Die Einführung des Euro steht – typografisch betrachtet – unter keinem guten Stern. Anstelle eines Währungszeichens propagiert die Europäische Kommission ein Logo.
Die fünfjährige Geschichte des Euro-Signets, oder: wie Schriftentwerfer und Tante Emma ein Zeichen gesund pflegen.
Wir alle haben es miterlebt: die Geburt eines neuen Schriftzeichens. Schleichend kam es über uns. Zunächst in die Zeitungen und Fachzeitschriften. Dann in die Infobroschüren der Banken und Sparkassen. Schließlich die ersten Liveauftritte in Werbeanzeigen, Kaufhäusern, auf dem Gemüsemarkt und bei Tante Emma nebenan. Inzwischen hat es auf der Computertastatur seinen Platz gefunden, und die Kinder lernen es in der Schule schreiben. Das Eurozeichen €.
Wenn Geschichte passiert, geraten Details schnell in Vergessenheit. Sicherlich wird uns die Einführung der neuen, europaweiten Währung mehr beschäftigen, als die Befindlichkeit jenes Zeichens, das diese monetäre Reform begleitet. (Typo)grafisch interessierte Menschen verfolgen jedoch mit Aufmerksamkeit einen Wimpernschlag der Semiotikgeschichte. Schließlich soll mit dem Euro nicht dasselbe passieren wie mit dem Dollar, um dessen Symbol $ sich zwar viele Legenden ranken, aber niemand genau weiß, wie es seine endgültige Form fand. Da die Euro-Einführung zudem von den Initiatoren seit dem Startschuss propagandistisch vernebelt wird, ist es an der Zeit, die 5jährigen Geschichte des Eurozeichens niederzuschreiben.
Erste Erwähnung und Vorstellung
Die Geburt des Eurozeichens verdanken wir dem Zusammentreffen verschiedener, eher zufälliger, Umstände. Der Europäische Rat beschäftigte sich nach dem Beschluss zur Einführung der neuen Währung zunächst nicht mit der Frage, ob diese wie Dollar, Yen und Pfund Sterling ein eigenes Währungssymbol erhalten solle. Zwei Mitarbeiter der Generaldirektion X der Europäischen Kommission, die für die Kommunikation der Behörde zuständig ist, suchen Anfang Dezember 1996 jedoch nach einem Emblem, das in der Euro-Einführungskampagne zum Einsatz kommen soll. Bei einem Gespräch mir Kommissionsmitglied Yves-Thibault de Silguy entsteht die Idee, das ausgewählte Motiv als Schriftzeichen für die künftige Währung zu verwenden. Der Entwurf wird auf blaue Kaschmirschals gedruckt, die auf der Tagung des Europäischen Rates in Dublin am 13. Dezember 1996 verteilt werden. Dem Symbol ist unmittelbarer Erfolg beschieden, und einen Tag später wird das Eurozeichen erstmals in der Presse abgebildet: ein Kreissegment, rechts offen, das zwei parallele Linien horizontalen kreuzen. Am 15. Juli 1997 bestätigt das Europäische Währungsinstitut, »dass ein charakteristisches kodifiziertes Symbol für die einheitliche Währung benötigt werde« und sagt seine Unterstützung für das von der Europäischen Kommission vorgestellte Symbol zu. Bereits eine Woche später veröffentlicht die Europäische Kommission eine Mitteilung zum Euro-Signet. Die Behörde fordert vorauseilend schon mal »alle Währungsverwender« dazu auf, das Zeichen dann zu benutzen, »wenn ein unverwechselbares Symbol für die Bezeichnung von Geldbeträgen in Europa, wie zum Beispiel in Preislisten und Rechnungen, auf Schecks und in sonstigen Rechtsinstrumenten, benötigt wird.«. Kurz darauf liegen zwei Abbildungen des Signets auf dem Web-Server der EU zum Download bereit, die eine neugierig wartende Gemeinde irritieren.
Ein Farbbild zeigt das Eurozeichen, gelb auf dunkelblauem Grund, also in den Hausfarben Europas, deren Druckfarben gleich mitgeliefert werden: 100 % Yellow für das Zeichen, 100 % Cyan plus 80 % Magenta für den Fond. So präsentiert man ein Logo, aber kein Zeichen. Erwartet die EU von ihren Bürgern, dass in Zukunft alle Preisauszeichnungen in Euroland auf blauem Etikett mit gelber Schrift ausgeführt werden? Noch kurioser die zweite Abbildung, eine technische Zeichnung. Sie zeigt die Euroglyphe mit ihrer Vermaßung. Aufmerksame Beobachter beginnen, eins und eins zusammenzuzählen. Zirkel? Geodreieck? Winkelmesser? Die Grafik erweckte den Eindruck einer Norm, die es zwar für ein Schutzmarke, jedoch nicht für ein Schriftzeichen geben kann. Spätestens hier wird klar: die EU hat ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Anstatt eine Vorgabe für Schriftentwerfer, Formulargestalter, Schildermacher und andere grafische Dienstleister vorzulegen, veröffentlicht sie ihre privaten Vorgaben für die Euro-Werbung. Hätten die Eurokraten einen Schriftexperten gefragt, wäre ihnen der Unterschied zwischen dem Graph(us) und dem Duktus eines Zeichens nicht entgangen. Bei einem Schriftzeichen, was das Euro-Währungszeichen ja werden will, sind die Skelettform (Graph) und deren Ausführung (Duktus) zwei grundverschiedene Dinge. Die Grundform des Großbuchstaben A beispielsweise ist in allen lateinischen Satzschriften gleich, die Ausführung durch den Schriftentwerfer hingegen ist überhaupt nicht festgelegt, außer durch den grafischen Charakter der übrigen Buchstaben einer Schrift. Aufgrund dieses Prinzips erfreuen wir uns einer großen Vielfalt an Schriften, deren Aussehen stark abweicht, die aber alle lesbar sind. Es hätte also gereicht, wenn uns Brüssel eine schwarzweiße Skizze mit dem Vermerk geliefert hätte, dass das Währungssymbol aus einem C-förmigen Bogen mit zwei horizontalen Strichen bestehe.
