Von der High-Tech-Ära in die Steinkohlezeit

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EinsamerSam.:

Von der High-Tech-Ära in die Steinkohlezeit

 
08.06.05 10:52
Im Siemens-Handy-Werk in Kamp-Lintfort rechnet man mit dem Schlimmsten

Von der High-Tech-Ära in die Steinkohlezeit

Ein großes weißes Zelt steht auf dem Parkplatz des Siemens-Firmengeländes in Kamp-Lintfort. Der Konzern baut in dem 40 000-Einwohner-Städtchen im Kreis Wesel seit 1994 Mobiltelefone. „Sieht aus wie ein Festzelt“, sagt ein Anwohner. Nur dass es in Kamp-Lintfort nichts zu feiern gibt. In dem Zelt finden Betriebsversammlungen statt. Und die verhießen in jüngerer Zeit selten gute Nachrichten. Gestern wurde darin das Undenkbare verkündet: Die Siemens AG verkauft ihre Handysparte.

KAMP-LINTFORT. Wer sich von Süden her der niederrheinischen Kleinstadt nähert, sieht als erstes den Förderturm des Bergwerks West der Deutschen Steinkohle AG. Die Zeche Friedrich Heinrich, wie sie noch bis 2001 hieß, ist mit über 3800 Mitarbeitern der größte Arbeitgeber der Stadt. Lange Zeit war sie dank einer einseitigen Strukturpolitik auch der einzige nennenswerte Arbeitgeber der Stadt. Da kam der Elektronik-Konzern mit seinen Investitions-Millionen den Stadtvätern gerade recht. Strukturwandel hieß das Zauberwort. Weg von der Montan-Maloche, hin zur sauberen Elektronik-Fabrik.

Gestern, nur elf Jahre nach dem Beginn der Handy-Produktion in Kamp-Lintfort, erfuhren die Mitarbeiter in jenem weißen Festzelt, dass ihr Bereich bei Siemens keine Zukunft mehr hat. Ein Unternehmen aus Taiwan werde die Handysparte übernehmen und so auf dem Mobilfunkmarkt schneller wachsen, hörten sie. Die Asiaten übernehmen zwar zunächst alle Mitarbeiter und Standorte, über die bestehenden Verträge hinaus wird es aber keine Garantien geben. Also der Anfang vom Ende. „Man sieht schon besorgt in die Zukunft“, sagt ein Angestellter der IT-Abteilung. Und fügt hinzu: „Uns ist klar, dass der Standort gefährdet ist.“

Dan Bieler, Telekom-Fachmann bei der Londoner Unternehmensberatung Ovum, bestätigt diese Befürchtungen. Seiner Einschätzung nach wird die die Produktion in Deutschland „Schritt für Schritt heruntergefahren.“ Das sei zwar traurig für die Mitarbeiter, aber die einzige Alternative wäre gewesen, „den Laden sofort dicht zu machen“.

Also müssen sich die rund 1800 Mitarbeiter der Handyproduktion in Kamp-Lintfort wohl im nächsten Jahr nach einem neuen Job umsehen. Denn dann endet die im letzten Jahr ausgehandelte Beschäftigungs- und Standortgarantie. Die Belegschaft hatte dafür zähneknirschend die Ausweitung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden ohne Lohnausgleich hingenommen.

„Es ist bitter, wenn diese Zugeständnisse auf einmal nichts mehr wert sind“, klagten Mitarbeiter gestern Mittag vor dem Werk. Aber die Personalkosten waren nicht der einzige Grund für die Misere bei der hoch defizitären Siemens-Handy-Sparte. Bernhard Jodeleit, Handy-Experte von der Fachzeitschrift „connect“ berichtet von erheblichen Versäumnissen bei der Modellpolitik. „Siemens hat den Trend zu einigen Schlüssel-Features wie Farbdisplays oder integrierten Kameras total verschlafen“, kritisiert Jodeleit. Es habe zwar einige interessante Ansätze wie das Musik-Handy SL45 gegeben, aber letztlich sei Siemens im Rückstand gewesen, als Multimedia-Handys in Deutschland den großen Durchbruch erlebten, sagt Jodeleit. Seiner Meinung nach habe es an einem „schlagkräftigen Produktmanagement mit kurzer Reaktionszeit“ gemangelt.

Laut Analyst Bieler gilt es nun, „der Wahrheit ins Auge zu schauen“. Die vermutlich so aussehen wird: Der asiatische Elektronik-Konzern Benq wird den Markennamen Siemens nutzen, um in Europa und Russland schneller wachsen zu können. Zusammen mit Siemens Mobile werden sie zur Nummer vier auf dem Handy-Weltmarkt. Sobald die betreffenden Märkte erschlossen sind, verschwindet der Name Siemens nach und nach von den Handy-Hüllen - genauso wie wohl das Werk aus Kamp-Lintfort verschwinden wird.

Quelle: HANDELSBLATT, Mittwoch, 08. Juni 2005, 07:31 Uhr


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EinsamerSam.:

Bei Siemens beginnt das große Zittern

 
08.06.05 14:52
Der IT-Dienstleister Siemens Business Services steht unter Beobachtung

Bei Siemens beginnt das große Zittern

Nach dem Verkauf des Handy-Geschäfts könnte Siemens-Chef Klaus Kleinfeld sich nun den schwächelnden IT-Dienstleister Siemens Business Services (SBS) vorknöpfen.

