Adidas vs. Nike
Sportsfeind Nummer eins
Mit dem Kauf von Reebok hat Adidas in den USA dem Marktführer Nike den Kampf angesagt. Doch nach einem Jahr steht fest: Das Auswärtsspiel wird schwerer als erwartet. Zahlreiche Investoren und Analysten befürchten allmählich, dass Adidas mit der Übernahme von Reebok in ein fallendes Messer gegriffen hat.
CANTON. „Um die Nummer eins zu werden, musst du wild entschlossen sein, nicht die Nummer zwei sein zu wollen“ – willkommen auf den Fluren von Reebok, der Nummer drei in der Welt. In der Firmenzentrale in Canton, Massachusetts, hängen Dutzende große Sportposter. Sie sollen Leidenschaft ausdrücken, unbändige Stärke, schiere Unbesiegbarkeit. Unter einem Foto des amerikanischen Football-Stars Peyton Manning steht: „Druck spürst du nur, wenn du nicht weißt, was du tust“.
Der ganze Campus gleicht einem einzigen Motivationslager: Das gläserne Halbrund versprüht von außen betrachtet den Charme eines Flughafen-Terminals. Drinnen wird geschwitzt, das ganze Jahr über: Mitten ins Herz des Gebäudes hat die Architektenfirma NBBG aus Seattle ein Basketballfeld gepflanzt, umrahmt von einem Fitnesscenter. Wer frische Luft sucht und dabei Gas geben will, läuft auf einer Olympia-genormten 400-Meter-Bahn, die wie ein Saturn-Ring durch das Untergeschoss führt. 1 400 Beschäftigte arbeiten hier am Rande von Boston, wenn sie nicht gerade Sport treiben. Zwei Mannschaften treffen sich täglich zum Basketball. Sie blicken dann auf ein Werbeposter, das eine ganze Sporthallenwand abdeckt: „I am what I am“, steht darauf – „Ich bin, was ich bin.“
Den Abstieg des einst weltgrößten Sportartiklers Reebok haben all die Motivationssprüche allerdings nicht verhindern können. Sie haben nicht einmal verhindert, dass die Firma vor gut einem Jahr in deutsche Hände geriet. Adidas zahlte nach einer Serie von Rekordgewinnen 3,8 Milliarden Dollar, um dem Marktführer und Erzrivalen Nike ganz nahe zu rücken – wirtschaftlich wie geographisch. Zwölf Monate später ist klar: Der Job von Konzernchef Herbert Hainer ist seitdem schwerer geworden, deutlich schwerer.
Der frühere Bayernliga-Kicker aus Dingolfing tritt jetzt auswärts in einem Land an, das für König Fußball seit Jahrzehnten nur ein Gähnen übrig hat und Handball für eine andere Form von Squash hält. Hainer muss im weltgrößten Sportartikelmarkt auf American Football umschulen, auf Eishockey, Basketball und Baseball. Vor allem aber muss er Investoren und Analysten beruhigen, die allmählich fürchten, Adidas habe mit dem Kauf von Reebok in ein fallendes Messer gegriffen. Also fliegt der Herr der drei Streifen wieder mal in die USA, während Deutschland zu Hause im Handballfieber liegt.
Am Reebok-Firmensitz will der Adidas-Chef zeigen: Die Probleme sind erkannt und lösbar, die US-Strategie steht, Nike soll sich bitte schön warm anziehen. „Wir werden der Marke mehr Leben einhauchen. Dass wir das können, haben wir mit Adidas zehn Jahre lang bewiesen“, sagt Hainer. Die US-Tochter soll raus aus den Discountläden und rein in den Fachhandel, weg von allzu viel Modeschnickschnack, zurück zu den Wurzeln im Sport. Um nicht die eigene Drei-Streifen-Marke anzugreifen, soll Reebok künftig stärker den Freizeitläufer ansprechen: „Run easy“ wird die neue Werbekampagne heißen – ein Infarkt beim Marathon hilft ja keinem.
Hainer, sportlich elegantes Outfit, offenes hellblaues Hemd, ist deutlich mehr Adidas als Reebok. Der 52-jährige Betriebswirt sieht drahtig aus wie eh und je, topfit für den nächsten Langstreckenlauf. Was sich 2007 geändert hat, ist sein Mienenspiel. Das Sommermärchen Fußball-WM ist vorbei, der Höhenflug an der Börse auch – und ebenso das Lächeln eines Siegertypen: „Moment mal“, wird Hainer trotzig, „Reebok ist ein profitables Unternehmen und kein Sanierungsfall.“ Das wird er an diesem Tag fast ein Dutzend Mal in verschiedenen Interviews betonen. Er will das anhaltende Wachstum der „Adidas-Gruppe“ gewürdigt wissen und verspricht steigende Konzerngewinne auch in 2007.