Seit 1997 die offizielle Vorgabe der Europäischen
Kommission: buntes Euro-Logo anstelle eines
Konzepts für ein Währungszeichen
Fertig! Breite, Strichstärke und Ausführung des Eurozeichens ergeben sich durch die Anwendung. Die Empörung internationaler Typografen über den Rohrkrepierer der EU belegen erste Kommentare, unter anderem in der comp.font-Newsgroup. Einige Auszüge: »Es ist ein Logo, und kein Schriftzeichen.« »Für Tabellen ist es unbrauchbar, weil zu breit.« »Breite, Strichstärke und Stil sind nicht Bestandteil der A-heit eines As.« »Ich habe keinen Zweifel, dass dieses Zeichen von den Europäern zu etwas brauchbarem weiterentwickelt wird, wahrscheinlich schon in den ersten Monaten seiner Verwendung.« Der Berliner Schriftentwerfer Erik Spiekermann fasst die Empfindungen seiner Gilde zum Eurozeichen in einem FontShop-Vorwort jüngst wie folgt zusammen: »Das Währungszeichen der Europäischen Union ist ein Zufallsprodukt ... Während die EZB noch heute glaubt, sie arbeite mit einem brauchbaren Logo, haben wir Schriftentwerfer das genormte Eurozeichen als Steilvorlage verstanden: als Briefing für den Entwurf eines typografischen und funktionstüchtigen Eurozeichens.«
Der Schöpfer des Zeichens packt aus
Die warmen Worte, mit denen die EU ihre Vorlage preist, machen sie nicht brauchbarer. »Das grafische Symbol des Euro ähnelt einem E, das von deutlich markierten, horizontal parallel verlaufenden Linien durchquert wird. Es lehnt sich an den griechischen Buchstaben Epsilon an und verweist damit auf die Wiege der europäischen Kultur und auf den ersten Buchstaben des Wortes ›Europa‹. Die parallel verlaufenden Linien stehen für die Stabilität des Euro.«. Die Tatsache, dass Euro mit E anfängt ist als Erklärung für die Zeichenform mindestens so aufregend wie der Sachverhalt, dass die Ziffer 1000 drei Nullen enthält. Warum jedoch zwei parallele Linien für Stabilität stehen, darüber hätte man gerne mehr erfahren. Im März 1999 konterkariert eine Meldung der Deutschen Presseagentur (dpa) das Märchen von der bewussten Gestaltung des Eurosignets. Unter der Überschrift »An den Erfinder des Eurozeichens erinnert sich niemand mehr« berichten die deutschen Tageszeitungen, dass der Schöpfer des Eurozeichens ermittelt sei. Das dazugehörige Foto zeigt den damals 85jährigen Arthur Eisenmenger, ehemals Chefgrafiker der Europäischen Gemeinschaft (EG). Kurz bevor Eisenmenger 1974 in Rente ging, entwarf er in der Behörde für amtliche Veröffentlichungen in Luxemburg die 24 Jahre später wiederentdeckte Synthese aus den Buchstaben C und E. »Mit Tusche habe ich auf einen 20 Zentimeter breiten Zeichenkarton ohne viel zu überlegen das jetzt bekannte Logo gezeichnet.« Der Entwurf verschwand anschließend in einer Schublade. Eisenmenger, aus dessen Feder auch die Sternenkreisflagge stammt, betont gegenüber dpa, dass sein Zeichen nicht als Währungssymbol entworfen wurde: »Damals hat noch niemand an den Euro gedacht«. Über die spätere Definition des Eurozeichens als »Symbol für die Wiege der europäischen Zivilisation« durch die EU müsse er lachen: »An das alles habe ich nicht gedacht«. Mit dem Outing Eisenmengers stand fest: das Eurozeichen der EU ist tatsächlich ein Zufallsprodukt. Die Verschmelzung der Buchstaben E und C hatte Eisenmenger »ohne viel zu überlegen« gezeichnet. Kein Wunder also, daß es – ohne Anpassung – unbrauchbar für die visuelle Kommunikation im Druck und am Bildschirm ist, was unter anderem seine Verwendung in den Einführungskampagnen beweist.
Der Schwabe Arthur Eisenmenger entwarf
vor 1974 ein Signet, das 25 Jahre später
Eurozeichen genannt wird
Die Schriftentwerfer spielen nicht mit
In den folgenden Monaten nehmen sich die Schriftentwerferinnen und –entwerfer der Aufgabe an, das beste aus der Vorlage der EU zu machen. Es gilt nicht nur, das Eurozeichen für jede neu zu entwerfende Schrift ins Pflichtenheft aufzunehmen: Tausende von existierenden Schriften müssen um ein typografisch passendes Zeichen ergänzt werden. Der Berliner Typograf Henning Krause vergleicht das Auftauchen ein gänzlich neues Zeichens mit der Situation eines Orchesters, in das ein neuartiges Instrument integriert werden muss. Wo siedelt man es im Orchestergraben an? Bei den Streichern, Bläsern, Perkussionisten? Vorne, hinten, links, mitte, rechts? Welche Teile der Partitur wird das neue Instrument spielen? Musiker fragen sich: Welcher Werkstoff ist der beste, schönste, ist gut spielbar? Lieber Esche, Eiche, Buche oder Fiberglas? Die Fragen des Instrumentes, also der Form des Eurozeichens, werden durch den Schriftentwerfer beantwortet. Die Frage der Platzierung im Orchester ist bei der gängigen Arbeitsteilung hingegen eine, die von den Betriebssystemprogrammierern und Druckertreiberherstellern gelöst werden muß.
Zunächst zu den Schriftentwerfern. Der Kanon der lateinischen Schriftzeichen ist bekannt und wird – wie ein Evergreen – immer wieder neu aufgelegt und interpretiert. Insoweit verhält es sich mit der Typografie wie mit der Musik: Orchestrierung und Kompositionen sind bekannt, jedweder Diskurs wird sich daher vorrangig mit der Interpretation der jeweiligen Musik befassen, also dem Aussehen und der Wirkung der Schriften. Über die ästhetische Qualität von Schriften lässt sich vortrefflich streiten. Dies ist hier nicht das Thema. Wohl aber die Ästhetik des zu integrierenden Eurozeichens. Henning Krause ist mit seinem Büro Formgebung spezialisiert auf die »Nachrüstung« von Hauschriften großer Unternehmen mit dem Eurozeichen. Er nennt fünf objektive Kriterien, mit denen sich die Qualität der derzeit inflationär auftretenden »Euro-Lösungen« beurteilen lässt, aber auch die Qualität des Zeichens innerhalb einer Schrift:
1. Das Eurozeichen ist kein großes C mit Querstrichen; es ist schmaler und steht in verwandtschaftlicher Beziehung zu den Währungs-zeichen ¥, $, ¢ und £.
