Steuerpläne bringen Fondsbranche in Not
Von Steffen Uttich
Den deutschen Fondsgesellschaften dürften die beiden vergangenen Wochen wie ein schlechter Traum vorgekommen sein. Die Pläne der Bundesregierung, künftig Wertpapiergewinne generell zu besteuern, stellt die mühsame Arbeit mehrerer Jahre in Frage. Gerade hat sich die Branche als ernst zu nehmender Mitspieler im Wettbewerb um den Altersvorsorgesparer etabliert. Sollten jetzt Fondsprodukte gegenüber Lebensversicherungen steuerlich wesentlich schlechter gestellt werden, wäre das eine Zäsur. Die Branche müßte sich neu orientieren. Das rasante Wachstum wäre wohl beendet.
Dabei waren die Investmentfonds gerade dabei, ihren Angeboten den letzten Feinschliff zu geben. Auf der diesjährigen Mitgliederversammlung des Bundesverbandes Deutscher Investment-Gesellschaften (BVI) wollten sich die deutschen Fondsanbieter am Donnerstag über die Details einer Wohlverhaltensrichtlinie einigen. Sie soll unter anderem dafür sorgen, daß der Anleger künftig eine bessere Darstellung der anfallenden Kosten erhält und darauf vertrauen kann, daß seine Kauf- und Verkaufsaufträge bestmöglich ausgeführt werden (Best-Execution-Prinzip). In der Vorbereitungsphase ist über die Richtlinie heftig gestritten worden, denn sie verlangt viel von den Gesellschaften, die über ihre eigenen Schatten springen müßten.
Dies fällt dem einen Anbieter leichter als dem anderen. Bis zur BVI-Jahresversammlung bleibt daher offen, wie konkret die Wohlverhaltensrichtlinie ausfallen wird. Die Befürworter einer größeren Öffnung der Branche gegenüber dem Anleger haben jedoch das Argument auf ihrer Seite, daß Transparenz ein entscheidender Wettbewerbsfaktor sein kann. Ihrer Meinung nach muß das Signal an den deutschen Sparer lauten: Lebensversicherungen sind vielleicht sicherer, Fonds sind dafür durchschaubarer und bergen die Chance einer höheren Rendite. Je pauschaler die neue Richtlinie ausfällt, desto mehr Zweifel gibt es, ob die Branche nicht nur in Sonntagsreden Verbraucherfreundlichkeit pflegt, sondern tatsächlich auch nach dieser Maxime handelt.
Die Steuerdiskussion drängt solche Themen vorerst in den Hintergrund. Dabei hat die Branche bis zu diesem Punkt einen langen Weg hinter sich gebracht. Erinnert sei an den Ruf der Branche in den sechziger und siebziger Jahren. Damals galten die Investment-Tochtergesellschaften der deutschen Banken als "Müllhalden", bei denen die Muttergesellschaften die Wertpapiere abladen konnten, die sie anderweitig nicht losbekamen. Aus dieser Zeit ist das Bonmot des Geschäftsführers einer großen Investmentgesellschaft überliefert, der gesagt haben soll: "Ich würde mein eigenes Geld doch niemals in Fonds anlegen."
Seit sich jedoch auch ausländische Anbieter auf dem einst geschlossenen deutschen Investmentmarkt tummeln, hat der zunehmende Wettbewerb die Bedürfnisse des Anlegers in den Mittelpunkt gerückt. Bei der Kaufentscheidung spielen dabei in wachsendem Maß Ranglisten über die Renditen und Kostenfragen eine Rolle. Altersvorsorgesparer werden mit dem Argument umworben, weil Investmentfonds ihr Portfolio breit streuten, verringere sich das Risiko gegenüber der Einzelanlage in Aktien.
Immer wieder aber kommen Zweifel auf, ob die Branche tatsächlich auch das Wohl des Anlegers im Blick hat. Daß die überwiegende Zahl der Fonds lediglich die Wertentwicklung der Märkte nachvollzieht - wenn überhaupt -, hat für Enttäuschungen gesorgt. Wichtig ist auch die Frage nach der Redlichkeit: Werden die bankeigenen Fondsgesellschaften nicht auf Kosten der Anleger gemolken, indem sie ihre Wertpapiergeschäfte zum überwiegenden Teil über ihre Mutterbank laufen lassen - zu entsprechend überhöhten Gebühren? Solche verbliebenen Zweifel könnte die Fondsbranche mit einem möglichst konkret formulierten Best-Execution-Prinzip in ihrer neuen Wohlverhaltensrichtlinie zerstreuen.
