Unfall oder Methode?
Die Kritik an der Deutschen Bank bei der Umplatzierung der Telekom-Aktien ist ungerechtfertigt
Chinesische Mauern
Von Bernd Niquet
Die Berliner Mauer wurde am 13.August 1961 errichtet und steht heute schon lange nicht mehr. Die Chinesische Mauer hingegen wurde bereits im Jahr 221 vor Christus errichtet und steht heute immer noch. Wer deshalb die Trennung zwischen dem Handels- und dem Analysebereich der Bankhäuser mit dem Begriff "Chinesische Mauer" bezeichnet, ist in etwa so gescheit, als wenn er die Berliner Mauer tatsächlich für einen "antifaschistischen Schutzwall" gehalten hätte.
Der Tatvorgang
In der vergangenen Woche hat die Deutsche Bank 44 Millionen Telekom-Aktien eines ungenannten Verkäufers über den Markt umplatziert, wodurch der Kurs deutlich ins Rutschen kam und zeitweise bis auf 18,75 Euro gefallen war. Doch mag dies noch auf eine gewisse Ungeschicklichkeit bei der Durchführung zurückzuführen sein, so hat eine andere Tatsache jedoch zu allerhöchster Verstimmung der Börsenszenerie geführt: Parallel zur Ausführung dieser großen Verkaufsorder hat die Deutsche Bank eine Kaufstudie über die Telekom herausgegeben und darin das äußerst optimistische Kursziel von 31 Euro genannt.
Jetzt nun ist das Kind in den Brunnen gefallen und folglich das Geschrei riesengroß: Denn bereits im Jahr 1999 hat das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel seine Compliance Richtlinien verabschiedet, in denen eine bestmögliche Verwirklichung der gegenseitigen Abtrennung vertraulicher Bereiche angeraten wird. Doch seien wir einmal ehrlich: Wer glaubt an so etwas im Ernst? Man muss sich daher also auch mehr darüber wundern, dass in den Medien und Aktionärskreisen tatsächlich über so etwas wie "Chinesische Mauern" diskutiert wird, als darüber, dass jetzt so ein dicker Fisch publik geworden ist.
Banken verkaufen Aktien
Oder haben Sie schon einmal einen Lobbyisten der Alkoholindustrie gesehen, der Alkohol als gesundheitsgefährdend bezeichnet hat? Einen hochrangigen Vertreter der Tabakindustrie, der auf die Krebsgefahr beim Rauchen hingewiesen hat? Oder einen Waffenhändler, der gegen den Krieg gewettert hat? Banken verkaufen Aktien. Und wer etwas verkaufen will, muss andere dazu bringen, diese Produkte zu kaufen. Genau aus diesem - und aus keinem anderen Grund - stehen deshalb auch die überwiegende Anzahl der Bankempfehlungen stets auf "kaufen". Nur deshalb und keineswegs, weil die Banken in irgendeiner Weise optimistisch wären. Banken sind vielmehr saupessimistisch, denn ansonsten würden sie ihre Kreditportfolios nicht zum Schaden unserer Volkswirtschaft so drastisch herunterfahren.
Banken sind so dermaßen pessimistisch bezüglich der Zukunft, dass sie überhaupt kein Engagement mehr eingehen wollen und nur noch von der Hand in den Mund, sprich von Provisionseinnahmen leben wollen. Aus den starken Händen der Vermögensverwaltung sind fliegende Händler geworden. Doch Händler verkaufen nur, wenn sie ihre Angebote so aggressiv wie möglich herausschreien. Der Besuch eines Wochenmarktes mag daher jedem Anleger, der noch gewissen romantischen Vorstellungen über die Funktionsweise der Börse anhängig ist, durchaus die Augen öffnen. Doch an der Börse läuft das natürlich ein wenig perfider ab.
Sinn und Unsinn von Chinesischen Mauern
Wie kann man also nur so naiv sein und an die "Chinesischen Mauern" glauben? Wie sollte sich denn eine fundierte Analyseabteilung einer Bank überhaupt finanzieren, wenn nicht als Zuarbeiter für den Sales-Bereich? Alleine daran sieht man bereits den Unsinn der "Chinesischen Mauern": Wertapieranalyse ist kein Altruismus, sondern ein Verkaufsargument.
Doch mittlerweile anscheinend nicht einmal mehr ein gutes: Seitdem anscheinend nur noch die wenigsten Anleger den Bankenempfehlungen glauben, so scheint dieser Trend mittlerweile nun selbst die Banken erreicht zu haben. Denn 44 Millionen Telekom Aktien zu etwa 20 Euro gekauft und bei einem Kursziel von über 30 Euro wieder herausgegeben, hätte doch einen Gewinn von schlappen 50 Prozent beziehungsweise 440 Millionen Euro bedeutet. Immerhin fast eine Milliarde Mark!Kritik an der Deutschen Bank bei der Umplatzierung der Telekom-Aktien ist ungerechtfertigt Die
Wir sollten daher also, so denke ich, die Deutsche Bank nicht zu sehr schelten: Denn anscheinend ist sie von sich selbst am meisten getroffen. Wer nämlich wenigstens sich selbst noch glaubt, der hat immerhin eine Chance, jedem Sumpf zu entsteigen. Wer hingegen nicht einmal den eigenen Worten mehr Glauben schenkt, der ist sicherlich rettungslos verloren. Umso besser für die deutsche Aktienkultur.