2. Wie bei Währungssymbolen in professionellen Satzschriften üblich, fällt das Eurozeichen etwas kleiner und leichter aus als die Großbuchstaben.
3. Strichstärkenverteilung und Strichenden entsprechen eher denen eines griechischen Epsilons als denen des großen C.
4. Die Querstriche müssen genügend Abstand besitzen, sonst entsteht in kleinen Schriftgraden ein fetter Balken
5. Das Eurozeichen muss formal den übrigen Zeichen einer Schrift angepaßt sein (Kontrast, Grauwert, Serifen ...)
Der Doppelbalken des Eurozeichens ist formal-ästhetische ein schwerer Brocken für Schriftentwerfer. Durch ihn liegt der Schwerpunkt des Zeichens automatisch in der Mitte, so dass es, im Vergleich zu den anderen Buchstaben einer Schrift – ohne optische Korrekturen – sehr »schwarz« wirkt. Schon aus diesem Grund muss die Strichstärke des gesamten Zeichens verringert, und der Abstand der Querstriche geweitet werden. Sicherlich wird sich mancher Schriftentwerfer dazu entschließen, den Doppelstrich zu einem zusammenzufassen.
Jedem das Seine: Berühmte Textschriften und die
von ihren Herstellern integrierten Eurozeichen
Eine Notwendigkeit hierfür besteht nicht, da es in der Vertikalen ausreichend Platz gibt – anders beim Dollarzeichen, dessen senkrechte Doppelstriche sehr früh verschmolzen. Die exakte Kreisform des Euro-Logos ist für 99 Prozent der bekannten Satzschriften unbrauchbar, ja eigentlich fällt einem spontan nur die serifenlose Schrift ITC Avant Garde ein (und da die Strichstärke Book), zu der es nahezu unverändert passen könnte. Erschwerend hinzu kommt, das die links überstehenden Doppelstriche das Zeichen noch breiter machen, als es durch die runde Form ohnehin schon ist. Maßgeblich für die Breite des Zeichens ist der Raum, den die Ziffern einer Schrift einnehmen. Dies gilt insbesondere für jene Schriften, die man für das Gestalten von Geschäftsberichten verwenden möchte, sowie für alle Korrespondenzschriften (zum Beispiel Courier) und Fonts im Bereich Rechnungswesen. Hier ist das Erstellen von Tabellen gang und gäbe, und da darf ein Währungszeichen nicht aus den Spalten ausbrechen. Dieser Anspruch bedeutet nicht automatisch, dass das Eurozeichen exakt die Breite der Ziffern aufweisen muss, aber zusammen mit dem Freiraum davor und dahinter muss es die gleiche Fläche wie die Zahlen einnehmen. Beim Gestalten von Eurozeichen für Werkschriften, aus denen Bücher und lange Texte gesetzt werden, haben Entwerfer mehr Freiheit. Meist kommen hier sowieso die gefälligeren Ziffern mit Ober- und Unterlängen zum Einsatz (Mediävalziffern: 123456789), die unterschiedlich viel Platz beanspruchen und sich so harmonisch in den Text einfügen. Da darf dann auch das Eurozeichen aus der Reihe tanzen. Soviel zum Aussehen.
Die Eigenschaften eines typografisch korrekten Eurozeichens
1. formale Verwandtschaft zu den Währungszeichen
2. etwas kleiner und leichter als Großbuchstaben
3. formal näher am kleinen c als am großen C
4. beansprucht gleichen Raum wie Ziffern
5. Querstriche in ausreichendem Abstand
6. Kontrast, Grauwert, Serifen ... wie Grundschrift
Apple und Microsoft gehen getrennte Wege
Neben der Form des Eurozeichens taucht im Zusammenhang mit dem Schreiben und Textgestalten am Computer eine weitere Frage auf: Wohin mit dem neuen Buchstaben? Während Microsoft für das Betriebssystem Windows eine vorbildliche Lösung präsentierte, die Unterbringung des neuen Zeichens zusätzlich zu den gewohnten unter der Tastenkombination Alt Gr-E (Dezimalposition 128), tauschte Apple das vormalige Currency-Zeichen § gegen das Eurozeichen aus. Damit könnte man leben, denn das Zeichen benutzte sowieso niemand. Doch anstatt die Tastaturposition für diesen Zweck freizugeben, schießt Apple mit Einführung des neuen Betriebssystems 8.5, neuer Druckertreiber und einem neuen Symbol-Font über das Ziel hinaus: jedes Zeichen auf der Position des Currency-Symbols wird automatisch durch ein generisches Eurozeichen aus dem aktualisierten Symbol-Zeichensatz ersetzt. Damit ist die Botschaft der EU unglücklicherweise bei einem sehr einflussreichen Empfänger auf fruchtbarem Boden gelandet, der nahm sie wortwörtlich und ist nun für die millionenfache Verbreitung des unbrauchbaren Eurozeichens verantwortlich. Dies ist umso ärgerlicher, als Schriftherstellern frühzeitig von Apple signalisiert wurde, daß für das Eurozeichen die Position des Currency geräumt würde, nicht jedoch, daß die Entwerfer sich die Mühe des Entwurfs für die von Gestaltern so geliebte Macintosh-Plattform sparen können. In der Praxis stellt sich die Apple-Systempolitik bisweilen wie folgt dar: Ich schreibe mit einer Schrift, die ein typografisch korrektes Eurozeichen enthält, sehe dieses sogar am Bildschirm, bevor es der Druckertreiber bei der Ausgabe durch das generische Logo austauscht. Und so muss Microsoft ausnahmsweise mal gelobt werden für die firmentypische Ignoranz von Normen und Standards. Durch ein eigenes Encoding der Mac-Schriften oder durch das Umschalten eines Substitutions-Schalters im LaserWriter-8-Treiber (in der PRFS-Ressource mit dem Programm ResEdit) kann man auch Apple-Drucker dazu überreden, an der dafür vorgesehenen Stelle ein gestaltetes Eurozeichen zu Papier zu bringen. Der Preis einer solchen Insellösung sind freilich Komplikationen beim plattformübergreifenden Arbeiten.
