SCHLÜPFRIGE KAMPAGNE
Die Jungen Liberalen sorgen in Hamburg mit einer gewagten Wahlkampagne für Ärger. "Steck ihn rein", haucht eine laszive junge Dame dem Jungwähler von Plakaten entgegen. Nicht nur ältere Parteigänger reagieren eher gereizt als aufgereizt.
"Der Soltau hat schon angerufen und gesagt, dass die Plakate schnellstens runter müssen", wettert ein betagter Liberaler in der örtlichen FDP-Geschäftsstelle. Der angebliche Anruf des Hamburger Parteivorsitzenden kümmert ein jüngeres Parteimitglied dagegen genauso wenig wie wütende Briefe von Frauen: "Ich finde die Aktion super. Beschwert haben sich eh nur ein paar Emanzen." Schließlich sollen die Jungwähler nur den Zettel in die Urne stecken.
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Strenge Klientelpolitik ist in der FDP nicht ohne Tradition, und die Jungen Liberalen machen da keine Ausnahme. "Bei älteren Leuten gab es eher negative Reaktionen auf unsere Aktion", gesteht der Hamburger Jungliberalen-Chef Jan Erik Spangenberg, 22, und fügt hinzu, dass er mit "älteren Leuten" alle über 40 meint. Ob bei diesem Alter die traditionelle Wählerschaft der FDP nicht erst anfange? "Stimmt schon", sagt Spangenberg. "Aber wir sind egoistisch genug, zuerst an unsere eigene Kundschaft zu denken. Die Jungen sind uns wichtiger als die Älteren."
Zwar dürfte das innerhalb der FDP genauso bekannt sein wie der Hang der Jungen Liberalen zur Provokation, die sich in Wahlslogans wie "Lieber bekifft ficken als besoffen Auto fahren" äußert. Allerdings fordert auf den strittigen Hamburger Plakaten vor allem die FDP den Wähler auf, "ihn" reinzustecken. Die Altvorderen der Hamburger FDP befürchten, dass der Wähler keinen Unterschied zwischen Julis und anderen Liberalen macht und die komplette Partei am Wahltag die Rechnung für die schlüpfrige Kampagne bekommen könnte. Auf der Sitzung des Landesvorstands wenige Tage nach dem Start der Plakataktion habe es "ordentlich Zoff" gegeben, sagt Spangenberg. Nach einer "kurzen, hitzigen Diskussion" aber hätten auch "die Älteren" die Aktion "total witzig" gefunden - von "ein, zwei notorischen Nörglern abgesehen", sagt der Juli-Landeschef.
Bei der Bundes-FDP lacht offenbar niemand. Die Jungen Liberalen seien eine unabhängige Organisation, deren Handeln man nicht kommentieren wolle, heißt es aus Kreisen des Bundesvorstands. "Die Jungen Liberalen sprechen nicht zwingend die gleiche Sprache wie die Mutterpartei", erklärt Daniela Zehentner, Sprecherin der "Taskforce junge Frauen". Die FDP hat die Taskforce eigens gegründet, um ihren Rückstand bei jungen Wählerinnen unter 25 Jahren aufzuholen. "Da haben wir ein großes Defizit", sagt Zehentner. "Junge Frauen sind nicht weniger politisch als Männer. Aber sie lehnen konventionelle Politik-Methoden ab. Deshalb suchen wir nach Schnittpunkten zwischen Politik und Privatleben."
Das ist den Hamburger Jungliberalen auf fulminante Art gelungen. "Mehr Wähler wird solch eine Aktion aber kaum bringen", sagt Dieter Roth, Vorstand der Forschungsgruppe Wahlen. "Über derlei Zweideutigkeiten lachen auch die Anhänger der Spaßgesellschaft nicht."
Allerdings könne er sich durchaus vorstellen, dass die Parteispitze von der Aktion wusste - denn die FDP brauche derzeit nichts dringender, als wieder in die öffentliche Diskussion zu kommen. "Denn momentan", sagt Roth, "spricht niemand über die FDP."
Spiegel