SPIEGEL ONLINE - 30. Juli 2002, 20:49
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Vorwürfe gegen Jürgen Trittin
Der Minister, die Meilen und der Alu-Koffer
Der grüne Umweltminister Jürgen Trittin gerät wegen der Nutzung seiner teils dienstlich erworbenen Prämienflüge unter Beschuss. Nach Recherchen der "Bild"-Zeitung flog der Minister drei Mal privat mit den Bonusmeilen und erwarb erst kürzlich einen wertvollen Koffer als Prämie. Trittin selber sagt, alles sei mit rechten Dingen zugegangen.
DPA
Flog auch er privat von den Dienstmeilen? Umweltminister Trittin dementiert
Berlin - Nach dem grünen Abgeordneten Cem Özdemir und dem Berliner Wirtschaftssenator Gregor Gysi (PDS) gerät mit den neuen Details aus dem Lufthansa-Computer nun erstmals ein Minister unter Druck. Wie bei den beiden anderen Politikern geht es auch bei ihm um die gleiche Frage: Nutzte Jürgen Trittin Prämienmeilen der größten deutschen Airline, die er bei dienstlichen Flügen erworben hatte, für private Ausflüge mit der Lufthansa? Die "Bild"-Zeitung recherchierte zumindest drei fragliche Fälle, in denen Trittin seine Meilen nutzte und will zusätzlich von einem Alu-Koffer erfahren haben, den Trittin als Prämie erst vor zwei Wochen von der Lufthansa bestellt hatte.
Im einzelnen geht es bei den fraglichen Fällen um jeweils zwei Prämientickets für einen Flug ins italienische Pisa, den Trittin mit seiner Lebensgefährtin antrat. Einmal flog er am 17. August 2000 über München nach Italien und zurück. Ein weiteres Mal am 16. Juli 2002, wiederum nach Pisa. Beide Male erstand Trittin die Flugtickets aus dem Bestand seiner Bonusmeilen, von denen er nach Informationen der "Bild" etwa 300.000 besitzt.
Ein Alu-Koffer für den Dienstgebrauch?
Doch die beiden Italienflüge sind noch nicht alles. Denn noch ein weiteres Mal, so das Blatt, sei ein Flug am 31. März 2001 von Berlin nach Stuttgart von den Bonusmeilen bezahlt worden. Diesmal sei die Lebensgefährtin von Trittin mit den Bonusmeilen geflogen. Und erst vor wenigen Tagen, am 11. Juli 2002, soll Trittin erneut Gebrauch von den Prämienmeilen gemacht haben. Laut "Bild" kaufte er für 90.000 Meilen einen Alu-Koffer aus dem Katalog mit Sachprämien.
Einen solchen Koffer soll Trittin von seinen Bonusmeilen erworben haben
Der Minister selbst ließ die Vorwürfe dementieren. "Alle Flüge wurden von privat erlangten Meilen erstanden", sagte eine Sprecherin am Dienstagabend am Rande eines Termins mit dem Minister. Daher habe sich der Minister rein gar nichts vorzuwerfen. Die schriftliche Stellungnahme des Bundesumweltministeriums zu den Recherchen der "Bild"-Zeitung, die SPIEGEL ONLINE vorliegt, ist allerdings deutlich vorsichtiger formuliert: "Herr Trittin ging und geht davon aus, dass für diese Flüge (nach Italien, Anm. d Red.) ausreichend private Meilen verfügbar waren. Er lässt zur Zeit prüfen, ob diese Annahme zweifelsfrei richtig war." Zum Ergebnis dieser Prüfung war am Abend von Trittin keine Stellungnahme zu erhalten.
Auch Volmer unter Beschuss
Zu dem mit Meilen gekauften Koffer, der einen realen Wert von etwa 400 Euro hat, heißt es in dem Schreiben, er sei "dienstlich zu nutzen" und sei deshalb auch von dienstlichen Meilen erstanden worden, "anstatt dafür Hauhaltsmittel aufzuwenden." Gegenüber SPIEGEL ONLINE fügte die Trittin-Mitarbeiterin hinzu, der Koffer stehe noch unverpackt im Ministerium und sei demnach noch nicht benutzt worden.
Auch der grüne Außenamts-Staatsminister Ludger Volmer hat nach Informationen von "Bild" ein Bonusmeilen-Problem. Denn auch der Vertraute von Außenminister Joschka Fischer kaufte laut "Bild" seit August 1999 allein 20 Flüge für seine Ehefrau Simone und Volmers Sohn Robin. Auf die Frage, ob dies mit den geltenden Bestimmungen des Bundestages übereinstimmt, ließ Volmer die "Bild" wissen, dass seine Frau Schirmherrin des "Frauen- und Familiendienstes des Auswärtigen Amtes" sei und deshalb Anspruch auf die Flüge als Dienstreisen habe.
In den Reigen der Bonusmeilen-Sünder reiht sich auch der Berliner CDU-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Günter Nooke, ein. Im Sender SFB räumte er ein, vor etwa einem Jahr nach Frankfurt am Main geflogen zu sein, um rechtzeitig bei der Feier eines Freundes einzutreffen. Der Flug sei notwendig geworden, weil er zuvor in Berlin durch dienstliche Termine aufgehalten worden sei. "Ich wollte schneller sein, weil ich noch etwas wahrnehmen wollte, das nicht nur dienstlichen Charakter hatte", sagte Nooke.