Ziviler Ungehorsam: je extremer die Schriftform,
umso größer die Distanz zur Eurozeichen-Norm der EU
Die Schrifthersteller und ihr Euro-Lösungen
Das Jahr 2001 wird vielen Schriftbenutzern als das Eurozeichen-Chaosjahr in Erinnerung bleiben. Neben der Form des Zeichen und seiner Position in den Zeichensätzen schwebt ein dritte Gewitterwolke über dem Euro: die Update-Politik der Schriftenhäuser, also der Verleger von PostScript- und TrueType-Schriften. Ihnen verdanken wir zur Zeit vier Wege, die zum typografisch brauchbaren Eurozeichen führen. 1. Eurosammelfonts. Eine Notlösung, die zum Beispiel von den Herstellern Adobe, Babylon Schriftkontor (ehemals: Berthold), Elsner + Flake und LinotypeLibrary angeboten werden. Ein Font enthält 20 bis 100 verschieden gestaltete Eurozeichen, von denen sich der Anwender die zu seinen Schriften am besten passenden Formen aussuchen kann. Der einzige Vorteil dieser Lösung ist, dass es diese Sammelschriften meistens geschenkt gibt. Der ständige Schriftwechsel und die letztendlich doch nicht passenden Zeichen sprechen gegen diese Lösung. Besser als das Original-EU-Symbol sind sie aber allemal.
Auf einer alten Schreibmaschinen und in
Textverarbeitungen lässt sich das Eurozeichen
so simulieren: C tippen, Rücktaste, = tippen.
2. Schriftenupdates. Sofern sie bereits lieferbar sind, ist das der richtige Weg. Sie kosten zwischen 50 Prozent des ursprünglichen Schriftenpreises (Agfa-Monotype, Linotype) und nichts (FontFont). Der einzige Haken hierbei ist, dass viele Schrifthersteller mit der Aktualisierung ihrer Bibliotheken hoffnungslos im Hintertreffen liegen. Ein Grund dafür ist die verworrene Betriebsystempolitik von Apple und Microsoft sowie von Adobe: erst musste das Eurozeichen »Currency« heißen, damit der Adobe Type Manager (ATM) es richtig behandelt, seit der ATM-Version 4.6 muss es den PostScript-Namen »Euro« tragen.
3. Neue Schriften. Alle neue gestalteten Schriften, die seit 2000 herauskommen, sollten das passende Eurozeichen enthalten. Das hilft jenen Anwendern nicht weiter, die auf ihre bestehende Font-Bibliothek angewiesen sind. Anderen ist die Euro-Einführung ein willkommener Anlass dafür, den angestaubten Schriftenvorrat einmal kritisch zu durchforsten und sich mit neueren, technisch und ästhetisch verbesserten Daten zu versorgen. Besonders zu erwähnen sind da die Neuinterpretationen der Linotype-Klassiker Neue Helvetica, Frutiger, Univers und Syntax, die alle – wenn möglich von den Originalentwerfern – generalüberholt, erweitert und mit passenden Eurozeichen versehen wurden. Auf Hybrid-CDs gibt es diese Neuauflagen für Mac und Windows zu attraktiven Preisen, inklusive Multilizenz für mindestens fünf Rechner.
4. Gestaltung und Einbau eines Eurozeichens. Dies ist zweifellos die perfekteste Lösung, vergleichbar mit dem Maßanzug. Sie garantiert nicht nur, dass ein typografisch perfektes Eurozeichen in die vorhandene Schrift kommt, sondern auch die Kompatibilität zu allen elektronisch verfügbaren Dokumenten. Denn wer weiß, was bei den unter 2 erwähnten Updates noch alles an den Fonts ausgebessert wurde? Schon ein korrigierter Kerning-Wert kann dafür sorgen, dass bestehende Dokumente mit der aktualisierten Schrift anders umbrechen. Der Eigenmächtigkeit und dem typografischen Anspruch der Schriftszene ist es zu verdanken, dass das Eurozeichen in Zukunft kein Fremdkörper in Drucksachen und elektronischen Dokumenten sein muss. Die Benutzer haben es in der Hand. Sie müssen die richtige Wahl beim Einkauf der Schriften und deren Verwendung treffen. Die kommenden Monate werden uns mit einer Vielzahl mutig gestalteter Eurozeichen beglücken. Dazu leisten nicht nur die professionellen Schriftentwerfer ihren Beitrag, sondern auch ungezählte typografischen Laien, die in Handel und Gewerbe – meist von Hand – Preisauszeichnungen vornehmen.
So machen Sie Ihren Computer Euro-fit!
Seit Januar 2002 zahlen wir mit Euro-Scheinen und Münzen. Spätestens jetzt sollten auch Ihr Computer wissen, wie er das neue Währungszeichen darstellt. Um das € auf dem Bildschirm sichtbar zu machen, muss das Betriebssystem das Zeichen kennen. Mit einem einfachen Test lässt sich dies prüfen: Drücken Sie unter Windows die Tasten »Alt Gr« und »E« gleichzeitig, am Macintosh »Alt Shift D« bzw. »Alt E« (ab Mac OS 9 und OS X). Erscheint das Eurozeichen auf dem Bildschirm, ist alles in Ordnung. Erscheint es nicht, müssen Sie Hand anlegen.
Windows
Wer mit Windows 3.x oder mit Windows 95 arbeitet, muss seinen Rechner selbst auf den Euro umstellen. Microsoft stellt auf seiner Homepage dafür verschiedene Dateien zum Download bereit. Windows NT Version 3.51 benötigt ebenfalls ein Update zur Euro-Aktualisierung, Windows NT 4.0 ist erst ab dem Service Pack 5 für die neue Währung vorbereitet. Auch hier finden sich die entsprechenden Dateien auf der Microsoft-Seite zum Download. Alle nachfolgenden Windows-Versionen wie Windows 98, Windows 2000, Windows ME oder Windows XP unterstützen den Euro.
Macintosh
Seit Einführung von System 9 ist das Zeichen über die Tastenkombination »Alt« und »E« erreichbar. TrueType-Schriften (nur-Koffer-Fonts) verwenden automatisch das in der Schrift eingebaute passende Eurozeichen. Bei PostScript-Schriften (Koffer plus Printer-Font-Datei) kann ein vorhandenes Eurozeichen vom LaserWriter-8-Treiber durch ein generisches Euro aus dem »Symbol«-Font ausgetauscht werden. Abhilfe schaffen hier ein aktueller PostScript-Treiber von Adobe und die neueste Version des Adobe Type Manager (ATM).
Im Web
Um das Eurozeichen im Browser darzustellen, muss im Quellzeichen nach HTML 4.0-Standard € stehen. Voraussetzung für die Darstellung ist dabei, dass der Browser eine Schriftart zur Verfügung hat, die das Euro-Zeichen enthält.
