Wert der MLP-Aktie in einer Woche verdoppelt
Merrill Lynch rät zum Kaufen / "Kurs wird nach oben geredet" / Termühlen soll abgehört worden sein
ham./hbe. FRANKFURT, 9. August. Die Aktie von MLP hat in dieser Woche ihren Wert verdoppelt. Auch am Freitag setzte sich die rasante Aufwärtsbewegung bei sehr hohen Umsätzen mit einem Tagesplus von rund 14 Prozent fort. Doch auf Sicht eines Monats bleibt die Bilanz für den MLP-Aktionär deutlich negativ. Mehr als 50 Prozent Kursverlust, nur die Aktie von Epcos hat unter den Dax-Werten mehr verloren.
Unterdessen ranken sich immer neue Gerüchte um die Kursturbulenzen der MLP-Aktie. Am Freitag abend meldete die Nachrichtenagentur vwd, das Büro des MLP-Vorstandsvorsitzenden Bernhard Termühlen sei über einen längeren Zeitraum abgehört worden. Dies habe Termühlen auf einem Geschäftsstellenleitertreffen am Mittwoch mitgeteilt, will vwd aus Unternehmens- und Beraterkreisen erfahren haben. Die mutmaßliche Abhöraktion würde etwa erklären, warum die MLP-Gewinnwarnung vom 2. August offenbar bereits Stunden vorher im Markt bekannt war und zu deutlichen Kursabschlägen geführt habe, hieß es.
Aber auch der Kursgewinn dieser Woche wirft Fragen auf. Vorläufiger Schlußpunkt eines kurstreibenden Kommunikationsmixes ist eine am Freitag bekanntgewordene Anlageempfehlung der Investmentbank Merrill Lynch. Darin rät der Hauptautor Blair Steward, noch vor kurzem Analyst der Deutschen Bank, in seiner ersten Studie für Merrill Lynch, die MLP-Aktie aggressiv zu kaufen (Strong Buy). Am Donnerstag abend kursierten Gerüchte, die amerikanische Citibank kaufe in großem Stil MLP-Aktien, um den Heidelberger Finanzdienstleister zu übernehmen. Am Mittwoch hatte der MLP-Gründer Lautenschläger, der 33,5 Prozent der Aktien hält, in dieser Zeitung erklärt, er habe noch nie MLP-Aktien verkauft und werde dies auch künftig nicht tun. Und am Donnerstag teilte die Fondsgesellschaft der Deutschen Bank, DWS, in dieser Zeitung mit, sie kaufe MLP-Aktien.
Vor allem das Gebaren von Merrill Lynch und der DWS hat für viele Marktteilnehmer einen faden Beigeschmack. Während Händler meinen, man versuche von interessierter Seite den Kurs nach oben zu reden, will man bei MLP von einem "inszenierten Kommunikationsgemisch" nichts wissen. "Es kommt derzeit sicher viel zusammen", sagte ein Sprecher am Freitag. Ein Grund für die Kurszuwächse sei aber wohl, daß "die Erkenntnis am Markt wächst, daß wir voraussichtlich im Dax bleiben". Ob MLP tatsächlich seinen Platz im Dax behält, entscheidet sich am Dienstag. Am Donnerstag gibt das Unternehmen Geschäftszahlen bekannt. Manche Händler finden es merkwürdig, daß Merrill Lynch, die zuvor kein Anlageurteil zu MLP hatte, nur wenige Tage vor für den Kursverlauf der Aktie wichtigen Entscheidungen eine derart starke Empfehlung abgibt.
Konkurrenten der DWS halten sich mit Kritik an der DWS bedeckt: "Wir kommentieren das nicht", heißt es bei der Deka, der Fondsgesellschaft der Sparkassen. "Ein wenig überrascht" zeigt man sich bei der Union, der Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken. Beide Fondsgesellschaften sagen, daß man keine Kaufempfehlungen zu Einzeltiteln gebe und daß Äußerungen des Fondsmanagements nicht als Kaufempfehlungen interpretiert werden sollten. An dieser Praxis wolle man festhalten. "Prinzipiell sollten sich Fondsgesellschaften mit solchen Äußerungen zurückhalten", heißt es beim BVI, der Interessenvertretung der deutschen Fondsindustrie.
Die Vorsicht der Industrie hat gute Gründe. Aus rationaler Perspektive gibt es nur zwei Gründe für einen großen Akteur, Aktienkäufe anzukündigen: Entweder er hat größere Bestände dieser Aktie in seinem Portfolio und will den Wert dieser Bestände in die Höhe treiben, oder aber er will eine größere Position dieser Aktie verkaufen. Wer eine Aktie aber für unterbewertet hält, freut sich und kauft stillschweigend, anstatt sich selbst den Kurs kaputtzureden. Die DWS bleibt bei der Darstellung der Gründe für ihr Handeln (siehe F.A.Z. vom 8. August): Man halte die Aktie für unterbewertet und wolle ein Signal setzen, um einer "exzessiven, unbegründeten Kursbewegung" ein Ende zu setzen. Vor der Ankündigung der Kaufabsichten habe man nur "geringe Bestände" an der Aktie gehalten; wieviel man derzeit halte, wollte die Gesellschaft nicht mitteilen. Das vielleicht auch aus gutem Grund: Wenn die DWS nach ihrer Ankündigung Anteile gekauft hätte, die sich durch ihre eigene Stellungnahme verteuert haben, dann hätte sie damit nicht im Interesse ihrer Anleger gehandelt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.08.2002, Nr. 184 / Seite 17
Merrill Lynch rät zum Kaufen / "Kurs wird nach oben geredet" / Termühlen soll abgehört worden sein
ham./hbe. FRANKFURT, 9. August. Die Aktie von MLP hat in dieser Woche ihren Wert verdoppelt. Auch am Freitag setzte sich die rasante Aufwärtsbewegung bei sehr hohen Umsätzen mit einem Tagesplus von rund 14 Prozent fort. Doch auf Sicht eines Monats bleibt die Bilanz für den MLP-Aktionär deutlich negativ. Mehr als 50 Prozent Kursverlust, nur die Aktie von Epcos hat unter den Dax-Werten mehr verloren.
