T-Online: 94 Millionen junge Namensaktien

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T-Online: 94 Millionen junge Namensaktien

 
02.04.00 13:10
Darmstadt (dpa) - Die Anleger werden noch weniger T-Online-Aktien
zeichnen können als erwartet. Statt 100 Millionen Stück wird die
Telekom-Tochter bei ihrem Börsengang am 17. April nur bis zu 94 Millionen
Aktien auf den Markt werfen.

Das geht aus einer Zeitungsanzeige der T-Online International AG
(Darmstadt) vom Samstag hervor. Die Deutsche Telekom will den Großteil
der Aktien nicht breit streuen, sondern als «Währung» für Firmenkäufe
zurück halten.

Nach einer Forsa-Umfrage will jeder fünfte Deutsche Aktien der Telekom-Tochter zeichnen. Die
Emission wäre dann stark überzeichnet. Für diesen Frnet am Sonntag für einen Pauschalpreis von fünf
DM schmackhaft gemacht werden.

Die jungen Aktien sollen aus einer Kapitalerhöhung kommen und auf den Namen des Aktionärs lauten.
Sie werden rechnerisch einen Anteil von einem Euro am Grundkapital haben. Die Papiere sind alle für das
laufende Jahr voll dividendenberechtigt. Allerdings erwartet Oppenheim Finanzanalyse dem
Nachrichtenmagazin Focus zufolge, dass T- Online in diesem Jahr 195 Millionen DM Verlust schreiben
wird.

Die Zeichnungsfrist beginnt an diesem Montag und läuft bis zum 12. April. Das Bankenkonsortium, das
den Börsengang begleitet, wird von Dresdner Kleinworth Benson, der Commerzbank und Goldman Sachs
geführt. Die erste Notierung von T-Online soll am 17. April erfolgen, voraussichtlich am geregelten
Markt oder am Neuen Markt.
vanSee:

Der riskante Börsengang von T-Online

 
02.04.00 14:43
Reich werden mit Robert?

  Mit dem Börsengang der Internet-Tochter T-Online will Telekom-Chef Ron Sommer Milliarden bei
  den Anlegern einsammeln und ein "Jahr der Superlative" einleiten. Doch zum Start in die heiße
  Phase rutscht die Börse weltweit in eine Schieflage.


  Für Matthias Kostya war es das ungewöhnlichste Engagement seiner Laufbahn. Sieben
  Stunden lang musste der Hamburger Schauspieler ("Buddy Holly") auf Wunsch der
  Werbeagentur Citigate SEA seinen Kopf in eine Gummimaske zwängen. Nur per Strohhalm
  konnte er sich mit Flüssignahrung verpflegen.
  Immer wieder musste Kostya kleine Reden halten, Grimassen schneiden und auf einem
  schmalen Laufsteg posieren. Jede Geste, jede Bewegung wurde von dutzenden Kameras
  aufgezeichnet, während gleichzeitig sein ganzer Körper mit Elektroden verkabelt war, die
  Verbindung zu einem Spezialcomputer hatten.

  Kostyas Engagement bei der Düsseldorfer Werbeagentur blieb im Verborgenen. Doch die von
  ihm verkörperte Kunstfigur kennt inzwischen fast jeder hier zu Lande: "Mein Name ist Online ­
  Robert T-Online", schnarrt er in James-Bond-Manier seit Wochen in Radio- und Fernsehspots,
  und nahezu täglich ist der strohblonde Yuppie auch in den Zeitungen zu finden. "Ich bin
  Internet-Insider und habe jede Menge Tipps zu einem hochinteressanten Investment", behauptet
  er.

  Vertreter sehen nach so einem Spruch meist die Tür ins Schloss fallen. Doch Roberts Einsatz
  hat die Deutschen heiß gemacht auf den größten Börsengang einer deutschen Internet-Firma:

  die Aktienemission des Telekom-Ablegers T-Online. Der nach dem US-Riesen America Online
  (AOL) zweitgrößte Online-Service der Welt soll am 17. April am Neuen Markt der Frankfurter
  Börse in den Handel kommen.

