Q-Cells und Co. im freien Fall -
Was ist los mit den Solarwerten?
Armin Brack, Chefredakteur |
Lieber Geldanleger,
es ist noch keine drei Monate her, dass die deutschen Solargrößen Q-Cells und Solarworld gefeierte Börsenstars waren.
Vor allem die Q-Cells-Aktie kletterte dynamisch von Hoch zu Hoch. Nun hat sich die Aktie in nur zehn Wochen halbiert. Andere Solartitel aus dem TecDAX hat es ähnlich heftig getroffen. Und das trotz steigender Ölpreise. Was passiert ist? Wie es weitergeht?
Das Erstaunliche: An den Szenarien für die weitere Entwicklung der Solarbranche insgesamt hat sich letztlich in den vergangenen Wochen genauso wenig verändert wie an den Aussichten der einzelnen Unternehmen.
Im Gegenteil: Der bis vor zwei Tagen massiv weiter ansteigende Ölpreis lässt alternative Energien im Verhältnis immer wirtschaftlicher und damit gefragter werden. Q-Cells konnte mit den Jahreszahlen sowohl die Umsatz- als auch die operativen Gewinnschätzungen klar schlagen. Lediglich auf Grund der schlechteren operativen Entwicklung bei der REC-Beteiligung (norwegischer Waferproduzent) blieb das Nettoergebnis etwas hinter den Erwartungen zurück. Der Ausblick fiel ebenfalls positiv aus.
Solarworld musste zwar die angepeilten Wachstumsprognosen leicht von 30 auf 25 Prozent pro Jahr zurücknehmen, konnte die Erwartungen im Großen und Ganzen aber ebenfalls erfüllen.
• Solarworld | ||
• WKN / Symbol | 510840 / SWV | |
• Börsenwert | 3 Mrd. Euro | |
• KGV 08e | 19 | |
• Div.-Rend. 08e | 0,6 % | |
• Akt. Kurs | 26,48 Euro | |
Wo liegen also die Ursachen für den starken Kursrückgang?
*Krisenstimmung am Gesamtmarkt
Wir sehen ein Phänomen, das Analysten gerne "allgemein rückläufige Bewertungsmultiples in der Branche" nennen und als Begründung für die Reduzierung von Kurszielen angeben, wenn sie sonst keine finden.
Manche Analysten machen von dieser Möglichkeit Gebrauch, andere nicht. Das führt dann zu der leicht schizophrenen Situation, dass das eine Lager Kursziele für Q-Cells von 100 Euro und mehr beibehält, während die andere Seite versucht, sich durch schrittweise Kursziel-Reduktionen an den aktuellen Kurs heranzupirschen.
Die Sinnhaftigkeit dieses Treibens sei mal dahin gestellt. Der Anleger, der auf Analysten vertraut (obwohl das eigentlich kein Anleger tun sollte!) kann sich nun heraussuchen, ob er an die 109 Euro von SES Research oder an die 43,30 Euro von Goldman Sachs glaubt. Eine ziemlich weite Spanne, finden Sie nicht auch?
Angesichts der vielen Unbekannten sind Prognosen - das muss zur Verteidigung der Zunft gesagt werden - aber gerade in der Solarbranche äußerst schwierig. Dazu weiter unten gleich mehr.
Um die obige Frage konkret zu beantworten: Eine Ursache ist schlicht der stark fallende Gesamtmarkt und die schwache Marktbreite, die zu Kursrückgängen quer durch alle Sektoren geführt haben (wenn wir mal Sonderfälle wie bspw. den Agrarsektor außen vor lassen).
Meist sind dabei Aktien aus Wachstumsbranchen wie der Solarindustrie besonders stark betroffen, weil sehr hohe Bewertungen (und damit hohe Zukunftserwartungen) in den Kursen eingepreist waren und bei wirtschaftlichen Eintrübungen gleichzeitig auch die Wachstumserwartungen für die Zukunft zurückgeschraubt werden.
*Die Milliarden-Euro-Frage - Überkapazitäten ja oder nein?
Für die Solarbranche kommt ein spezifisches Problem hinzu. Die Milliarden-Euro-Frage lautet hier: Kann das explodierende Angebot an Silizium bzw. Solarmodulen vom Markt auch in 2009 und 2010 noch aufgenommen werden, oder drohen Überkapazitäten?
Überkapazitäten sind gefürchtet, weil dann die Solarmodulpreise unter Druck kämen, was entlang der gesamten Wertschöpfungskette die aktuell meist sehr komfortablen Gewinnmargen der Unternehmen unter Druck brächte. Bei sinkenden Gewinnmargen wären aber die aktuellen Börsenbewertungen, die bei Top-Unternehmen wie Q-Cells immer noch ein Vielfaches des Umsatzes ausmachen, nicht zu rechtfertigen. Die Folge: Fallende Kurse!
Beispiel Q-Cells: Das Unternehmen hat 2007 859 Millionen Euro umgesetzt. Selbst nach dem dramatischen Kursrückgang beträgt die Marktkapitalisierung aber immer noch 3,4 Milliarden Euro, also rund das Vierfache des Umsatzes. Zum Vergleich: Intel, der weltgrößte Computerchiphersteller, kommt momentan auf einen Wert von 3,2 - und das Unternehmen aus dem Silicon Valley hat die unumstrittene Marktführerschaft bei Computerchips inne.
