Trotz Sonderangeboten und hoher Cash-Reserven sind viele Unternehmen für Käufer nicht attraktiv
(Stephan Kaufmann)
BERLIN, 18. Mai. Am Neuen Markt gibt es derzeit viele Unternehmen zum Sonderangebot. Um durchschnittlich 70 Prozent haben sich die Firmen auf Jahressicht verbilligt, einige um über 90 Prozent. Diese Unternehmen sind nicht nur billig zu haben. Sie sitzen auch auf hohen Cash-Reserven. "Damit könnte eine Übernahme direkt mit den Cash-Beständen des akquirierten Unternehmens finanziert werden", so Stefan Schießer, Analyst bei der GZ Bank. Doch seiner Ansicht nach lohnt sich bei den meisten der Billig-Firmen weder die Ausschlachtung noch die Weiterführung des Geschäfts. Sie sind zu schlecht.
Prall gefüllte Kassen
Der monatelange Kursverfall am Neuen Markt hat von vielen Unternehmen kaum etwas übrig gelassen. Internolix verbilligten sich um 94 Prozent, die Mediantis-Aktie büßte seit Anfang 2000 mehr als 95 Prozent ein ebenso wie CPU Software. CPU verfügt nur noch über eine Marktkapitalisierung von 13 Millionen Euro (rund 25 Millionen Mark), Blue C New Economy kostet zehn Millionen Euro und wer Mediantis kaufen wollte, der müsste nur 9,8 Millionen Euro ausgeben.
Doch die Übernahmekandidaten sind nicht nur billig. Ihre Kasse ist auch noch prall gefüllt, zum Teil mit den Erlösen aus dem Börsengang. Nach einer Untersuchung von GZ Research sind die liquiden Mittel von Mediantis oder Mediascape rund doppelt so hoch wie der Börsenwert der Unternehmenen.
Analyst Schießer hat den Unternehmenswert der 338 Neuer-Markt-Firmen berechnet. Dieser Wert stellt die Marktkapitalisierung den Nettoguthaben gegenüber. "Liegt die Marktkapitalisierung unter dem Nettoguthaben, so ist der Unternehmenswert negativ", erklärt Schießer. Denn das Unternehmen ist geringer bewertet als seine gesamten Cash-Reserven. Dies war Ende April bei sieben Prozent aller Neuer-Markt-Firmen der Fall. Negative Unternehmenswerte lassen die Übernahme einer Gesellschaft interessant erscheinen. Denn der Übernehmer könnte den Kauf direkt aus den Cash-Beständen des akquirierten Unternehmens bezahlen.
Nun hoffen viele enttäuschte Aktionäre am Neuen Markt auf Übernahmeofferten, die die Kurse ihrer geschundenen Papiere wieder steigen lassen könnten. Doch so einfach ist die Sache nicht. Denn wenn das übernommene Unternehmen anschließend zerschlagen wird, kommen hohe Kosten auf den Käufer zu. So drohen zum Beispiel mögliche Vertragsstrafen aus langfristigen Verträgen oder hohe Abfindungen für Mitarbeiter. Alternativ kann sich der Käufer auch für eine Fortführung des Unternehmens entscheiden. "Hierfür wäre es aber notwendig, dass das Übernahmeobjekt neben den liquiden Mitteln auch über weitere werthaltige Assets verfügt", so Schießer. Derartige Assets wären beispielsweise erfolgreiche Produkte oder Technologien, eine etablierte Marke oder eine solide Kundenbasis. "Aus unserer Sicht muss man jedoch feststellen, dass die angesprochenen Assets in den wenigsten Fällen vorhanden sind oder überhaupt werthaltig sind", sagte Schießer. Dies sei auch logisch - war es doch gerade dieser Mangel, der die Kurse am Neuen Markt abstürzen ließ.
Zudem besteht die Gefahr, dass nach einer Übernahme auch noch die besten Mitarbeiter des Unternehmens abwandern. "Sollten wichtige Mitarbeiter in Schlüsselpositionen gehen, so kann das gerade bei Technologie-Unternehmen sehr negative Folgen haben", warnt Schießer. "Dies gilt besonders dann, wenn das Humankapital ein wichtiges Übernahmemotiv dargestellt hat." Eine weitere Bremse für potenzielle Käufer ist die Aktionärsstruktur. Bei vielen Gesellschaften am Neuen Markt erlaubt die aktuelle Eigentümerstruktur gar keine Übernahme, denn ein Großteil der Aktien ist in festem Besitz.
Warnung an die Anleger
Fazit: Viele Geschäftsmodelle am Neuen Markt sind so schlecht, dass ein Übernehmer sie nicht mal quasi geschenkt haben will. "Die Probleme im operativen Geschäft sind bei den meisten Gesellschaften mit negativem Unternehmenswert so gravierend, dass sich eine Übernahme auch unter Berücksichtigung der hohen liquiden Mittel nicht lohnen würde", folgert Schießer.
Ein negativer Unternehmenswert ist auch eine deutliche Warnung an alle Anleger, die sich jetzt billig mit Neuer-Markt-Aktien eindecken wollen. Jeder Investor sollte sich darüber im Klaren sein, was es bedeutet, wenn die Marktkapitalisierung unterhalb der liquiden Mittel liegt: Das operative Geschäft ist aus Sicht der Börse schlicht nichts wert. "Und mit dieser Einschätzung liegt der Kapitalmarkt in vielen Fällen richtig", meint Schießer.