  Doch ausgerechnet zum Start der Telekom-Emission, deren Zeichnungsfrist an diesem Montag
  beginnt, droht ein Börsencrash die schöne Stimmung zu vermasseln. Ausgehend von Amerika,
  hatten im Lauf der Woche immer heftigere Eruptionen vor allem die Hightech-Werte trudeln
  lassen. Börsenlieblinge wie SAP, Ixos oder Nokia verloren innerhalb kurzer Zeit bis zu 46
  Prozent ihres Werts. "Die schönen Gewinne ­ alle bald futsch?", fragte "Bild".

  Experten prophezeien, dass es nun erst mal weiter bröckelt. Die Luft aus der
  Spekulationsblase, die sich vor allem bei den Internet-Werten gebildet hat, scheint zu
  entweichen.

  Fast wie von Sinnen hatten Anleger aus aller Welt in den letzten Monaten die ohnehin schon
  hoch notierten Aktien gekauft. Allein seit Jahresanfang stiegen Intershop, Broadvision, Ariba und
  Commerce One um bis zu 100 Prozent. Nun kehrt die Angst zurück: wochenlange Zitterbörse?
  Am Ende gar ein richtiger Crash, der Milliarden vernichtet? Noch blieb die befürchtete Panik
  aus, doch in Büros und Kneipen besprechen gebeutelte Shareholder immer ängstlicher die neue
  Lage. Aussteigen? Durchhalten? Nachkaufen?

  Pech für Ron Sommer: Mindestens sechs Milliarden Mark will der Telekom-Chef für einen
  Minianteil von knapp zehn Prozent an seinem Online-Service bei den Anlegern kassieren. Da
  Sommer, 50, gerade mal 100 Millionen Aktien verkaufen will, ist das Interesse riesengroß und
  könnte selbst den 33fach überzeichneten Börsengang des Siemens-Ablegers Infineon
  übertreffen.

  "Internet-Fantasie" heißt das Zauberwort, mit dem nicht nur Robert T-Online den Traum vom
  schnellen Geld anheizte. Auch die Analysten halfen kräftig nach: "Mit T-Online kommt ein
  Filetstück der Telekom an die Börse", schwärmte Frank Geilfuß vom Bankhaus Löbbecke.
  "Zeichnen um jeden Preis", empfahl Joeri Sels von der Privatbank Julius Bär. Sogar die
  Boulevard-Zeitungen mischten mit und schürten Neid und Angst: "Gehen wir wieder leer aus?",
  titelte vergangene Woche die "Hamburger Morgenpost".

  Trotz der miesen Börsenstimmung rechnen Experten damit, dass sich in den nächsten zwei
  Wochen hektische Szenen vor den Bankschaltern abspielen. Jeder fünfte Deutsche, so das
  Ergebnis einer Forsa-Umfrage, will die Anteilscheine der größten europäischen Internet-Firma
  kaufen, unter den Besserverdienenden hat Yuppie Robert sogar schon 40 Prozent überzeugt.

  Sie alle erwarten nur eines: zumindest eine Wiederholung des spektakulären Erfolgs der
  Telekom-Aktie, der aus Aktienmuffeln ein Volk von Shareholdern und Spekulanten gemacht hat.
  Ein Kleinanleger, der vor dreieinhalb Jahren 3000 Mark auf die Telekom setzte, hat heute ohne
  weiteres Zutun T-Aktien im Wert von mehr als 20 000 Mark im Depot.

  Das so gewonnene Vertrauen wollte Sommer jetzt für den Ableger T-Online einsetzen. Dabei ist
  der Internet-Wert nur der Anfang einer konzertierten Aktion, mit der das T-Haus in diesem Jahr
  die Anleger ködert. Im Sommer will Finanzminister Hans Eichel einen Batzen von mindestens
  300 Millionen T-Aktien verkaufen, und im November wird der Telekom-Chef selber noch einmal
  zulangen und die Handy-Tochter T-Mobil an die Börse bringen.

  "T hoch drei" nennt er den Tripelschlag, der etwa 50 Milliarden Mark ­ fast dreimal mehr als alle
  Börsengänge des vergangenen Jahres ­ in die Kassen von Bund und Telekom spülen soll. "Wir
  schaffen die erste Markenfamilie auf dem deutschen Aktienmarkt", frohlockt Sommer. Fest
  steht: Nie zuvor hat eine einzige Firma innerhalb so kurzer Zeit so viel Geld an der Börse
  bewegt, wie es Sommer für dieses Jahr plant.