Doch jetzt sind andere Sorgen ins Zentrum des Interesses gerückt. Statt des Feinschliffs ist wieder der grobe Keil auf dem groben Klotz gefragt. Was nützen wohlformulierte Wohlverhaltensrichtlinien, wenn die Steuergesetzgebung das Geschäft der Fondsgesellschaften bedroht? Die Mitgliederversammlung könnte deshalb einen ganz anderen Verlauf nehmen als geplant. Im ersten Schock über die Steuerpläne der rot-grünen Bundesregierung stellen einzelne Gesellschaften die Überlebensfrage. Denn vor dem Hintergrund des katastrophalen Einbruchs beim Absatz der margenträchtigen Aktienfonds, der vielen Anbietern schon seit geraumer Zeit gehörig zusetzt, wirkt das Signal einer Besteuerung von Kursgewinnen verheerend.
Die Augen der Branche richten sich daher nach Berlin. In nächster Zeit besteht für sie die Herausforderung darin, dem Bundesfinanzminister die Folgen seiner Steuerpläne deutlich zu machen. Von dem Vorhaben droht doppeltes Ungemach: Der Wettbewerb wird verzerrt und die private Altersvorsorge generell diskreditiert.
Wie können Fonds gegen Lebensversicherungen bestehen, wenn letztere nach zwölf Jahren Vertragslaufzeit und mindestens fünf Einzahlungen Steuerfreiheit genießen, während ersteren aus heutiger Sicht nun sogar eine doppelte Besteuerung droht? Die vom Fondsmanagement erwirtschafteten Gewinne könnten von der Steuer genauso betroffen sein wie der Gewinn, den ein Anleger beim Verkauf seiner Fondsanteile erzielt. Auf derartige Bedenken reagiert Hans Eichel bislang lediglich mit der Idee, auch Steuervergünstigungen der Lebensversicherungen genauer unter die Lupe zu nehmen.
Auch die zweite Frage ist brisant: Wie sollen die Deutschen von der Notwendigkeit der privaten Altersvorsorge überzeugt werden, wenn sie dafür künftig mit höheren Steuerzahlungen bestraft werden? Ob es der Branche freilich gelingt, die Bundesregierung zu stoppen, darf bezweifelt werden. Die Fonds haben zwar gute Argumente auf ihrer Seite. Doch wiegen die in der Regel wenig, wenn die Haushaltsnot groß ist.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.10.2002, Nr. 250 / Seite 15
Von Steffen Uttich
Den deutschen Fondsgesellschaften dürften die beiden vergangenen Wochen wie ein schlechter Traum vorgekommen sein. Die Pläne der Bundesregierung, künftig Wertpapiergewinne generell zu besteuern, stellt die mühsame Arbeit mehrerer Jahre in Frage. Gerade hat sich die Branche als ernst zu nehmender Mitspieler im Wettbewerb um den Altersvorsorgesparer etabliert. Sollten jetzt Fondsprodukte gegenüber Lebensversicherungen steuerlich wesentlich schlechter gestellt werden, wäre das eine Zäsur. Die Branche müßte sich neu orientieren. Das rasante Wachstum wäre wohl beendet.
Dabei waren die Investmentfonds gerade dabei, ihren Angeboten den letzten Feinschliff zu geben. Auf der diesjährigen Mitgliederversammlung des Bundesverbandes Deutscher Investment-Gesellschaften (BVI) wollten sich die deutschen Fondsanbieter am Donnerstag über die Details einer Wohlverhaltensrichtlinie einigen. Sie soll unter anderem dafür sorgen, daß der Anleger künftig eine bessere Darstellung der anfallenden Kosten erhält und darauf vertrauen kann, daß seine Kauf- und Verkaufsaufträge bestmöglich ausgeführt werden (Best-Execution-Prinzip). In der Vorbereitungsphase ist über die Richtlinie heftig gestritten worden, denn sie verlangt viel von den Gesellschaften, die über ihre eigenen Schatten springen müßten.
Dies fällt dem einen Anbieter leichter als dem anderen. Bis zur BVI-Jahresversammlung bleibt daher offen, wie konkret die Wohlverhaltensrichtlinie ausfallen wird. Die Befürworter einer größeren Öffnung der Branche gegenüber dem Anleger haben jedoch das Argument auf ihrer Seite, daß Transparenz ein entscheidender Wettbewerbsfaktor sein kann. Ihrer Meinung nach muß das Signal an den deutschen Sparer lauten: Lebensversicherungen sind vielleicht sicherer, Fonds sind dafür durchschaubarer und bergen die Chance einer höheren Rendite. Je pauschaler die neue Richtlinie ausfällt, desto mehr Zweifel gibt es, ob die Branche nicht nur in Sonntagsreden Verbraucherfreundlichkeit pflegt, sondern tatsächlich auch nach dieser Maxime handelt.