Das Problem ist, dass Neuzugang Reebok dabei keine große Hilfe sein wird. Zwischen Februar und September 2006 knickte dessen Umsatz um fast zehn Prozent auf 1,83 Milliarden Euro ein. Das Betriebsergebnis in diesem Zeitraum wies Adidas mit 71 Millionen Euro aus. Besserung erwartet der Konzern, der seit der Übernahme auf 2,5 Milliarden Euro Schulden sitzt, frühestens im zweiten Halbjahr 2007. Hinter den Kulissen klagen Adidas-Manager, Reebok habe sich in den vergangenen Jahren mit Modekleidung verzettelt und stur seinen Heimatmarkt beackert, statt sich in Wachstumsmärkten wie Asien oder Osteuropa zu positionieren.
Der deutsche Konzern hat dennoch zugeschnappt, als der amtsmüde Chef Paul Fireman Verkaufsbereitschaft signalisierte. Der Anteil des 62-Jährigen wurde bei der Transaktion mit knapp 700 Millionen Dollar bewertet – keine schlechte Abfindung nach fast 30 Jahren Reebok. Heute widmet sich Fireman seinem zweiten Lebenswerk. 1996 kaufte er einen Landstrich in New Jersey und ließ darauf eine Golfanlage errichten. Sein im Vorjahr eröffneter Liberty National Golf Club zählt zu den exklusivsten der Welt. Wer 500 000 Dollar Eintrittsgebühr entrichtet und von Wall Street via Schnellboot in den Club gefahren wird, blickt etwa am zweiten Loch Lady Liberty entgegen: Wer kann sich da noch auf den Abschlag konzentrieren?
Hainer, der ambitionierte Hobbygolfer, hat im Moment andere Sorgen. Er muss nicht nur Reebok aus der Krise führen, sondern darüber hinaus immer wütendere Attacken von Nike parieren. Der Marktführer aus Oregon hat seit dem Coup der Deutschen endgültig seinen Sportsfeind Nummer eins ausgemacht. Weil Adidas in den USA angreift, grätscht Nike in Deutschland. Das „unmoralische“ Angebot, dem Deutschen Fußball-Bund 600 Millionen Euro für einen Acht-Jahres-Vertrag zahlen zu wollen, nennt Hainer „Wahnwitz“.
Adidas, mit der Nationalelf seit 50 Jahren innig verbunden, zahlt vergleichsweise kümmerliche elf Millionen Euro pro Jahr. Hainer werde deutlich aufstocken müssen, so der DFB, wenn er Ballacks Buben nicht ab 2011 in Nike-Trikots sehen will. „Du musst aggressiv sein, aber auch schlau“ – noch so ein Bild aus der Reebok-Sportlerserie. Der Spruch könnte Hainer gelten. Natürlich sei Nike jetzt „nervöser“, sagt er: „Bei der Fußball-WM 2006 haben wir sie doch an die Wand gespielt.“ Die aber fand zu Hause statt und nicht in den USA.
Adidas wäre nicht der erste deutsche Konzern, der mit einer Übernahme in den USA scheitert. „Corporate Germany“ hat dort schon so viele Milliarden verbrannt, dass Investoren angst und bange werden kann. Daimler wird regelmäßig von hohen Chrysler-Verlusten gebremst, Lufthansa ging mit der Übernahme der Cateringfirma Sky Chefs baden, die Deutsche Post quält sich in Übersee mit DHL und Airborne. Ob es Adidas mit Reebok besser macht, wo doch schon die Übernahme des Skiherstellers Salomon zum Flop geriet?
Dass Hainers neue US-Marke großes Potenzial hat, wird in der Branche nicht bestritten: Reebok hält in den USA derzeit mehr Exklusiv-Verträge mit den wichtigsten Sportligen als Nike. Allein am gestrigen Sonntag, beim „Super Bowl“ genannten Finale der National Football League, blickten weltweit 100 Millionen Zuschauer auf zwei von Reebok ausgerüstete Teams. Auch die Eishockey-Liga NHL spielt in Reebok. Allein: Großen Nutzen zieht Reebok aus seiner komfortablen Position bisher nicht. Um die US-Truppe wachzurütteln, setzen die Adidas-Strategen künftig nicht nur auf die knackigen Sprüche im Flur. Das mit der Motivation nimmt Marketingchef Uli Becker selbst in die Hand: „Wir müssen davon wegkommen, die Nummer drei zu sein“, sagt er: „Aus uns muss wieder ein richtiger Herausforderer werden.“
Quelle: HANDELSBLATT, Montag, 5. Februar 2007, 22:05 Uhr
Euer
Einsamer Samariter
Sportsfeind Nummer eins
Mit dem Kauf von Reebok hat Adidas in den USA dem Marktführer Nike den Kampf angesagt. Doch nach einem Jahr steht fest: Das Auswärtsspiel wird schwerer als erwartet. Zahlreiche Investoren und Analysten befürchten allmählich, dass Adidas mit der Übernahme von Reebok in ein fallendes Messer gegriffen hat.