Auch auf Basis des für 2008 erwarteten Gewinns ist Q-Cells mit einem KGV von 23 klar teurer als Intel. Dafür sind die Wachstumsperspektiven von Q-Cells im explodierenden Solarmarkt exzellent, während sich Intel mit dem gesättigten PC-Markt herumschlagen muss.
Der Knackpunkt: Die quasi sicheren zukünftigen Umsatzsteigerungen bei Q-Cells und Co. wirken sich nur dann auch positiv auf die Gewinne aus, wenn die Margen zumindest einigermaßen gehalten werden können.
*Warum die Prognose in diesem Fall so schwierig ist
"Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen", kalauerte schon Mark Twain. Abzuschätzen wie sich das Angebots/Nachfrage-Verhältnis bei Solarmodulen entwickelt gehört sicherlich zu den besonders schwierigen Prognosen, weil so viele Unbekannte mit im Spiel sind. Eines der Hauptprobleme: Die Entwicklung der staatlichen Subventionen für die Solarenergie ist ein Politikum!
In vielen europäischen Ländern werden die Förderungen in den kommenden Monaten und Jahren gekürzt, für die USA wird aber spätestens ab 2010 ein enormer Boom mit Milliardeninvestitionen und -subventionen von staatlicher Seite vorhergesagt. Die Zeitschrift "Spektrum der Wissenschaft" berichtet in der aktuellen Ausgabe vom "Solar Grand Plan" in den USA. Der Hintergrund: Drei US-Wissenschaftler legen in einer Studie ein dezidiertes Konzept vor, wie bis zum Jahr 2050 die Solarenergie 70 Prozent des Strombedarfs und 35 Prozent des Gesamtenergiebedarfs der USA abdecken kann.
Die Solaranalysten PHOTON Consulting und Chris Porter haben sich trotzdem an eine konkrete Prognose gewagt. Diese fällt in Punkto Produktionskapazität ähnlich aus. Bis 2010 sollte sich die produzierte Gesamtleistung an Solarstrom auf rund 20 bis 25 Gigawatt pro Jahr belaufen. Damit kündigt sich eine wahre Produktionsexplosion gegenüber den erreichten 3,9 Gigawatt in 2007 an.
Unterschiedlicher Ansicht sind die beiden Experten allerdings bei der Frage, ob der Markt diese Kapazitäten tatsächlich aufnehmen kann. Porter meint ja und rechnet damit, dass ein Modul im Jahr 2010 für durchschnittlich 3,03 US-Dollar verkauft werden wird, bei Produktionskosten von 1,60 US-Dollar. Damit würden die Gewinnmargen für die Solarzellen- und Solarmodulproduzenten zu halten sein.
Kernannahmen dieser Prognose sind jedoch weiter steigende Strompreise in den wichtigsten Solarmärkten, die politische Unterstützung in neuen und existierenden Märkten sowie weiter moderate Zinssätze.
Selbst wenn diese Kernannahmen einträfen, bezweifeln jedoch andere Experten, dass das Porter-Szenario eintritt. Sie befürchten beispielsweise, dass dann die konventionelle Energiewirtschaft massiv gegen den Solarstrom-Markt lobbyieren könnte.
*Letzter Stand der Dinge
Letzter Stand der Dinge ist jedenfalls, dass Analysten den Solar-Sektor tendenziell kritischer sehen. So stufte Commerzbank-Analyst Robert Schramm heute ErSol, einen weiteren deutschen Solarzellenproduzenten von "Add" auf "Hold" zurück. Begründung: Die Preise für Wafer und Solarzellen dürften angesichts von Unsicherheiten über die Nachfrage in den kommenden Jahren stärker fallen als bisher angenommen.
Leider kommt diese Abstufung etwas spät für die Aktionäre. Noch am 14. Februar lautete die Einschätzung auf "Kaufen" mit Kursziel 72,00 Euro. Aktuell notiert das Papier nur noch bei 49,85 Euro.
Auf jeden Fall gilt für Sie als Anleger: Nur große marktführende Werte wie Q-Cells und Solarworld in Deutschland können auch einen möglichen Einbruch der Gewinnmargen gut verdauen und gegebenenfalls gestärkt aus einem Konsolidierungsprozess hervorgehen.
MEIN FAZIT:
- In den ersten zwölf Wochen des neuen Jahres kam es zu einem massiven Kurseinbruch bei Solaraktien.
- Ursache war/ist der schwache Gesamtmarkt, das relativ hohe Bewertungsniveau und Ängste über Überkapazitäten bei Silizium und Solarmodulen.
- Die Prognose der Angebots/Nachfrage-Entwicklung ist extrem schwierig, da sie von vielen unterschiedlichen Variablen wie beispielsweise auch politischen Entscheidungen abhängt. Die Gefahr von Überkapazitäten und damit fallenden Preisen ist aber ohne Zweifel gegeben.
- Anleger sollten sich auf marktführende Werte fokussieren, die aus einer drohenden Konsolidierung als Gewinner hervorgehen könnten.