriebsbüro. Kosten pro Monat: 70 000 Dollar.
6. Schlechtes Personal
Zu Beginn seiner Amtszeit hatte Bob Hendry den Mund voll genommen. Zu altem Glanz wolle er den angeschlagenen Automobilhersteller Opel führen, versprach der neue Vorstandsvorsitzende.
Das war im Herbst 1998. Zwei Jahre später musste Hendry kleinlaut den größten Verlust in der über 100-jährigen Opel-Geschichte eingestehen - immerhin fast eine Milliarde Mark.
Heute sind sich bei Opel alle einig. Bob Hendry, vom damaligen General-Motors-Chef Jack Smith persönlich auf den Chefsessel gehoben, war der falsche Mann in Rüsselsheim. Statt eines Finanzmanagers wie Hendry hätte das Unternehmen damals einen Ingenieur an der Spitze gebraucht. Einen, der die Qualitätsprobleme anpackt und die Entwicklung innovativer Modelle vorantreibt. Und der gleichzeitig der verunsicherten Belegschaft neues Selbstvertrauen einimpft.
Hendry hingegen demoralisierte die Opel-Werker weiter - und sparte die Marke kaputt. Technik interessierte den Amerikaner nicht, Rat wollte er nicht, Widerspruch duldete er nicht. Wer im Vorstand seine Strategie von Opel als einem billigen Massenhersteller kritisierte, wurde gemobbt und gefeuert oder kündigte lieber selbst. In zwei Jahren verschliss Hendry so gut ein halbes Dutzend Vorstände.
Krasse Fehlgriffe an der Spitze haben schon so manches Unternehmen in die Krise gestürzt. Die einen entpuppen sich als Nieten in Nadelstreifen; andere dilettieren als Branchenneulinge; wieder anderen fehlt es, wie im Fall Hendry, am Gespür für Menschen und Märkte.
Selbstvermarkter Ron Sommer bei der Deutschen Telekom, Selbstsanierer Klaus Lederer bei Babcock oder Martin Kohlhaussen, der aus eigensüchtigen Motiven die Fusion seiner Commerzbank mit der Dresdner Bank scheitern ließ eines haben die Fehlbesetzungen in den Vorstandsetagen gemein: Sie alle neigen dazu, sich in Krisenzeiten nur noch mit Jasagern zu umgeben. Es entsteht eine Art Bunkermentalität, die Probleme der Firma dringen nur noch gefiltert zu ihnen vor oder gar nicht mehr.
"Geht es mit einem Unternehmen bergab, setzen sich die alten Chefs nicht mehr an die Spitze der Veränderung", sagt Josef Rick, Partner der Unternehmensberatung Boston Consulting. "Sie kaufen sich nur noch Zeit und hoffen auf die wärmende Sonne des nächsten Aufschwungs."
"Du sollst nicht die falschen Manager unter dir dulden."
7. Starrköpfige Patriarchen
Beim Fest der Freude war der Patriarch noch zuversichtlich. Die Zeiten seien nicht einfach, sinnierte Leo Kirch auf der letztjährigen Weihnachtsfeier, aber alle Mitarbeiter, versprach er, würden ihre Arbeitsplätze behalten.
Die Kirch-Beschäftigten hätten sich besser nicht auf die Worte des Alten verlassen. Keine vier Monate später lag sein Lebenswerk in Trümmern. Zum einen, weil der halsstarrige Medienmogul mehr an seine Visionen als an seine Bilanzen glaubte. Aber vor allem, weil er auf niemanden als auf sich selbst hörte.
Wie ein sizilianischer Pate erwartete er von seinen Mitarbeitern strikten Gehorsam. Wer den Schwur brach, wurde verstoßen. Der strenggläubige Katholik führte seinen Medienkonzern wie einen Krämerladen. Sonntags, nach dem Gottesdienst, ging er mit einer langjährigen Vertrauten sein Filmarchiv durch; selbst Verträge für das Senderecht einzelner Streifen unterschrieb er zuweilen selbst.
Sogar in der Pleite läuft nichts ohne Kirch. Als die Insolvenzverwalter Anfang April in der Ismaninger Zentrale anrückten, brauchten sie seine Hilfe, um das verschachtelte Firmenimperium wenigstens halbwegs zu durchblicken.
Es gehört zum Schicksal vieler Patriarchen, dass sie ein gewaltiges Lebenswerk aufbauen - und es am Ende selbst zerstören. Carl Borgward ist so ein Beispiel und Josef Neckermann auch.