CANTON. „Um die Nummer eins zu werden, musst du wild entschlossen sein, nicht die Nummer zwei sein zu wollen“ – willkommen auf den Fluren von Reebok, der Nummer drei in der Welt. In der Firmenzentrale in Canton, Massachusetts, hängen Dutzende große Sportposter. Sie sollen Leidenschaft ausdrücken, unbändige Stärke, schiere Unbesiegbarkeit. Unter einem Foto des amerikanischen Football-Stars Peyton Manning steht: „Druck spürst du nur, wenn du nicht weißt, was du tust“.
Der ganze Campus gleicht einem einzigen Motivationslager: Das gläserne Halbrund versprüht von außen betrachtet den Charme eines Flughafen-Terminals. Drinnen wird geschwitzt, das ganze Jahr über: Mitten ins Herz des Gebäudes hat die Architektenfirma NBBG aus Seattle ein Basketballfeld gepflanzt, umrahmt von einem Fitnesscenter. Wer frische Luft sucht und dabei Gas geben will, läuft auf einer Olympia-genormten 400-Meter-Bahn, die wie ein Saturn-Ring durch das Untergeschoss führt. 1 400 Beschäftigte arbeiten hier am Rande von Boston, wenn sie nicht gerade Sport treiben. Zwei Mannschaften treffen sich täglich zum Basketball. Sie blicken dann auf ein Werbeposter, das eine ganze Sporthallenwand abdeckt: „I am what I am“, steht darauf – „Ich bin, was ich bin.“
Den Abstieg des einst weltgrößten Sportartiklers Reebok haben all die Motivationssprüche allerdings nicht verhindern können. Sie haben nicht einmal verhindert, dass die Firma vor gut einem Jahr in deutsche Hände geriet. Adidas zahlte nach einer Serie von Rekordgewinnen 3,8 Milliarden Dollar, um dem Marktführer und Erzrivalen Nike ganz nahe zu rücken – wirtschaftlich wie geographisch. Zwölf Monate später ist klar: Der Job von Konzernchef Herbert Hainer ist seitdem schwerer geworden, deutlich schwerer.
Der frühere Bayernliga-Kicker aus Dingolfing tritt jetzt auswärts in einem Land an, das für König Fußball seit Jahrzehnten nur ein Gähnen übrig hat und Handball für eine andere Form von Squash hält. Hainer muss im weltgrößten Sportartikelmarkt auf American Football umschulen, auf Eishockey, Basketball und Baseball. Vor allem aber muss er Investoren und Analysten beruhigen, die allmählich fürchten, Adidas habe mit dem Kauf von Reebok in ein fallendes Messer gegriffen. Also fliegt der Herr der drei Streifen wieder mal in die USA, während Deutschland zu Hause im Handballfieber liegt.
Am Reebok-Firmensitz will der Adidas-Chef zeigen: Die Probleme sind erkannt und lösbar, die US-Strategie steht, Nike soll sich bitte schön warm anziehen. „Wir werden der Marke mehr Leben einhauchen. Dass wir das können, haben wir mit Adidas zehn Jahre lang bewiesen“, sagt Hainer. Die US-Tochter soll raus aus den Discountläden und rein in den Fachhandel, weg von allzu viel Modeschnickschnack, zurück zu den Wurzeln im Sport. Um nicht die eigene Drei-Streifen-Marke anzugreifen, soll Reebok künftig stärker den Freizeitläufer ansprechen: „Run easy“ wird die neue Werbekampagne heißen – ein Infarkt beim Marathon hilft ja keinem.
Hainer, sportlich elegantes Outfit, offenes hellblaues Hemd, ist deutlich mehr Adidas als Reebok. Der 52-jährige Betriebswirt sieht drahtig aus wie eh und je, topfit für den nächsten Langstreckenlauf. Was sich 2007 geändert hat, ist sein Mienenspiel. Das Sommermärchen Fußball-WM ist vorbei, der Höhenflug an der Börse auch – und ebenso das Lächeln eines Siegertypen: „Moment mal“, wird Hainer trotzig, „Reebok ist ein profitables Unternehmen und kein Sanierungsfall.“ Das wird er an diesem Tag fast ein Dutzend Mal in verschiedenen Interviews betonen. Er will das anhaltende Wachstum der „Adidas-Gruppe“ gewürdigt wissen und verspricht steigende Konzerngewinne auch in 2007.
