Außer Kontrolle - wie TUI sich durch die Krise wurstelt
Von Winand von Petersdorf
Der TUI-Touristiksparte geht es schlecht
13. Dezember 2006
Diesmal wird es nicht lustig. Am Donnerstag kommt der Aufsichtsrat des Touristik- und Schiffsfrachtunternehmens TUI zusammen. Tagungsort ist das mäßig schillernde Hannover. Auch das signalisiert den Ernst der Lage.
Denn der Aufsichtsrat des schon lange kränkelnden Konzerns hat durchaus schon angenehmer getagt. Auf Mallorca, wo andere Menschen Urlaub machen. Auf dem Flaggschiff der Hapag-Lloyd-Kreuzfahrtflotte, der MS Europa, machte der Aufsichtsrat einmal eine Reise. Die MS Europa ist eines der luxuriösesten Kreuzfahrtschiffe der Welt, bietet eine Suite für jeden seiner Gäste, verträumte Bars, exquisite Restaurants und sogar einen Golfspielsimulator. Natürlich kann man auch konferieren in heiterer Umgebung.
Schlechte Entwicklung ist hausgemacht
Die TUI-Tochter Hapag-Lloyd verdient kein Geld
Kein Dax-30-Konzern ist so angeschlagen wie die TUI. Nicht nur der Aktienkurs sinkt beständig, auch die Anleihen nähern sich Junk-Bond-Regionen. Das Reisegeschäft krankt und beschert keine Wachstumsphantasien mehr, wie unlängst selbst TUI-Finanzchef Reiner Feuerhake bestätigte. Und die Schiffsfrachtsparte steckt in einem tiefen Loch, weil überall auf der Welt neue Containerschiffe auf den Markt drängen und damit die Preise verderben. Die für 2007 eigentlich versprochenen Gewinne hat TUI selbst in Zweifel gezogen.
Das bemerkenswerte an dieser schlimmen Entwicklung ist, daß sie, anders als permanent suggeriert wird, hausgemacht ist. Nicht der 11. September 2001 hat das Touristikgeschäft der TUI verdorben. Dort wurde schon vorher kaum Geld verdient, wie Finanzanalysten nachweisen. „Wir haben herausgefunden, daß die Strategie von TUI, in Tourismus zu investieren, Wert zerstört hat. Und daß die Preisaufschläge, die das Unternehmen (bei Akquisitionen) regelmäßig gezahlt hat, meistens ungerechtfertigt waren. Unglücke wie das Ereignis vom 11. September 2001 können nicht für die schlechte Performance der TUI-Aktie verantwortlich gemacht werden“, schreibt der Mannheimer Ökonomieprofessor Ernst Maug in einer aufsehenerregenden Studie, die er zusammen mit den Wirtschaftswissenschaftlern Ingolf Dittmann und Christoph Schneider verfaßt hat.
Hat wenig zu lachen: Michael Frenzel
Die Wissenschaftler haben die Phase von 1997 bis 2004 untersucht, in der sich das Industriekonglomerat Preussag durch eine spektakuläre Anzahl von Zu- und Verkäufen in einen Zweispartenkonzern mit Tourismus und Schiffsfracht entwickelte. Michael Frenzel führte das Unternehmen in dieser Phase, und er machte auch nach 2004 munter weiter, indem er das Schiffsfrachtunternehmen CP Ships nach einhelliger Überzeugung außerhalb von TUI viel zu teuer kaufte, als die Schiffsfrachtraten längst schon fielen.
Kommt der Aufsichtsrat seiner Kontrollpflicht nach?
Frenzel hat nicht nur zu billig verkauft, die einstige Tochter Salzgitter AG ist heute mehr wert als TUI selbst, sondern auch zu teuer gekauft. Konsequenz ist, daß die TUI nun vermutlich hohe Abschreibungen vornehmen muß auf den Goodwill. Das ist die Differenz zwischen Kaufpreis und Buchwert eines gekauften Unternehmens. Abschreibungen sind fällig, wenn die gekauften Unternehmen weniger wert sind als gedacht.
Wenn die Dinge so stehen, wie sie stehen, dann stellt sich automatisch die Frage, ob der Aufsichtsrat seiner Pflicht zur Kontrolle nachkommt. Von den Arbeitnehmervertretern hört man selbst in diesen Tagen nur freundliche Worte über Frenzel und seine Mitstreiter. Die Gewerkschafter unterstützen Frenzel im Kampf um den Erhalt des Zweispartenkonzerns aus Touristik und Schiffsfracht, dessen Sinnhaftigkeit von langfristig orientierten Finanzinvestoren in Zweifel gezogen wird. Der Manager mit SPD-Parteibuch versteht es, Arbeitnehmervertreter zu pflegen.
Mangel an Schwergewichten
Der Londoner Fondsanleger Hermes, der unter anderem die Pensionsgelder der British-Telecom-Mitarbeiter zu sichern und mehren trachtet, hat sich in einem 13-Punkte-Papier für die Aufspaltung des Konzerns stark gemacht. Und damit gleich Gegenwehr heraufbeschworen. Der gesamte Aufsichtsrat habe sich hinter ihn gestellt, frohlockte Frenzel. Es ist ein Aufsichtsrat, dem es an Schwergewichten mit Kenntnissen in Touristik und gleichzeitig kritischer Distanz mangelt. Vorsitzender ist Jürgen Krumnow, der 1999 überraschend aus dem Vorstand der Deutschen Bank ausschied, in der Versenkung verschwand, bevor er 2004 Aufsichtsratschef werden durfte.
Ein weiterer Ehemaliger ist Franz Vranitzky, der einmal Kanzler und Finanzminister Österreichs war, das immerhin das Attribut touristisches Ziel für sich beanspruchen kann. Dietmar Kuhnt leitete früher den Energiekonzern RWE, Manfred Schneider den Chemieriesen Bayer. Er wenigstens gilt als Kritiker von Frenzels Kurs. „Gerade für ehemalige Spitzenleute hat TUI dank seiner schönen Hotels und des Tourismusprogramms mehr zu bieten als der Aufsichtsrat eines Kunststoffunternehmens“, lästert ein Investor. Zu den Aufsichtsräten auf der Kapitalseite gesellt sich noch Jella Benner-Heinancher, Geschäftsführerin der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz. Von der Rechtsanwältin heißt es, sie vertrete die Interessen von 25.000 Kleinaktionären. Sepp Dieter Heckmann leitet im Hauptberuf die Messegesellschaft von Hannover. Ein Touristikexperte allerdings ist zweifelsohne im Aufsichtsrat: Jean-Claude Baumgarten war früher Spitzenmanager bei Air France und ist Präsident des World Travel & Tourism Council.
Düstere Aussichten
Und schließlich hat es Frenzel geschafft, zwei Unterstützer in das Gremium zu holen. Abel Matutes Juan und Carmen Riu Güell vertreten Hotelgruppen, die ihre Auslastung der TUI verdanken.
Die Aussichten sind düster. Frenzel will in Großbritannien Mitarbeiter im großen Stil entlassen, nachdem das Geschäft branchenweit um mehr als fünf Prozent eingebrochen ist. Auch in Frankreich sind Brände zu löschen. In Deutschland wird die Leitung von TUI Deutschland mit der Konzernzentrale zusammengelegt. Als Gedankenspiel kursierten zudem Pläne, Immobilien wie die Hapag- Lloyd-Zentrale in Hamburg zu verkaufen.
Quelle:faz