Aktienkurse im freien Fall
Telekom auf Rekordtief. Immer neue Hiobsbotschaften. Rutscht der DAX unter 4000?
Frankfurt/Hamburg - Der Aktienmarkt kennt offenbar nur noch eine Richtung: nach unten. Zeitweise rund 150 Punkte verlor am Freitag der Deutsche Aktienindex (DAX) und kam erst knapp oberhalb der Marke von 4500 Zählern zum Halten.
Auslöser dafür war der Kursrutsch an der New Yorker Technologiebörse Nasdaq vom Vortag, vor allem aber die schlechten Nachrichten vom US-Computerchipriesen Intel. Der Weltmarktführer hatte am Donnerstagabend seine Umsatzprognose unerwartet stark gesenkt und damit Schockwellen an den Weltbörsen ausgelöst. "Intel ist wie ein Maßstab für die Technologieindustrie, und es wird nun klar, dass die Erholung der Hightech-Werte sich weiter nach hinten verschiebt", sagte ein Marktexperte dazu.
Angesichts der düsteren Prognose des US-Konkurrenten brach auch die Aktie des Münchner Chipunternehmens Infineon ein. Das Papier verzeichnete die stärksten Verluste im DAX, zwischenzeitlich mehr als acht Prozent.
Ebenfalls außergewöhnlich starke Verluste musste die T-Aktie hinnehmen. Wie bei Intel waren auch hier schlechte Nachrichten vom Unternehmen der Grund: Wegen der Dividendenzahlung - Ende Mai wurden 1,6 Milliarden Euro an die Aktionäre ausgeschüttet - werde bei der Telekom in diesem Jahr der Schuldenabbau nicht deutlich vorankommen, sagte Finanzchef Karl-Gerhard Eick. Daraufhin sackte die T-Aktie auf einen neuen Tiefststand von 10,06 Euro - nur noch knapp oberhalb der magischen Marke von zehn Euro. Seit Wochenbeginn hatte sich der Titel damit um fast 15 Prozent verbilligt. "Die Börse will die Aktie unter zehn Euro sehen", sagte ein Aktienhändler in Frankfurt.
Börsenexperten haben derzeit wenig Hoffnung, dass die Kurse schon bald eine grundlegende Trendwende schaffen. Dem Markt fehle weiter das Vertrauen der Anleger, sagte Stefan Groskreutz, Analyst bei der Vereins- und Westbank, dem Abendblatt: "Hiobsbotschaften werden immer noch viel stärker gewichtet als die unverändert guten Konjunkturdaten."
Technisch gesehen stehe der deutsche Aktienmarkt "auf des Messers Schneide", meint der Experte. "Es wäre für den DAX extrem wichtig, dass er ein Niveau von gut 4500 Punkten halten kann. Schafft er das nicht, dann hätten wir die Marke vom 11. September wieder im Visier" - das waren rund 3800 Zähler. Zu umfangreichen Käufen auf dem aktuellen Kurslevel mag Groskreutz noch nicht raten: "Das Risiko für weitere Kursrückschläge ist noch relativ hoch."
Etwas zuversichtlicher gibt sich Wiebke Hagen, Analystin der Hamburger Conrad Hinrich Donner Bank. "Bei 4500 bis 4400 Punkten sollte der DAX seinen Boden gefunden haben." Ein Risiko für wesentlich niedrigere Kurse bestehe nur dann, wenn die Gefahr eines offenen Krieges im Nahen Osten oder im Kaschmir extrem zunehme. Allerdings meint auch Wiebke Hagen: "An der Börse ist noch nicht alles im Reinen." Zwar sei die Stimmung im Hinblick auf die Konjunktur gut, aber die Prognosen der Unternehmen seien noch "sehr verhalten".
Ähnlich sieht es Bernd Schimmer von der Haspa. "Man kann zuversichtlich sein, dass sich der Markt um die Marke von 4500 Punkten einpendelt", sagte der Experte. Zwar sei im schlimmsten Fall nicht auszuschließen, dass der DAX noch einmal unter 4000 Zähler fällt, aber nur wenn in den derzeitigen Krisenregionen ein Krieg ausbreche oder ein neuer, schwerer Terroranschlag verübt werde.
Grundsätzlich hält Schimmer die deutschen Aktien gegenwärtig für unterbewertet. Er sieht den Zielkorridor bei etwa 5000 Punkten im DAX. Letztlich würden sich diese fundamentalen Daten am Markt auch durchsetzen - aber "wann, das wissen wir natürlich nicht". (HA/v.m.)