Das Problem ist, dass Neuzugang Reebok dabei keine große Hilfe sein wird. Zwischen Februar und September 2006 knickte dessen Umsatz um fast zehn Prozent auf 1,83 Milliarden Euro ein. Das Betriebsergebnis in diesem Zeitraum wies Adidas mit 71 Millionen Euro aus. Besserung erwartet der Konzern, der seit der Übernahme auf 2,5 Milliarden Euro Schulden sitzt, frühestens im zweiten Halbjahr 2007. Hinter den Kulissen klagen Adidas-Manager, Reebok habe sich in den vergangenen Jahren mit Modekleidung verzettelt und stur seinen Heimatmarkt beackert, statt sich in Wachstumsmärkten wie Asien oder Osteuropa zu positionieren.
Der deutsche Konzern hat dennoch zugeschnappt, als der amtsmüde Chef Paul Fireman Verkaufsbereitschaft signalisierte. Der Anteil des 62-Jährigen wurde bei der Transaktion mit knapp 700 Millionen Dollar bewertet – keine schlechte Abfindung nach fast 30 Jahren Reebok. Heute widmet sich Fireman seinem zweiten Lebenswerk. 1996 kaufte er einen Landstrich in New Jersey und ließ darauf eine Golfanlage errichten. Sein im Vorjahr eröffneter Liberty National Golf Club zählt zu den exklusivsten der Welt. Wer 500 000 Dollar Eintrittsgebühr entrichtet und von Wall Street via Schnellboot in den Club gefahren wird, blickt etwa am zweiten Loch Lady Liberty entgegen: Wer kann sich da noch auf den Abschlag konzentrieren?
Hainer, der ambitionierte Hobbygolfer, hat im Moment andere Sorgen. Er muss nicht nur Reebok aus der Krise führen, sondern darüber hinaus immer wütendere Attacken von Nike parieren. Der Marktführer aus Oregon hat seit dem Coup der Deutschen endgültig seinen Sportsfeind Nummer eins ausgemacht. Weil Adidas in den USA angreift, grätscht Nike in Deutschland. Das „unmoralische“ Angebot, dem Deutschen Fußball-Bund 600 Millionen Euro für einen Acht-Jahres-Vertrag zahlen zu wollen, nennt Hainer „Wahnwitz“.
Adidas, mit der Nationalelf seit 50 Jahren innig verbunden, zahlt vergleichsweise kümmerliche elf Millionen Euro pro Jahr. Hainer werde deutlich aufstocken müssen, so der DFB, wenn er Ballacks Buben nicht ab 2011 in Nike-Trikots sehen will. „Du musst aggressiv sein, aber auch schlau“ – noch so ein Bild aus der Reebok-Sportlerserie. Der Spruch könnte Hainer gelten. Natürlich sei Nike jetzt „nervöser“, sagt er: „Bei der Fußball-WM 2006 haben wir sie doch an die Wand gespielt.“ Die aber fand zu Hause statt und nicht in den USA.
Adidas wäre nicht der erste deutsche Konzern, der mit einer Übernahme in den USA scheitert. „Corporate Germany“ hat dort schon so viele Milliarden verbrannt, dass Investoren angst und bange werden kann. Daimler wird regelmäßig von hohen Chrysler-Verlusten gebremst, Lufthansa ging mit der Übernahme der Cateringfirma Sky Chefs baden, die Deutsche Post quält sich in Übersee mit DHL und Airborne. Ob es Adidas mit Reebok besser macht, wo doch schon die Übernahme des Skiherstellers Salomon zum Flop geriet?
Dass Hainers neue US-Marke großes Potenzial hat, wird in der Branche nicht bestritten: Reebok hält in den USA derzeit mehr Exklusiv-Verträge mit den wichtigsten Sportligen als Nike. Allein am gestrigen Sonntag, beim „Super Bowl“ genannten Finale der National Football League, blickten weltweit 100 Millionen Zuschauer auf zwei von Reebok ausgerüstete Teams. Auch die Eishockey-Liga NHL spielt in Reebok. Allein: Großen Nutzen zieht Reebok aus seiner komfortablen Position bisher nicht. Um die US-Truppe wachzurütteln, setzen die Adidas-Strategen künftig nicht nur auf die knackigen Sprüche im Flur. Das mit der Motivation nimmt Marketingchef Uli Becker selbst in die Hand: „Wir müssen davon wegkommen, die Nummer drei zu sein“, sagt er: „Aus uns muss wieder ein richtiger Herausforderer werden.“
Quelle: HANDELSBLATT, Montag, 5. Februar 2007, 22:05 Uhr
Euer
Einsamer Samariter