Von Yvonne Esterhazy, Washington, Christian Thiele, Berlin
Die US-Regierung will ihre Nuklearstrategie gänzlich neu ausrichten. Zeitungsmeldungen zufolge hat das Pentagon in einem Bericht die Entwicklung neuer, begrenzt einsetzbarer Atomwaffen gefordert.
Iran, Irak, Libyen, Syrien, Nordkorea, China und Russland werden als mögliche Ziele genannt. Außenminister Colin Powell bestätigte die Berichte.
Während des Kalten Krieges galten Atomwaffen als Garanten der Abschreckung zwischen den Supermächten. Wegen ihrer verheerendem Zerstörungskraft wurden sie aber kaum als einzusetzende Kampfmittel betrachtet. Mit der nun öffentlich gewordenen "Nuclear Posture Review" hat Washington erstmals nach dem Zerfall der Sowjetunion eine konkrete Anwendungsstrategie für Nuklearwaffen entwickelt. Die brisante Veröffentlichung dürfte in Europa und in arabischen Ländern auf Empörung stoßen.
Neue Mini-Atombomben
Nach einem Bericht der "New York Times" plant das Verteidigungsministerium den Einsatz von Kernwaffen in Regionalkonflikten. Das 56-seitige Papier liegt der US-Zeitung vor. Zu den Szenarien zählen "ein Angriff Iraks auf Israel oder die Nachbarstaaten, eine nordkoreanische Attacke auf Südkorea oder eine militärische Konfrontation um den Status von Taiwan". Auch für die Zerstörung gegnerischer Arsenale von Bio- oder Chemiewaffen werden Nuklearschläge erwogen. Daher raten die Verfasser des Papiers zur Entwicklung von "Mini-Atomwaffen" mit begrenzter radioaktiver Strahlung. Außerdem empfehle sich der Kernwaffeneinsatz bei einer "überraschenden militärischen Lage".
Das in wesentlichen Teilen geheime Papier war bereits im Januar einzelnen Kongressabgeordneten zugeleitet worden, ehe am Samstag die "Los Angeles Times" aus dem Report zitierte.
Verheerende Antwort folgt
US-Außenminister Colin Powell bemühte sich am Sonntag, die Brisanz des Reports herunterspielen: "Zum jetzigen Zeitpunkt ist auf kein Land dieser Erde routinemäßig eine US-Atomwaffe gerichtet", sagte er im TV-Sender CBS. Washington müsse sich aber ständig auf neue Bedrohungen einstellen. Der Bericht sei Teil von "weisen, militärischen Planungen", so Powell. Er betonte, dass es nicht um die Entwicklung neuer Atomwaffen gehe, sondern um die Modernisierung alter Bestände. Condoleezza Rice, Sicherheitsberaterin von US-Präsident Bush, sagte, die einzige Möglichkeit, Anwender von Massenvernichtungswaffen abzuschrecken, sei, ihnen klar zu machen, dass eine verheerende Antwort folgen würde."
Die Auflistung arabischer Länder in dem Bericht dürfte die Reise von US-Vizepräsident Dick Cheney nach Großbritannien und in den Nahen Osten belasten. Am Montag wird Cheney in London Premierminister Tony Blair treffen, der bereits wegen seiner Unterstützung eines möglichen US-Angriffes auf Irak in Partei und Regierung unter Druck geraten ist.
© 2002 Financial Times Deutschland
Die US-Regierung will ihre Nuklearstrategie gänzlich neu ausrichten. Zeitungsmeldungen zufolge hat das Pentagon in einem Bericht die Entwicklung neuer, begrenzt einsetzbarer Atomwaffen gefordert.
Iran, Irak, Libyen, Syrien, Nordkorea, China und Russland werden als mögliche Ziele genannt. Außenminister Colin Powell bestätigte die Berichte.
Während des Kalten Krieges galten Atomwaffen als Garanten der Abschreckung zwischen den Supermächten. Wegen ihrer verheerendem Zerstörungskraft wurden sie aber kaum als einzusetzende Kampfmittel betrachtet. Mit der nun öffentlich gewordenen "Nuclear Posture Review" hat Washington erstmals nach dem Zerfall der Sowjetunion eine konkrete Anwendungsstrategie für Nuklearwaffen entwickelt. Die brisante Veröffentlichung dürfte in Europa und in arabischen Ländern auf Empörung stoßen.
Neue Mini-Atombomben
Nach einem Bericht der "New York Times" plant das Verteidigungsministerium den Einsatz von Kernwaffen in Regionalkonflikten. Das 56-seitige Papier liegt der US-Zeitung vor. Zu den Szenarien zählen "ein Angriff Iraks auf Israel oder die Nachbarstaaten, eine nordkoreanische Attacke auf Südkorea oder eine militärische Konfrontation um den Status von Taiwan". Auch für die Zerstörung gegnerischer Arsenale von Bio- oder Chemiewaffen werden Nuklearschläge erwogen. Daher raten die Verfasser des Papiers zur Entwicklung von "Mini-Atomwaffen" mit begrenzter radioaktiver Strahlung. Außerdem empfehle sich der Kernwaffeneinsatz bei einer "überraschenden militärischen Lage".
Das in wesentlichen Teilen geheime Papier war bereits im Januar einzelnen Kongressabgeordneten zugeleitet worden, ehe am Samstag die "Los Angeles Times" aus dem Report zitierte.
Verheerende Antwort folgt
US-Außenminister Colin Powell bemühte sich am Sonntag, die Brisanz des Reports herunterspielen: "Zum jetzigen Zeitpunkt ist auf kein Land dieser Erde routinemäßig eine US-Atomwaffe gerichtet", sagte er im TV-Sender CBS. Washington müsse sich aber ständig auf neue Bedrohungen einstellen. Der Bericht sei Teil von "weisen, militärischen Planungen", so Powell. Er betonte, dass es nicht um die Entwicklung neuer Atomwaffen gehe, sondern um die Modernisierung alter Bestände. Condoleezza Rice, Sicherheitsberaterin von US-Präsident Bush, sagte, die einzige Möglichkeit, Anwender von Massenvernichtungswaffen abzuschrecken, sei, ihnen klar zu machen, dass eine verheerende Antwort folgen würde."
Die Auflistung arabischer Länder in dem Bericht dürfte die Reise von US-Vizepräsident Dick Cheney nach Großbritannien und in den Nahen Osten belasten. Am Montag wird Cheney in London Premierminister Tony Blair treffen, der bereits wegen seiner Unterstützung eines möglichen US-Angriffes auf Irak in Partei und Regierung unter Druck geraten ist.
© 2002 Financial Times Deutschland