  "Wir müssen so schnell wie möglich wachsen und den Börsenwert noch weiter steigern", paukt
  er fast jeden Montag seinen Vorstandskollegen ein. Nur so, weiß der ehemalige Sony-Manager,
  kann er im hart umkämpften Telekommunikationsmarkt auch in Zukunft ganz vorn mitmischen
  und seinen Konzern gleichzeitig vor unerwünschten Aufkäufern schützen.

  Denn nach den Übernahmen von Mannesmann durch die britische Handyfirma Vodafone und
  des US-Medienriesen Time Warner durch AOL, das hat Sommer klar erkannt, sind nur die
  Börsenschwergewichte vor Aufkäufern sicher. Da der Bund spätestens im Sommer seine
  schützende Hand als Hauptaktionär wegzieht, muss sich die Telekom bald auf die rauen Sitten
  des globalen Monopolys einstellen.

  Noch schützt der hohe Börsenwert von derzeit rund 500 Milliarden Mark den Bonner
  Telefonmulti vor möglichen Angreifern. Doch wenn der Konzerngewinn weiter so dramatisch
  abschmilzt wie 1999 und gleichzeitig der große Coup im Ausland, den Sommer seit langem
  plant, ausbleibt, könnte der Wert schnell schrumpfen.

  "Ausweitung des Konzerngeschäfts" ist die interne Studie überschrieben, in der Sommers
  Experten schon vor gut einem Jahr alternative Strategien zum traditionellen Wachstum
  aufzeichneten. Das beste Mittel, um "schnell und risikoarm im Weltmarkt zu expandieren",
  meinten die Autoren, sei die Ausgliederung von Wachstumssparten. Dann könne die Telekom
  "Cyber-Values mit Cyber-Dollars kaufen".

  Dabei machten die Telekom-Experten vor allem den Web-Spezialisten T-Online als gute
  Möglichkeit aus, um die begehrte Cyber-Währung zu kassieren. Nach Jahren zaghaften
  Wachstums hatte der 1983 als "Bildschirmtext" (BTX) gegründete Online-Dienst damals den
  vollen Rückenwind des Internet-Booms zu spüren bekommen.

  Inzwischen wächst die Telekom-Tochter kontinuierlich und lässt den Hauptkonkurrenten
  AOL-Europe immer weiter hinter sich. Allein 1999 gewann T-Online mehr Neukunden dazu, als
  AOL insgesamt an Abonnenten in Deutschland zählt. Fachzeitschriften loben den schnellen und
  unkomplizierten Zugang ins Internet, und bei der Stiftung Warentest erzielte der BTX-Nachfolger
  als einziger Internet-Provider ein "Sehr gut" für die Servicequalität.

  Obwohl viele noch immer über hohe Preise schimpfen, verzeichnet der Onlinedienst inzwischen
  4,7 Millionen Kunden in Deutschland. Jeden Monat registriert Firmenchef Wolfgang Keuntje, 43,
  in der neuen Zentrale in Darmstadt rund 250 000 Neuzugänge. Hält die Zuwachsrate an, steigt
  der Umsatz dieses Jahr von gut 800 Millionen auf knapp 1,5 Milliarden Mark.

  Doch die Expansion ist teuer und lässt den Telekom-Ableger tief in die roten Zahlen rutschen.
  Für dieses Jahr rechnen die Banken mit einem Verlust, der etwa 50 Prozent des Umsatzes
  ausmacht. Erst 2003 sei wieder ein Gewinn drin.

  Ob das Ziel erreicht wird, hängt entscheidend davon ab, wie schnell es Keuntje gelingt, seinen
  Dienst auszubauen und andere Einnahmequellen als die Zugangsgebühren zu erschließen.
  Denn die fallen dramatisch. In dieser Woche etwa führt Telekom-Herausforderer Gerhard Schmid
  für Mobilcom-Kunden in zunächst acht Großstädten eine so genannte Flatrate ein.
  Internet-Surfer mit analogem Telefonanschluss können für nur 49 Mark im Monat rund um die
  Uhr online bleiben. Schmid setzt damit die Telekom, die für Mitte des Jahres eine "Flatrate
  unter hundert Mark" angekündigt hatte, mächtig unter Druck.