Die Steuerdiskussion drängt solche Themen vorerst in den Hintergrund. Dabei hat die Branche bis zu diesem Punkt einen langen Weg hinter sich gebracht. Erinnert sei an den Ruf der Branche in den sechziger und siebziger Jahren. Damals galten die Investment-Tochtergesellschaften der deutschen Banken als "Müllhalden", bei denen die Muttergesellschaften die Wertpapiere abladen konnten, die sie anderweitig nicht losbekamen. Aus dieser Zeit ist das Bonmot des Geschäftsführers einer großen Investmentgesellschaft überliefert, der gesagt haben soll: "Ich würde mein eigenes Geld doch niemals in Fonds anlegen."
Seit sich jedoch auch ausländische Anbieter auf dem einst geschlossenen deutschen Investmentmarkt tummeln, hat der zunehmende Wettbewerb die Bedürfnisse des Anlegers in den Mittelpunkt gerückt. Bei der Kaufentscheidung spielen dabei in wachsendem Maß Ranglisten über die Renditen und Kostenfragen eine Rolle. Altersvorsorgesparer werden mit dem Argument umworben, weil Investmentfonds ihr Portfolio breit streuten, verringere sich das Risiko gegenüber der Einzelanlage in Aktien.
Immer wieder aber kommen Zweifel auf, ob die Branche tatsächlich auch das Wohl des Anlegers im Blick hat. Daß die überwiegende Zahl der Fonds lediglich die Wertentwicklung der Märkte nachvollzieht - wenn überhaupt -, hat für Enttäuschungen gesorgt. Wichtig ist auch die Frage nach der Redlichkeit: Werden die bankeigenen Fondsgesellschaften nicht auf Kosten der Anleger gemolken, indem sie ihre Wertpapiergeschäfte zum überwiegenden Teil über ihre Mutterbank laufen lassen - zu entsprechend überhöhten Gebühren? Solche verbliebenen Zweifel könnte die Fondsbranche mit einem möglichst konkret formulierten Best-Execution-Prinzip in ihrer neuen Wohlverhaltensrichtlinie zerstreuen.
Doch jetzt sind andere Sorgen ins Zentrum des Interesses gerückt. Statt des Feinschliffs ist wieder der grobe Keil auf dem groben Klotz gefragt. Was nützen wohlformulierte Wohlverhaltensrichtlinien, wenn die Steuergesetzgebung das Geschäft der Fondsgesellschaften bedroht? Die Mitgliederversammlung könnte deshalb einen ganz anderen Verlauf nehmen als geplant. Im ersten Schock über die Steuerpläne der rot-grünen Bundesregierung stellen einzelne Gesellschaften die Überlebensfrage. Denn vor dem Hintergrund des katastrophalen Einbruchs beim Absatz der margenträchtigen Aktienfonds, der vielen Anbietern schon seit geraumer Zeit gehörig zusetzt, wirkt das Signal einer Besteuerung von Kursgewinnen verheerend.
Die Augen der Branche richten sich daher nach Berlin. In nächster Zeit besteht für sie die Herausforderung darin, dem Bundesfinanzminister die Folgen seiner Steuerpläne deutlich zu machen. Von dem Vorhaben droht doppeltes Ungemach: Der Wettbewerb wird verzerrt und die private Altersvorsorge generell diskreditiert.
Wie können Fonds gegen Lebensversicherungen bestehen, wenn letztere nach zwölf Jahren Vertragslaufzeit und mindestens fünf Einzahlungen Steuerfreiheit genießen, während ersteren aus heutiger Sicht nun sogar eine doppelte Besteuerung droht? Die vom Fondsmanagement erwirtschafteten Gewinne könnten von der Steuer genauso betroffen sein wie der Gewinn, den ein Anleger beim Verkauf seiner Fondsanteile erzielt. Auf derartige Bedenken reagiert Hans Eichel bislang lediglich mit der Idee, auch Steuervergünstigungen der Lebensversicherungen genauer unter die Lupe zu nehmen.
Auch die zweite Frage ist brisant: Wie sollen die Deutschen von der Notwendigkeit der privaten Altersvorsorge überzeugt werden, wenn sie dafür künftig mit höheren Steuerzahlungen bestraft werden? Ob es der Branche freilich gelingt, die Bundesregierung zu stoppen, darf bezweifelt werden. Die Fonds haben zwar gute Argumente auf ihrer Seite. Doch wiegen die in der Regel wenig, wenn die Haushaltsnot groß ist.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.10.2002, Nr. 250 / Seite 15