Quelle: www.berlinonline.de/aktuelles/...g/wirtschaft/.html/40337.html
(Stephan Kaufmann)
BERLIN, 18. Mai. Am Neuen Markt gibt es derzeit viele Unternehmen zum Sonderangebot. Um durchschnittlich 70 Prozent haben sich die Firmen auf Jahressicht verbilligt, einige um über 90 Prozent. Diese Unternehmen sind nicht nur billig zu haben. Sie sitzen auch auf hohen Cash-Reserven. "Damit könnte eine Übernahme direkt mit den Cash-Beständen des akquirierten Unternehmens finanziert werden", so Stefan Schießer, Analyst bei der GZ Bank. Doch seiner Ansicht nach lohnt sich bei den meisten der Billig-Firmen weder die Ausschlachtung noch die Weiterführung des Geschäfts. Sie sind zu schlecht.
Prall gefüllte Kassen
Der monatelange Kursverfall am Neuen Markt hat von vielen Unternehmen kaum etwas übrig gelassen. Internolix verbilligten sich um 94 Prozent, die Mediantis-Aktie büßte seit Anfang 2000 mehr als 95 Prozent ein ebenso wie CPU Software. CPU verfügt nur noch über eine Marktkapitalisierung von 13 Millionen Euro (rund 25 Millionen Mark), Blue C New Economy kostet zehn Millionen Euro und wer Mediantis kaufen wollte, der müsste nur 9,8 Millionen Euro ausgeben.
Doch die Übernahmekandidaten sind nicht nur billig. Ihre Kasse ist auch noch prall gefüllt, zum Teil mit den Erlösen aus dem Börsengang. Nach einer Untersuchung von GZ Research sind die liquiden Mittel von Mediantis oder Mediascape rund doppelt so hoch wie der Börsenwert der Unternehmenen.
Analyst Schießer hat den Unternehmenswert der 338 Neuer-Markt-Firmen berechnet. Dieser Wert stellt die Marktkapitalisierung den Nettoguthaben gegenüber. "Liegt die Marktkapitalisierung unter dem Nettoguthaben, so ist der Unternehmenswert negativ", erklärt Schießer. Denn das Unternehmen ist geringer bewertet als seine gesamten Cash-Reserven. Dies war Ende April bei sieben Prozent aller Neuer-Markt-Firmen der Fall. Negative Unternehmenswerte lassen die Übernahme einer Gesellschaft interessant erscheinen. Denn der Übernehmer könnte den Kauf direkt aus den Cash-Beständen des akquirierten Unternehmens bezahlen.
Nun hoffen viele enttäuschte Aktionäre am Neuen Markt auf Übernahmeofferten, die die Kurse ihrer geschundenen Papiere wieder steigen lassen könnten. Doch so einfach ist die Sache nicht. Denn wenn das übernommene Unternehmen anschließend zerschlagen wird, kommen hohe Kosten auf den Käufer zu. So drohen zum Beispiel mögliche Vertragsstrafen aus langfristigen Verträgen oder hohe Abfindungen für Mitarbeiter. Alternativ kann sich der Käufer auch für eine Fortführung des Unternehmens entscheiden. "Hierfür wäre es aber notwendig, dass das Übernahmeobjekt neben den liquiden Mitteln auch über weitere werthaltige Assets verfügt", so Schießer. Derartige Assets wären beispielsweise erfolgreiche Produkte oder Technologien, eine etablierte Marke oder eine solide Kundenbasis. "Aus unserer Sicht muss man jedoch feststellen, dass die angesprochenen Assets in den wenigsten Fällen vorhanden sind oder überhaupt werthaltig sind", sagte Schießer. Dies sei auch logisch - war es doch gerade dieser Mangel, der die Kurse am Neuen Markt abstürzen ließ.
Zudem besteht die Gefahr, dass nach einer Übernahme auch noch die besten Mitarbeiter des Unternehmens abwandern. "Sollten wichtige Mitarbeiter in Schlüsselpositionen gehen, so kann das gerade bei Technologie-Unternehmen sehr negative Folgen haben", warnt Schießer. "Dies gilt besonders dann, wenn das Humankapital ein wichtiges Übernahmemotiv dargestellt hat." Eine weitere Bremse für potenzielle Käufer ist die Aktionärsstruktur. Bei vielen Gesellschaften am Neuen Markt erlaubt die aktuelle Eigentümerstruktur gar keine Übernahme, denn ein Großteil der Aktien ist in festem Besitz.
Warnung an die Anleger
Fazit: Viele Geschäftsmodelle am Neuen Markt sind so schlecht, dass ein Übernehmer sie nicht mal quasi geschenkt haben will. "Die Probleme im operativen Geschäft sind bei den meisten Gesellschaften mit negativem Unternehmenswert so gravierend, dass sich eine Übernahme auch unter Berücksichtigung der hohen liquiden Mittel nicht lohnen würde", folgert Schießer.
Ein negativer Unternehmenswert ist auch eine deutliche Warnung an alle Anleger, die sich jetzt billig mit Neuer-Markt-Aktien eindecken wollen. Jeder Investor sollte sich darüber im Klaren sein, was es bedeutet, wenn die Marktkapitalisierung unterhalb der liquiden Mittel liegt: Das operative Geschäft ist aus Sicht der Börse schlicht nichts wert. "Und mit dieser Einschätzung liegt der Kapitalmarkt in vielen Fällen richtig", meint Schießer.
Quelle: www.berlinonline.de/aktuelles/...g/wirtschaft/.html/40337.html