  Um die Gebührenerosion auszugleichen, muss Keuntje den Dienst attraktiver gestalten und die
  Surfer länger im Netz halten. Erste Erfolge sind sichtbar.

  Die vor knapp einem Jahr gestartete Shopping-Meile vereint schon mehr als 250 Händler unter
  einem Dach ­ und bei jedem Online-Kauf kassiert die Telekom eine Provision. Beteiligungen an
  der Suchmaschine Infoseek, am Buchversender Booxtra, der Online-Bank Comdirect, dem
  Immobilienmakler Real Estate und dem Auktionshaus Atrada sollen die Abhängigkeit von den
  Zugangsgebühren weiter verringern und die Attraktivität des Eingangsportals erhöhen. Denn
  bislang sind T-Online-Kunden im Schnitt gerade mal zwölf Minuten pro Tag im Internet, AOL
  fesselt die Deutschen immerhin täglich 20 Minuten lang.

  Das größte Manko jedoch ist die nationale Ausrichtung. Anders als der US-Gigant AOL,
  vertreten in elf Ländern, ist T-Online fast nur auf Deutschland beschränkt. Als ersten Schritt zur
  Internationalisierung übernahm T-Online deshalb noch vor dem Börsengang den aufstrebenden
  französischen Onlinedienst Club Internet (320 000 Abonnenten) und eröffnete ein eigenes Portal
  in Österreich. Doch um in weiteren Ländern Fuß fassen zu können, braucht Sommer dringend
  das Cyber-Geld aus dem Börsengang.

  Bis zuletzt jedoch gab es darum heftige Diskussionen. Nachdem bei den anfänglichen
  Beratungen mit den Konsortialbanken noch eine Spanne zwischen 20 und 30 Euro pro Aktie ins
  Auge gefasst worden war, schraubten sich die Erwartungen der Telekom-Manager in der
  vergangenen Woche immer höher.

  Zum Schluss war sogar ein Ausgabekurs von bis zu 50 Euro im Gespräch. Bei diesem
  Spitzenpreis wäre der kleinste T-Ableger etwa genauso hoch bewertet worden wie die gesamte
  Telekom bei ihrem Börsengang Ende 1996 ­ eine absurde Idee, meinten viele Banker und rieten
  dringend ab. Jeder Ausgabekurs über 35 Euro, rechnete Analyst Jonathan Shantry von der Bank
  Crédit Lyonnais vor, sei "mit Fundamentaldaten nicht mehr zu unterlegen".

  Sommer jedoch setzte vor allem auf die Phantasie der Anleger und erinnerte die Skeptiker
  immer wieder an die Ressentiments beim ersten Börsengang: "Die Fragezeichen von damals
  haben sich inzwischen erledigt."


  © DER SPIEGEL



  Doch es tauchen neue Fragezeichen auf. Da es an seriösen Berechnungsmaßstäben wie in der
  alten Wirtschaft fehlt, greifen die Experten gern zu Vergleichen mit der Konkurrenz oder nehmen
  die Kundenzahlen als Bewertungsgrundlage (siehe Grafik). Als vergangene Woche die
  Hightech-Kurse abstürzten, waren aber auch diese Parameter nur Makulatur.

  Erst am Sonntag wollten sich deshalb Telekom und Banken auf die Spanne des
  Ausgabekurses, der an diesem Montag bekannt gegeben wird, festlegen. Als heißer Tipp galt
  am Freitag ein Korridor zwischen 35 und 40 Euro pro Aktie.

  Ron Sommer stehen unruhige Wochen bevor. Der schon sicher geglaubte Börsengang, der die
  wichtigen Cyber-Dollar in die Kassen der Telekom spülen sollte, könnte zu einem
  Vabanquespiel werden. "Das wird ein Ritt über den Bodensee", ahnte am Freitag ein Vertrauter
  Sommers.

  Dabei geht es längst nicht mehr allein um die Telekom. Schaden nehmen könnte auch das in
  Deutschland erst zaghafte Vertrauen in die Aktie als Geldanlage. "Wenn T-Online floppt", warnt
  denn auch Theo Kitz von der Privatbank Merck Finck, "dann steht der gesamte
  Telekommunikationssektor vor einer Neubewertung."

  KLAUS-PETER KERBUSK  
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