Gruß
Happy End
Die fünfjährige Geschichte des Euro-Signets, oder: wie Schriftentwerfer und Tante Emma ein Zeichen gesund pflegen.
Wir alle haben es miterlebt: die Geburt eines neuen Schriftzeichens. Schleichend kam es über uns. Zunächst in die Zeitungen und Fachzeitschriften. Dann in die Infobroschüren der Banken und Sparkassen. Schließlich die ersten Liveauftritte in Werbeanzeigen, Kaufhäusern, auf dem Gemüsemarkt und bei Tante Emma nebenan. Inzwischen hat es auf der Computertastatur seinen Platz gefunden, und die Kinder lernen es in der Schule schreiben. Das Eurozeichen €.
Wenn Geschichte passiert, geraten Details schnell in Vergessenheit. Sicherlich wird uns die Einführung der neuen, europaweiten Währung mehr beschäftigen, als die Befindlichkeit jenes Zeichens, das diese monetäre Reform begleitet. (Typo)grafisch interessierte Menschen verfolgen jedoch mit Aufmerksamkeit einen Wimpernschlag der Semiotikgeschichte. Schließlich soll mit dem Euro nicht dasselbe passieren wie mit dem Dollar, um dessen Symbol $ sich zwar viele Legenden ranken, aber niemand genau weiß, wie es seine endgültige Form fand. Da die Euro-Einführung zudem von den Initiatoren seit dem Startschuss propagandistisch vernebelt wird, ist es an der Zeit, die 5jährigen Geschichte des Eurozeichens niederzuschreiben.
Erste Erwähnung und Vorstellung
Die Geburt des Eurozeichens verdanken wir dem Zusammentreffen verschiedener, eher zufälliger, Umstände. Der Europäische Rat beschäftigte sich nach dem Beschluss zur Einführung der neuen Währung zunächst nicht mit der Frage, ob diese wie Dollar, Yen und Pfund Sterling ein eigenes Währungssymbol erhalten solle. Zwei Mitarbeiter der Generaldirektion X der Europäischen Kommission, die für die Kommunikation der Behörde zuständig ist, suchen Anfang Dezember 1996 jedoch nach einem Emblem, das in der Euro-Einführungskampagne zum Einsatz kommen soll. Bei einem Gespräch mir Kommissionsmitglied Yves-Thibault de Silguy entsteht die Idee, das ausgewählte Motiv als Schriftzeichen für die künftige Währung zu verwenden. Der Entwurf wird auf blaue Kaschmirschals gedruckt, die auf der Tagung des Europäischen Rates in Dublin am 13. Dezember 1996 verteilt werden. Dem Symbol ist unmittelbarer Erfolg beschieden, und einen Tag später wird das Eurozeichen erstmals in der Presse abgebildet: ein Kreissegment, rechts offen, das zwei parallele Linien horizontalen kreuzen. Am 15. Juli 1997 bestätigt das Europäische Währungsinstitut, »dass ein charakteristisches kodifiziertes Symbol für die einheitliche Währung benötigt werde« und sagt seine Unterstützung für das von der Europäischen Kommission vorgestellte Symbol zu. Bereits eine Woche später veröffentlicht die Europäische Kommission eine Mitteilung zum Euro-Signet. Die Behörde fordert vorauseilend schon mal »alle Währungsverwender« dazu auf, das Zeichen dann zu benutzen, »wenn ein unverwechselbares Symbol für die Bezeichnung von Geldbeträgen in Europa, wie zum Beispiel in Preislisten und Rechnungen, auf Schecks und in sonstigen Rechtsinstrumenten, benötigt wird.«. Kurz darauf liegen zwei Abbildungen des Signets auf dem Web-Server der EU zum Download bereit, die eine neugierig wartende Gemeinde irritieren.
Ein Farbbild zeigt das Eurozeichen, gelb auf dunkelblauem Grund, also in den Hausfarben Europas, deren Druckfarben gleich mitgeliefert werden: 100 % Yellow für das Zeichen, 100 % Cyan plus 80 % Magenta für den Fond. So präsentiert man ein Logo, aber kein Zeichen. Erwartet die EU von ihren Bürgern, dass in Zukunft alle Preisauszeichnungen in Euroland auf blauem Etikett mit gelber Schrift ausgeführt werden? Noch kurioser die zweite Abbildung, eine technische Zeichnung. Sie zeigt die Euroglyphe mit ihrer Vermaßung. Aufmerksame Beobachter beginnen, eins und eins zusammenzuzählen. Zirkel? Geodreieck? Winkelmesser? Die Grafik erweckte den Eindruck einer Norm, die es zwar für ein Schutzmarke, jedoch nicht für ein Schriftzeichen geben kann. Spätestens hier wird klar: die EU hat ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Anstatt eine Vorgabe für Schriftentwerfer, Formulargestalter, Schildermacher und andere grafische Dienstleister vorzulegen, veröffentlicht sie ihre privaten Vorgaben für die Euro-Werbung. Hätten die Eurokraten einen Schriftexperten gefragt, wäre ihnen der Unterschied zwischen dem Graph(us) und dem Duktus eines Zeichens nicht entgangen. Bei einem Schriftzeichen, was das Euro-Währungszeichen ja werden will, sind die Skelettform (Graph) und deren Ausführung (Duktus) zwei grundverschiedene Dinge. Die Grundform des Großbuchstaben A beispielsweise ist in allen lateinischen Satzschriften gleich, die Ausführung durch den Schriftentwerfer hingegen ist überhaupt nicht festgelegt, außer durch den grafischen Charakter der übrigen Buchstaben einer Schrift. Aufgrund dieses Prinzips erfreuen wir uns einer großen Vielfalt an Schriften, deren Aussehen stark abweicht, die aber alle lesbar sind. Es hätte also gereicht, wenn uns Brüssel eine schwarzweiße Skizze mit dem Vermerk geliefert hätte, dass das Währungssymbol aus einem C-förmigen Bogen mit zwei horizontalen Strichen bestehe.
