Von Axel Schrinner
In drei Wochen beginnt für Anleger in Europa eine neue Zeitrechnung: Am 1. Juli tritt die lange umstrittene EU-Zinssteuerrichtlinie in Kraft. Banken sind dann verpflichtet, Zinserträge von EU-Ausländern den Finanzbehörden des jeweiligen Heimatstaates zu melden.
DÜSSELDORF. Konkret bedeutet dies, dass etwa eine niederländische Bank dem Bundesamt für Finanzen eine Kontrollmitteilung schickt, wenn ein deutscher Anleger in den Niederlanden ein Festgeldkonto unterhält. Die Bonner Behörde leitet die Daten dann an das zuständige Finanzamt weiter. So soll die Hinterziehung von ausländischen Zinsen verhindert werden.
Der Chef der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, sieht in der Zinssteuerrichtlinie denn auch einen weiteren Schritt, um den Druck auf Steuerhinterzieher zu erhöhen. „Tauchen bei den Kontrollmitteilungen Geldanlagen auf, die bislang nicht erfasst wurden, werden die Finanzbeamten sicherlich auch Fragen hinsichtlich der letzten Jahre stellen“, sagt Ondracek. „Sind die Antworten nicht plausibel, muss der Steuerpflichtige mit der Steuerfahndung rechnen.“ Allerdings biete die Richtlinie zahlreiche Schlupflöcher, die Steuerhinterziehung weiterhin ermöglichten, so Ondracek.
Denn wichtige Finanzzentren in Europa haben sich Ausnahmen von den Kontrollmitteilungen erbeten, um ihr Bankgeheimnis zu schützen. In Belgien, Luxemburg, Österreich und dem Nicht-EU-Mitglied Schweiz können ausländische Anleger wählen, ob sie anstatt Kontrollmitteilungen eine anonym abgeführte Quellensteuer auf Zinserträge von zunächst 15 Prozent bevorzugen (siehe Tabelle). Dieser Steuersatz steigt ab Juli 2008 auf 20 Prozent und in der Endstufe ab Juli 2011 auf 35 Prozent. Ein Viertel der Steuereinnahmen behält der Quellenstaat, den Rest überweist er an den Wohnsitzstaat des Anlegers. Der ehrliche deutsche Anleger kann die gesamte Quellensteuer im Zuge der Steuererklärung anrechnen lassen. Für ihn ist also weiterhin der persönliche Einkommensteuersatz die maßgebliche Größe.
Steuerberater Ulrich Derlin von PSP in München betont, auch nach dem Start der Richtlinie bleibe das Bankgeheimnis in Österreich für viele Mandanten ein interessantes Thema. Zwar verringerten sich die Nettoerträge auf Grund der Quellensteuer etwas. Doch vor dem deutschen Fiskus bleibe das angelegte Geld erst einmal sicher.
Doch selbst die 15-prozentige Quellensteuer können Anleger vermeiden, werben etwa österreichische Banken ganz unverblümt. Denn zum einen fallen nur Konten von natürlichen Personen unter die Richtlinie – die Liechtensteiner Stiftung mit einem Konto in der Schweiz wird also nicht erfasst. Zum anderen werden nur Kontrollmitteilungen über Zinsen, nicht aber über andere Kapitaleinkünfte, verschickt. Ausgenommen sind ebenfalls Erträge aus solchen Anleihen, die vor dem 1. März 2001 begeben und nach dem 28. Februar 2002 nicht mehr aufgestockt wurden.
„Je nach Sicherheitsbedürfnis und Renditevorstellung bieten wir Produkte mit unterschiedlichen Laufzeiten und Aktienanteilen“, sagt Private-Banking-Chef Roland Jauch von der Raiffeisenbank Kleinwalsertal. Das nur von Deutschland aus erreichbare Tal ist wegen des österreichischen Bankgeheimnis’ eine beliebte Steueroase der Deutschen. Erträge von thesaurierenden Fonds fallen nicht unter die Richtlinie, sofern sie mindestens 60 Prozent in Aktien oder sonstigen EU-zinssteuerbefreite Produkte investieren; bei ausschüttenden Fonds liegt die Schwelle bei 85 Prozent.
Umstritten in Europa ist, welche Anlagen genau von der Richtlinie erfasst werden und welche nicht; die Richtlinie spricht von Zinsprodukten. „In Deutschland fallen alle Finanzprodukte darunter, die der Zinsabschlagsteuer unterliegen“, sagt Wolfgang Skorpel vom Bankenverband. Details seien in der Anweisung an die Finanzverwaltung vom 6. Januar fixiert (BMF-Schreiben IV C 1 - S 2000 - 363/04). Allerdings dürften andere Länder eine andere Auffassung davon haben, welche Finanzinnovation ein Zinsprodukt ist oder nicht, meint Skorkel.