HB MÜNCHEN. Sanieren, kooperieren, verkaufen oder schließen. Diese vier Möglichkeiten bleiben Klaus Kleinfeld, wenn sich die Lage bei SBS nicht bessert. Bei Arbeitnehmervertretern läuten schon die Alarmglocken. „Das wäre ein Wahnsinn, wenn die Handy-Lösung Modellcharakter hätte“, sagt Michael Leppek von der IG Metall. „Da steht eine Firmenkultur auf dem Spiel.“

„Kleinfeld ist bekannt als schneller Entscheider“, sagt Theo Kitz vom Bankhaus Merck Finck. „Er schreckt nicht vor radikalen Maßnahmen zurück.“ Das war bei Kleinfelds Vorgänger Heinrich von Pierer anders. In den ersten Jahren seiner Amtszeit war es ruhig bei Siemens. Erst dann hat sich der heutige Aufsichtsratschef mit seinem berühmten Zehn-Punkte- Programm, das unter anderem die Abspaltung der Halbleitersparte vorsah, zum Handeln entschieden.

Soviel Zeit will sich Kleinfeld nicht lassen. Innerhalb von 18 bis 24 Monaten sollen alle Konzernbereiche die Renditevorgaben erreichen. Kleinfeld verknüpfte auch sein persönliches Schicksal mit diesem Ziel. Siemens hatte am Dienstag verkündet, dass die verlustreiche Handysparte komplett an den taiwanesischen Benq-Konzern geht. „Jetzt ist SBS das nächste Thema“, glaubt nicht nur Frank Rotauge, Siemens-Experte bei Sal. Oppenheim. Der IT-Dienstleister machte im abgelaufenen Quartal einen Verlust von 129 Millionen Euro.

In einem ersten Schritt wurde seither bereits die IT-Wartungsfirma Sinitec mit 1100 Beschäftigten verkauft. Kleinfeld deutete am Dienstag weitere Schritte an, ließ aber offen, wie diese konkret aussehen. Spekuliert wird unter anderem seit längerem über ein Interesse der französischen Firma Atos Origin an der Sparte.

Dass aber Siemens SBS verkauft und dem Übernehmer dafür - wie bei den Handys - sogar noch viel Geld mit auf den Weg gibt, gilt als eher unwahrscheinlich. „Die Handys können kein Modell sein“, sagt Analyst Rotauge. In der Mobiltelefonsparte sei die Lage katastrophal gewesen. Verantwortlich dafür sei allein ein Management-Versagen gewesen. Offenbar habe Siemens auch kein Vertrauen gehabt, dass die eigenen Führungskräfte das Geschäft auf den richtigen Weg bringen könnten. Da sei nur noch die kostspielige Trennung geblieben.

Bei SBS sehe die Lage etwas besser aus, das Geschäft sei von Wert. „Wenn jemand in den deutschen Markt rein will, kommt er an SBS kaum vorbei.“ Vielleicht werde sich Siemens aber auch für eine aggressive Vorwärtsstrategie entscheiden und selbst Unternehmen übernehmen, damit SBS in die Margenziele kommt.

Arbeitnehmervertreter warnen eindringlich davor, aus kurzfristigen Renditegesichtspunkten ganze Sparten abzustoßen. „Mit dem Verkauf der Handys an Benq schneidet sich Siemens ins eigene Fleisch. Das ist der Zukunftsmarkt schlechthin“, sagt Michael Leppek von der IG Metall. Auch heutige Ertragsperlen wie das Kraftwerksgeschäft oder die Medizintechnik hätten tiefe Täler durchlaufen. Der Konzern würde heute schlechter dastehen, wenn er hier keinen langen Atem bewiesen hätte. Leppek: „Mann kann nicht immer wieder hier und da etwas herausschneiden. Irgendwann sind Herz und Lunge betroffen.“

Quelle: HANDELSBLATT, Mittwoch, 08. Juni 2005, 13:47 Uhr

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Von der High-Tech-Ära in die Steinkohlezeit 1970559
EinsamerSam.:

BenQ: Weniger Handy-Modelle nach Übernahme

 
16.06.05 13:21
BenQ: Weniger Handy-Modelle nach Übernahme der Siemens-Sparte

Nach der Übernahme der Siemens-Mobilsparte will sich der taiwanische Elektronikhersteller BenQ auf die Entwicklung von weniger und besseren Handymodellen beschränken. "Siemens und BenQ wollten jeweils 25 und 20 neue Modelle herausbringen", sagte BenQ-Chef KY Lee der taiwanischen Zeitung Business Today. Nach der Übernahme werde das Unternehmen jedoch nur noch 35 oder sogar deutlich weniger Modelle auf den Markt bringen. Damit will BenQ vor allem Verluste ausgleichen und Kosten senken.
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Die Produktionskapazitäten sollen für weitere Einsparungen umverteilt werden. So werde BenQ die Produktion in Deutschland künftig von 40 auf 20 Prozent senken, sagte Lee. "Die Produktionskosten sind in Deutschland hoch, deshalb werden wir einen Teil nach Asien verlegen", sagte Lee. "Ich weiß, dass einige Arbeiter protestieren werden." Aber der Handy-Markt befinde sich an einem kritischen Punkt. "Wenn jemand versuchen sollte, die Reform zu blockieren, werden wir alle Verlierer sein."

Den Schwerpunkt der Produktion will das Unternehmen in China setzen und dort statt zuvor 30 Prozent nun 60 Prozent der Handys fertigen lassen. In Brasilien sollen 20 statt 30 Prozent bleiben. Über das Schicksal der 6000 Siemens-Mitarbeiter, von denen die Hälfte in Deutschland arbeitet, werde das Unternehmen eine Entscheidung im Juni 2006 treffen. Bis zu diesem Zeitpunkt läuft eine Vereinbarung zwischen Gewerkschaften und Siemens, die die Arbeitsplätze im Werk in Kamp-Lintfort sichert. Diese Vereinbarung musste BenQ mit der Handy-Sparte übernehmen.

Quelle: heise.de

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