Die Kritik an der Deutschen Bank bei der Umplatzierung der Telekom-Aktien ist ungerechtfertigt
Chinesische Mauern
Von Bernd Niquet
Die Berliner Mauer wurde am 13.August 1961 errichtet und steht heute schon lange nicht mehr. Die Chinesische Mauer hingegen wurde bereits im Jahr 221 vor Christus errichtet und steht heute immer noch. Wer deshalb die Trennung zwischen dem Handels- und dem Analysebereich der Bankhäuser mit dem Begriff "Chinesische Mauer" bezeichnet, ist in etwa so gescheit, als wenn er die Berliner Mauer tatsächlich für einen "antifaschistischen Schutzwall" gehalten hätte.
Der Tatvorgang
In der vergangenen Woche hat die Deutsche Bank 44 Millionen Telekom-Aktien eines ungenannten Verkäufers über den Markt umplatziert, wodurch der Kurs deutlich ins Rutschen kam und zeitweise bis auf 18,75 Euro gefallen war. Doch mag dies noch auf eine gewisse Ungeschicklichkeit bei der Durchführung zurückzuführen sein, so hat eine andere Tatsache jedoch zu allerhöchster Verstimmung der Börsenszenerie geführt: Parallel zur Ausführung dieser großen Verkaufsorder hat die Deutsche Bank eine Kaufstudie über die Telekom herausgegeben und darin das äußerst optimistische Kursziel von 31 Euro genannt.
Jetzt nun ist das Kind in den Brunnen gefallen und folglich das Geschrei riesengroß: Denn bereits im Jahr 1999 hat das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel seine Compliance Richtlinien verabschiedet, in denen eine bestmögliche Verwirklichung der gegenseitigen Abtrennung vertraulicher Bereiche angeraten wird. Doch seien wir einmal ehrlich: Wer glaubt an so etwas im Ernst? Man muss sich daher also auch mehr darüber wundern, dass in den Medien und Aktionärskreisen tatsächlich über so etwas wie "Chinesische Mauern" diskutiert wird, als darüber, dass jetzt so ein dicker Fisch publik geworden ist.
Banken verkaufen Aktien
Oder haben Sie schon einmal einen Lobbyisten der Alkoholindustrie gesehen, der Alkohol als gesundheitsgefährdend bezeichnet hat? Einen hochrangigen Vertreter der Tabakindustrie, der auf die Krebsgefahr beim Rauchen hingewiesen hat? Oder einen Waffenhändler, der gegen den Krieg gewettert hat? Banken verkaufen Aktien. Und wer etwas verkaufen will, muss andere dazu bringen, diese Produkte zu kaufen. Genau aus diesem - und aus keinem anderen Grund - stehen deshalb auch die überwiegende Anzahl der Bankempfehlungen stets auf "kaufen". Nur deshalb und keineswegs, weil die Banken in irgendeiner Weise optimistisch wären. Banken sind vielmehr saupessimistisch, denn ansonsten würden sie ihre Kreditportfolios nicht zum Schaden unserer Volkswirtschaft so drastisch herunterfahren.
Banken sind so dermaßen pessimistisch bezüglich der Zukunft, dass sie überhaupt kein Engagement mehr eingehen wollen und nur noch von der Hand in den Mund, sprich von Provisionseinnahmen leben wollen. Aus den starken Händen der Vermögensverwaltung sind fliegende Händler geworden. Doch Händler verkaufen nur, wenn sie ihre Angebote so aggressiv wie möglich herausschreien. Der Besuch eines Wochenmarktes mag daher jedem Anleger, der noch gewissen romantischen Vorstellungen über die Funktionsweise der Börse anhängig ist, durchaus die Augen öffnen. Doch an der Börse läuft das natürlich ein wenig perfider ab.
Sinn und Unsinn von Chinesischen Mauern
Wie kann man also nur so naiv sein und an die "Chinesischen Mauern" glauben? Wie sollte sich denn eine fundierte Analyseabteilung einer Bank überhaupt finanzieren, wenn nicht als Zuarbeiter für den Sales-Bereich? Alleine daran sieht man bereits den Unsinn der "Chinesischen Mauern": Wertapieranalyse ist kein Altruismus, sondern ein Verkaufsargument.
Doch mittlerweile anscheinend nicht einmal mehr ein gutes: Seitdem anscheinend nur noch die wenigsten Anleger den Bankenempfehlungen glauben, so scheint dieser Trend mittlerweile nun selbst die Banken erreicht zu haben. Denn 44 Millionen Telekom Aktien zu etwa 20 Euro gekauft und bei einem Kursziel von über 30 Euro wieder herausgegeben, hätte doch einen Gewinn von schlappen 50 Prozent beziehungsweise 440 Millionen Euro bedeutet. Immerhin fast eine Milliarde Mark!Kritik an der Deutschen Bank bei der Umplatzierung der Telekom-Aktien ist ungerechtfertigt Die
Wir sollten daher also, so denke ich, die Deutsche Bank nicht zu sehr schelten: Denn anscheinend ist sie von sich selbst am meisten getroffen. Wer nämlich wenigstens sich selbst noch glaubt, der hat immerhin eine Chance, jedem Sumpf zu entsteigen. Wer hingegen nicht einmal den eigenen Worten mehr Glauben schenkt, der ist sicherlich rettungslos verloren. Umso besser für die deutsche Aktienkultur.