Seit 1997 die offizielle Vorgabe der Europäischen
Kommission: buntes Euro-Logo anstelle eines
Konzepts für ein Währungszeichen
Fertig! Breite, Strichstärke und Ausführung des Eurozeichens ergeben sich durch die Anwendung. Die Empörung internationaler Typografen über den Rohrkrepierer der EU belegen erste Kommentare, unter anderem in der comp.font-Newsgroup. Einige Auszüge: »Es ist ein Logo, und kein Schriftzeichen.« »Für Tabellen ist es unbrauchbar, weil zu breit.« »Breite, Strichstärke und Stil sind nicht Bestandteil der A-heit eines As.« »Ich habe keinen Zweifel, dass dieses Zeichen von den Europäern zu etwas brauchbarem weiterentwickelt wird, wahrscheinlich schon in den ersten Monaten seiner Verwendung.« Der Berliner Schriftentwerfer Erik Spiekermann fasst die Empfindungen seiner Gilde zum Eurozeichen in einem FontShop-Vorwort jüngst wie folgt zusammen: »Das Währungszeichen der Europäischen Union ist ein Zufallsprodukt ... Während die EZB noch heute glaubt, sie arbeite mit einem brauchbaren Logo, haben wir Schriftentwerfer das genormte Eurozeichen als Steilvorlage verstanden: als Briefing für den Entwurf eines typografischen und funktionstüchtigen Eurozeichens.«
Der Schöpfer des Zeichens packt aus
Die warmen Worte, mit denen die EU ihre Vorlage preist, machen sie nicht brauchbarer. »Das grafische Symbol des Euro ähnelt einem E, das von deutlich markierten, horizontal parallel verlaufenden Linien durchquert wird. Es lehnt sich an den griechischen Buchstaben Epsilon an und verweist damit auf die Wiege der europäischen Kultur und auf den ersten Buchstaben des Wortes ›Europa‹. Die parallel verlaufenden Linien stehen für die Stabilität des Euro.«. Die Tatsache, dass Euro mit E anfängt ist als Erklärung für die Zeichenform mindestens so aufregend wie der Sachverhalt, dass die Ziffer 1000 drei Nullen enthält. Warum jedoch zwei parallele Linien für Stabilität stehen, darüber hätte man gerne mehr erfahren. Im März 1999 konterkariert eine Meldung der Deutschen Presseagentur (dpa) das Märchen von der bewussten Gestaltung des Eurosignets. Unter der Überschrift »An den Erfinder des Eurozeichens erinnert sich niemand mehr« berichten die deutschen Tageszeitungen, dass der Schöpfer des Eurozeichens ermittelt sei. Das dazugehörige Foto zeigt den damals 85jährigen Arthur Eisenmenger, ehemals Chefgrafiker der Europäischen Gemeinschaft (EG). Kurz bevor Eisenmenger 1974 in Rente ging, entwarf er in der Behörde für amtliche Veröffentlichungen in Luxemburg die 24 Jahre später wiederentdeckte Synthese aus den Buchstaben C und E. »Mit Tusche habe ich auf einen 20 Zentimeter breiten Zeichenkarton ohne viel zu überlegen das jetzt bekannte Logo gezeichnet.« Der Entwurf verschwand anschließend in einer Schublade. Eisenmenger, aus dessen Feder auch die Sternenkreisflagge stammt, betont gegenüber dpa, dass sein Zeichen nicht als Währungssymbol entworfen wurde: »Damals hat noch niemand an den Euro gedacht«. Über die spätere Definition des Eurozeichens als »Symbol für die Wiege der europäischen Zivilisation« durch die EU müsse er lachen: »An das alles habe ich nicht gedacht«. Mit dem Outing Eisenmengers stand fest: das Eurozeichen der EU ist tatsächlich ein Zufallsprodukt. Die Verschmelzung der Buchstaben E und C hatte Eisenmenger »ohne viel zu überlegen« gezeichnet. Kein Wunder also, daß es – ohne Anpassung – unbrauchbar für die visuelle Kommunikation im Druck und am Bildschirm ist, was unter anderem seine Verwendung in den Einführungskampagnen beweist.
Der Schwabe Arthur Eisenmenger entwarf
vor 1974 ein Signet, das 25 Jahre später
Eurozeichen genannt wird
Die Schriftentwerfer spielen nicht mit
In den folgenden Monaten nehmen sich die Schriftentwerferinnen und –entwerfer der Aufgabe an, das beste aus der Vorlage der EU zu machen. Es gilt nicht nur, das Eurozeichen für jede neu zu entwerfende Schrift ins Pflichtenheft aufzunehmen: Tausende von existierenden Schriften müssen um ein typografisch passendes Zeichen ergänzt werden. Der Berliner Typograf Henning Krause vergleicht das Auftauchen ein gänzlich neues Zeichens mit der Situation eines Orchesters, in das ein neuartiges Instrument integriert werden muss. Wo siedelt man es im Orchestergraben an? Bei den Streichern, Bläsern, Perkussionisten? Vorne, hinten, links, mitte, rechts? Welche Teile der Partitur wird das neue Instrument spielen? Musiker fragen sich: Welcher Werkstoff ist der beste, schönste, ist gut spielbar? Lieber Esche, Eiche, Buche oder Fiberglas? Die Fragen des Instrumentes, also der Form des Eurozeichens, werden durch den Schriftentwerfer beantwortet. Die Frage der Platzierung im Orchester ist bei der gängigen Arbeitsteilung hingegen eine, die von den Betriebssystemprogrammierern und Druckertreiberherstellern gelöst werden muß.
Zunächst zu den Schriftentwerfern. Der Kanon der lateinischen Schriftzeichen ist bekannt und wird – wie ein Evergreen – immer wieder neu aufgelegt und interpretiert. Insoweit verhält es sich mit der Typografie wie mit der Musik: Orchestrierung und Kompositionen sind bekannt, jedweder Diskurs wird sich daher vorrangig mit der Interpretation der jeweiligen Musik befassen, also dem Aussehen und der Wirkung der Schriften. Über die ästhetische Qualität von Schriften lässt sich vortrefflich streiten. Dies ist hier nicht das Thema. Wohl aber die Ästhetik des zu integrierenden Eurozeichens. Henning Krause ist mit seinem Büro Formgebung spezialisiert auf die »Nachrüstung« von Hauschriften großer Unternehmen mit dem Eurozeichen. Er nennt fünf objektive Kriterien, mit denen sich die Qualität der derzeit inflationär auftretenden »Euro-Lösungen« beurteilen lässt, aber auch die Qualität des Zeichens innerhalb einer Schrift:
1. Das Eurozeichen ist kein großes C mit Querstrichen; es ist schmaler und steht in verwandtschaftlicher Beziehung zu den Währungs-zeichen ¥, $, ¢ und £.