Unterdessen ranken sich immer neue Gerüchte um die Kursturbulenzen der MLP-Aktie. Am Freitag abend meldete die Nachrichtenagentur vwd, das Büro des MLP-Vorstandsvorsitzenden Bernhard Termühlen sei über einen längeren Zeitraum abgehört worden. Dies habe Termühlen auf einem Geschäftsstellenleitertreffen am Mittwoch mitgeteilt, will vwd aus Unternehmens- und Beraterkreisen erfahren haben. Die mutmaßliche Abhöraktion würde etwa erklären, warum die MLP-Gewinnwarnung vom 2. August offenbar bereits Stunden vorher im Markt bekannt war und zu deutlichen Kursabschlägen geführt habe, hieß es.
Aber auch der Kursgewinn dieser Woche wirft Fragen auf. Vorläufiger Schlußpunkt eines kurstreibenden Kommunikationsmixes ist eine am Freitag bekanntgewordene Anlageempfehlung der Investmentbank Merrill Lynch. Darin rät der Hauptautor Blair Steward, noch vor kurzem Analyst der Deutschen Bank, in seiner ersten Studie für Merrill Lynch, die MLP-Aktie aggressiv zu kaufen (Strong Buy). Am Donnerstag abend kursierten Gerüchte, die amerikanische Citibank kaufe in großem Stil MLP-Aktien, um den Heidelberger Finanzdienstleister zu übernehmen. Am Mittwoch hatte der MLP-Gründer Lautenschläger, der 33,5 Prozent der Aktien hält, in dieser Zeitung erklärt, er habe noch nie MLP-Aktien verkauft und werde dies auch künftig nicht tun. Und am Donnerstag teilte die Fondsgesellschaft der Deutschen Bank, DWS, in dieser Zeitung mit, sie kaufe MLP-Aktien.
Vor allem das Gebaren von Merrill Lynch und der DWS hat für viele Marktteilnehmer einen faden Beigeschmack. Während Händler meinen, man versuche von interessierter Seite den Kurs nach oben zu reden, will man bei MLP von einem "inszenierten Kommunikationsgemisch" nichts wissen. "Es kommt derzeit sicher viel zusammen", sagte ein Sprecher am Freitag. Ein Grund für die Kurszuwächse sei aber wohl, daß "die Erkenntnis am Markt wächst, daß wir voraussichtlich im Dax bleiben". Ob MLP tatsächlich seinen Platz im Dax behält, entscheidet sich am Dienstag. Am Donnerstag gibt das Unternehmen Geschäftszahlen bekannt. Manche Händler finden es merkwürdig, daß Merrill Lynch, die zuvor kein Anlageurteil zu MLP hatte, nur wenige Tage vor für den Kursverlauf der Aktie wichtigen Entscheidungen eine derart starke Empfehlung abgibt.
Konkurrenten der DWS halten sich mit Kritik an der DWS bedeckt: "Wir kommentieren das nicht", heißt es bei der Deka, der Fondsgesellschaft der Sparkassen. "Ein wenig überrascht" zeigt man sich bei der Union, der Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken. Beide Fondsgesellschaften sagen, daß man keine Kaufempfehlungen zu Einzeltiteln gebe und daß Äußerungen des Fondsmanagements nicht als Kaufempfehlungen interpretiert werden sollten. An dieser Praxis wolle man festhalten. "Prinzipiell sollten sich Fondsgesellschaften mit solchen Äußerungen zurückhalten", heißt es beim BVI, der Interessenvertretung der deutschen Fondsindustrie.
Die Vorsicht der Industrie hat gute Gründe. Aus rationaler Perspektive gibt es nur zwei Gründe für einen großen Akteur, Aktienkäufe anzukündigen: Entweder er hat größere Bestände dieser Aktie in seinem Portfolio und will den Wert dieser Bestände in die Höhe treiben, oder aber er will eine größere Position dieser Aktie verkaufen. Wer eine Aktie aber für unterbewertet hält, freut sich und kauft stillschweigend, anstatt sich selbst den Kurs kaputtzureden. Die DWS bleibt bei der Darstellung der Gründe für ihr Handeln (siehe F.A.Z. vom 8. August): Man halte die Aktie für unterbewertet und wolle ein Signal setzen, um einer "exzessiven, unbegründeten Kursbewegung" ein Ende zu setzen. Vor der Ankündigung der Kaufabsichten habe man nur "geringe Bestände" an der Aktie gehalten; wieviel man derzeit halte, wollte die Gesellschaft nicht mitteilen. Das vielleicht auch aus gutem Grund: Wenn die DWS nach ihrer Ankündigung Anteile gekauft hätte, die sich durch ihre eigene Stellungnahme verteuert haben, dann hätte sie damit nicht im Interesse ihrer Anleger gehandelt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.08.2002, Nr. 184 / Seite 17