Sie waren getrieben von Utopien und Pioniergeist, aber unfähig, Verantwortung abzugeben - und in hohem Maße beratungsresistent.
Sie alle haben nicht gemerkt, dass sich das wirtschaftliche Umfeld nachhaltig veränderte. Und dass ihr Unternehmen eben nicht mehr im gleichen Stil zu führen war wie in den erfolgreichen Anfangsjahren.
Eine Erfahrung, die auch die Familie Herlitz machte. Hier war es nicht der Patriarch, der die Firma zu Tode managte, sondern die Erben.
Gemeinsam mit seinen Söhnen Peter, Heinz und Klaus hatte Günter Herlitz ein erfolgreiches Geschäftsmodell geschaffen. Statt Aktenordner oder Schulhefte zu verkaufen, bot Herlitz ein komplettes System an.
Die Rollen waren klar verteilt. Papa Günter mimte den Aufsichtsrat. Der älteste Sohn Peter war der Finanzprofi, dessen Bruder Heinz der Vertriebsexperte, und der jüngste Spross Klaus kümmerte sich um das Marketing.
Der Absturz begann mit dem Rückzug des Gründers. Die Machtstrukturen der Firma gerieten aus der Balance. Jeder der drei Sprösslinge hielt sich für den besseren Chef - und versagte kläglich.
Peter, der Älteste, durfte als erstes ran, verlor aber bald das Interesse. Anfang der 90er Jahre stürzte er die Firma in spekulative Immobiliengeschäfte und versenkte Millionen.
Als die Träume vom großen Geld platzten, drängte Peter seinen Bruder Heinz, inzwischen zum Herlitz-Chef berufen, aus dem Unternehmen.
Peter wurde erneut Vorstandschef, schon drei Jahre später schrieb Herlitz Verluste. Seine riskanten Geschäfte und ein überdimensioniertes Vertriebszentrum rissen die Firma in den Abgrund.
Viel zu lange hat die Gründerfamilie das Unternehmen mit ihren Eskapaden belastet. Als 1996 auf Druck der Banken die ersten angestellten Manager bei Herlitz einstiegen, war der Niedergang nicht mehr zu stoppen.
Fazit
Der gefallene Börsen-Beau Thomas Haffa hebt wieder ab unter dem Namen "Air Independence" betreibt der frühere EMTV-Chef eine Fluglinie für Businessjets.
Der ehemalige Baumaschinen-Bankrotteur Horst-Dieter Esch krönte sein zweites Geschäftsleben als Betreiber einer New Yorker Model-Agentur ("Wilhelmina").
Und Heinz Herlitz, gescheiterter Büroartikelhändler, arbeitet nun schon an seiner dritten Karriere: Nach der Pleite seines Möbelbetriebs Joy soll er sich als stiller Eigentümer an mehreren mallorquinischen Spitzenrestaurants beteiligt haben und das, obwohl ihm die Gläubiger beharrlich im Nacken sitzen; seine 21-Meter-Motoryacht "Halcon I" nahmen die Banken schon vor längerem an die Mole.
Die Pleitiers verfolgen neue Pläne oder genießen das süße Leben. Die Unternehmen, denen sie einst vorstanden, sehen bestenfalls einer trüben Zukunft entgegen.
Sie wurden Opfer unheilvollen Managens: Egomanen und Ewiggestrige, Zauderer und Zocker, arglose Kapitalvernichter und starrköpfige Patriarchen versündigten sich oft jahrelang am Wohlergehen von Mitarbeitern, Aktionären und Kunden.
War das Scheitern unausweichlich? Was hätte die Firmen retten können?
Klar, üppige Finanzreserven, eine vorausschauende Unternehmensplanung und eine offene Gesprächskultur würden helfen, die Betriebe erst gar nicht an den Rand des Ruins zu treiben. Noch wichtiger aber wäre eine wirksame Kontrolle der Firmenführer von oben.
Nur eine effiziente Unternehmensaufsicht bietet ausreichend Gewähr, eine Krise früh zu erkennen und abzuwenden. Es braucht wache Aufseher, die geschäftspolitische Entscheidungen kritisch begleiten und den Mut haben, einen unfähigen Vorstand rechtzeitig zu entfernen bevor es letzten Endes der Konkursverwalter tut.
Denn spätestens wenn sich die Zahlungsunfähigkeit nicht mehr verbergen lässt, ist die Zeit der Ausreden vorbei.