2. Wie bei Währungssymbolen in professionellen Satzschriften üblich, fällt das Eurozeichen etwas kleiner und leichter aus als die Großbuchstaben.
3. Strichstärkenverteilung und Strichenden entsprechen eher denen eines griechischen Epsilons als denen des großen C.
4. Die Querstriche müssen genügend Abstand besitzen, sonst entsteht in kleinen Schriftgraden ein fetter Balken
5. Das Eurozeichen muss formal den übrigen Zeichen einer Schrift angepaßt sein (Kontrast, Grauwert, Serifen ...)
Der Doppelbalken des Eurozeichens ist formal-ästhetische ein schwerer Brocken für Schriftentwerfer. Durch ihn liegt der Schwerpunkt des Zeichens automatisch in der Mitte, so dass es, im Vergleich zu den anderen Buchstaben einer Schrift – ohne optische Korrekturen – sehr »schwarz« wirkt. Schon aus diesem Grund muss die Strichstärke des gesamten Zeichens verringert, und der Abstand der Querstriche geweitet werden. Sicherlich wird sich mancher Schriftentwerfer dazu entschließen, den Doppelstrich zu einem zusammenzufassen.
Jedem das Seine: Berühmte Textschriften und die
von ihren Herstellern integrierten Eurozeichen
Eine Notwendigkeit hierfür besteht nicht, da es in der Vertikalen ausreichend Platz gibt – anders beim Dollarzeichen, dessen senkrechte Doppelstriche sehr früh verschmolzen. Die exakte Kreisform des Euro-Logos ist für 99 Prozent der bekannten Satzschriften unbrauchbar, ja eigentlich fällt einem spontan nur die serifenlose Schrift ITC Avant Garde ein (und da die Strichstärke Book), zu der es nahezu unverändert passen könnte. Erschwerend hinzu kommt, das die links überstehenden Doppelstriche das Zeichen noch breiter machen, als es durch die runde Form ohnehin schon ist. Maßgeblich für die Breite des Zeichens ist der Raum, den die Ziffern einer Schrift einnehmen. Dies gilt insbesondere für jene Schriften, die man für das Gestalten von Geschäftsberichten verwenden möchte, sowie für alle Korrespondenzschriften (zum Beispiel Courier) und Fonts im Bereich Rechnungswesen. Hier ist das Erstellen von Tabellen gang und gäbe, und da darf ein Währungszeichen nicht aus den Spalten ausbrechen. Dieser Anspruch bedeutet nicht automatisch, dass das Eurozeichen exakt die Breite der Ziffern aufweisen muss, aber zusammen mit dem Freiraum davor und dahinter muss es die gleiche Fläche wie die Zahlen einnehmen. Beim Gestalten von Eurozeichen für Werkschriften, aus denen Bücher und lange Texte gesetzt werden, haben Entwerfer mehr Freiheit. Meist kommen hier sowieso die gefälligeren Ziffern mit Ober- und Unterlängen zum Einsatz (Mediävalziffern: 123456789), die unterschiedlich viel Platz beanspruchen und sich so harmonisch in den Text einfügen. Da darf dann auch das Eurozeichen aus der Reihe tanzen. Soviel zum Aussehen.
Die Eigenschaften eines typografisch korrekten Eurozeichens
1. formale Verwandtschaft zu den Währungszeichen
2. etwas kleiner und leichter als Großbuchstaben
3. formal näher am kleinen c als am großen C
4. beansprucht gleichen Raum wie Ziffern
5. Querstriche in ausreichendem Abstand
6. Kontrast, Grauwert, Serifen ... wie Grundschrift
Apple und Microsoft gehen getrennte Wege
Neben der Form des Eurozeichens taucht im Zusammenhang mit dem Schreiben und Textgestalten am Computer eine weitere Frage auf: Wohin mit dem neuen Buchstaben? Während Microsoft für das Betriebssystem Windows eine vorbildliche Lösung präsentierte, die Unterbringung des neuen Zeichens zusätzlich zu den gewohnten unter der Tastenkombination Alt Gr-E (Dezimalposition 128), tauschte Apple das vormalige Currency-Zeichen § gegen das Eurozeichen aus. Damit könnte man leben, denn das Zeichen benutzte sowieso niemand. Doch anstatt die Tastaturposition für diesen Zweck freizugeben, schießt Apple mit Einführung des neuen Betriebssystems 8.5, neuer Druckertreiber und einem neuen Symbol-Font über das Ziel hinaus: jedes Zeichen auf der Position des Currency-Symbols wird automatisch durch ein generisches Eurozeichen aus dem aktualisierten Symbol-Zeichensatz ersetzt. Damit ist die Botschaft der EU unglücklicherweise bei einem sehr einflussreichen Empfänger auf fruchtbarem Boden gelandet, der nahm sie wortwörtlich und ist nun für die millionenfache Verbreitung des unbrauchbaren Eurozeichens verantwortlich. Dies ist umso ärgerlicher, als Schriftherstellern frühzeitig von Apple signalisiert wurde, daß für das Eurozeichen die Position des Currency geräumt würde, nicht jedoch, daß die Entwerfer sich die Mühe des Entwurfs für die von Gestaltern so geliebte Macintosh-Plattform sparen können. In der Praxis stellt sich die Apple-Systempolitik bisweilen wie folgt dar: Ich schreibe mit einer Schrift, die ein typografisch korrektes Eurozeichen enthält, sehe dieses sogar am Bildschirm, bevor es der Druckertreiber bei der Ausgabe durch das generische Logo austauscht. Und so muss Microsoft ausnahmsweise mal gelobt werden für die firmentypische Ignoranz von Normen und Standards. Durch ein eigenes Encoding der Mac-Schriften oder durch das Umschalten eines Substitutions-Schalters im LaserWriter-8-Treiber (in der PRFS-Ressource mit dem Programm ResEdit) kann man auch Apple-Drucker dazu überreden, an der dafür vorgesehenen Stelle ein gestaltetes Eurozeichen zu Papier zu bringen. Der Preis einer solchen Insellösung sind freilich Komplikationen beim plattformübergreifenden Arbeiten.
Ziviler Ungehorsam: je extremer die Schriftform,
umso größer die Distanz zur Eurozeichen-Norm der EU
Die Schrifthersteller und ihr Euro-Lösungen
Das Jahr 2001 wird vielen Schriftbenutzern als das Eurozeichen-Chaosjahr in Erinnerung bleiben. Neben der Form des Zeichen und seiner Position in den Zeichensätzen schwebt ein dritte Gewitterwolke über dem Euro: die Update-Politik der Schriftenhäuser, also der Verleger von PostScript- und TrueType-Schriften. Ihnen verdanken wir zur Zeit vier Wege, die zum typografisch brauchbaren Eurozeichen führen. 1. Eurosammelfonts. Eine Notlösung, die zum Beispiel von den Herstellern Adobe, Babylon Schriftkontor (ehemals: Berthold), Elsner + Flake und LinotypeLibrary angeboten werden. Ein Font enthält 20 bis 100 verschieden gestaltete Eurozeichen, von denen sich der Anwender die zu seinen Schriften am besten passenden Formen aussuchen kann. Der einzige Vorteil dieser Lösung ist, dass es diese Sammelschriften meistens geschenkt gibt. Der ständige Schriftwechsel und die letztendlich doch nicht passenden Zeichen sprechen gegen diese Lösung. Besser als das Original-EU-Symbol sind sie aber allemal.
Auf einer alten Schreibmaschinen und in
Textverarbeitungen lässt sich das Eurozeichen
so simulieren: C tippen, Rücktaste, = tippen.
2. Schriftenupdates. Sofern sie bereits lieferbar sind, ist das der richtige Weg. Sie kosten zwischen 50 Prozent des ursprünglichen Schriftenpreises (Agfa-Monotype, Linotype) und nichts (FontFont). Der einzige Haken hierbei ist, dass viele Schrifthersteller mit der Aktualisierung ihrer Bibliotheken hoffnungslos im Hintertreffen liegen. Ein Grund dafür ist die verworrene Betriebsystempolitik von Apple und Microsoft sowie von Adobe: erst musste das Eurozeichen »Currency« heißen, damit der Adobe Type Manager (ATM) es richtig behandelt, seit der ATM-Version 4.6 muss es den PostScript-Namen »Euro« tragen.
3. Neue Schriften. Alle neue gestalteten Schriften, die seit 2000 herauskommen, sollten das passende Eurozeichen enthalten. Das hilft jenen Anwendern nicht weiter, die auf ihre bestehende Font-Bibliothek angewiesen sind. Anderen ist die Euro-Einführung ein willkommener Anlass dafür, den angestaubten Schriftenvorrat einmal kritisch zu durchforsten und sich mit neueren, technisch und ästhetisch verbesserten Daten zu versorgen. Besonders zu erwähnen sind da die Neuinterpretationen der Linotype-Klassiker Neue Helvetica, Frutiger, Univers und Syntax, die alle – wenn möglich von den Originalentwerfern – generalüberholt, erweitert und mit passenden Eurozeichen versehen wurden. Auf Hybrid-CDs gibt es diese Neuauflagen für Mac und Windows zu attraktiven Preisen, inklusive Multilizenz für mindestens fünf Rechner.
4. Gestaltung und Einbau eines Eurozeichens. Dies ist zweifellos die perfekteste Lösung, vergleichbar mit dem Maßanzug. Sie garantiert nicht nur, dass ein typografisch perfektes Eurozeichen in die vorhandene Schrift kommt, sondern auch die Kompatibilität zu allen elektronisch verfügbaren Dokumenten. Denn wer weiß, was bei den unter 2 erwähnten Updates noch alles an den Fonts ausgebessert wurde? Schon ein korrigierter Kerning-Wert kann dafür sorgen, dass bestehende Dokumente mit der aktualisierten Schrift anders umbrechen. Der Eigenmächtigkeit und dem typografischen Anspruch der Schriftszene ist es zu verdanken, dass das Eurozeichen in Zukunft kein Fremdkörper in Drucksachen und elektronischen Dokumenten sein muss. Die Benutzer haben es in der Hand. Sie müssen die richtige Wahl beim Einkauf der Schriften und deren Verwendung treffen. Die kommenden Monate werden uns mit einer Vielzahl mutig gestalteter Eurozeichen beglücken. Dazu leisten nicht nur die professionellen Schriftentwerfer ihren Beitrag, sondern auch ungezählte typografischen Laien, die in Handel und Gewerbe – meist von Hand – Preisauszeichnungen vornehmen.
So machen Sie Ihren Computer Euro-fit!
Seit Januar 2002 zahlen wir mit Euro-Scheinen und Münzen. Spätestens jetzt sollten auch Ihr Computer wissen, wie er das neue Währungszeichen darstellt. Um das € auf dem Bildschirm sichtbar zu machen, muss das Betriebssystem das Zeichen kennen. Mit einem einfachen Test lässt sich dies prüfen: Drücken Sie unter Windows die Tasten »Alt Gr« und »E« gleichzeitig, am Macintosh »Alt Shift D« bzw. »Alt E« (ab Mac OS 9 und OS X). Erscheint das Eurozeichen auf dem Bildschirm, ist alles in Ordnung. Erscheint es nicht, müssen Sie Hand anlegen.
Windows
Wer mit Windows 3.x oder mit Windows 95 arbeitet, muss seinen Rechner selbst auf den Euro umstellen. Microsoft stellt auf seiner Homepage dafür verschiedene Dateien zum Download bereit. Windows NT Version 3.51 benötigt ebenfalls ein Update zur Euro-Aktualisierung, Windows NT 4.0 ist erst ab dem Service Pack 5 für die neue Währung vorbereitet. Auch hier finden sich die entsprechenden Dateien auf der Microsoft-Seite zum Download. Alle nachfolgenden Windows-Versionen wie Windows 98, Windows 2000, Windows ME oder Windows XP unterstützen den Euro.
Macintosh
Seit Einführung von System 9 ist das Zeichen über die Tastenkombination »Alt« und »E« erreichbar. TrueType-Schriften (nur-Koffer-Fonts) verwenden automatisch das in der Schrift eingebaute passende Eurozeichen. Bei PostScript-Schriften (Koffer plus Printer-Font-Datei) kann ein vorhandenes Eurozeichen vom LaserWriter-8-Treiber durch ein generisches Euro aus dem »Symbol«-Font ausgetauscht werden. Abhilfe schaffen hier ein aktueller PostScript-Treiber von Adobe und die neueste Version des Adobe Type Manager (ATM).
Im Web
Um das Eurozeichen im Browser darzustellen, muss im Quellzeichen nach HTML 4.0-Standard € stehen. Voraussetzung für die Darstellung ist dabei, dass der Browser eine Schriftart zur Verfügung hat, die das Euro-Zeichen enthält.
Gruß
Happy End