Das Millionen-Mundwerk (EurAmS)
In den USA ist der schrille Radiomoderator Howard Stern Kult. Neuerdings sendet er nur noch für die Abonnenten von Satelliten-Radios. Die Börse ist auf Empfang
Howard Stern läuft erst jenseits aller Geschmacksgrenzen zur Hochform auf. Der 52jährige Radiomoderator schildert mit Vorliebe sein Sexualleben, lästert über Vorgesetzte, demütigt seine Zuhörer. Sein Aufstieg zum Kultmoderator begann 1982, als ein Flugzeug der Air Florida in Washington in den Potomac-Fluß stürzte und alle Passagiere starben. Stern rief in seiner Sendung bei Air Florida an und fragte, was ein One-Way-Ticket zur Absturzstelle kosten würde. "Das war das Geschmackloseste, was ich je erlebt habe", erinnert sich US-Komiker David Brenner, "aber ich sagte zu meinem Manager, wir müssen in seine Show."
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Daß Stern seine Arbeitgeber regelmäßig wechseln muß, ist wenig verwunderlich. Seit Januar ist er mit seiner Firma Partner des US-Satellitenbetreibers Sirius Radio und mit zwei Kanälen auf Sendung. Die Folgen des neuen Jobs sollen sich auch an der Wall Street bemerkbar machen, schließlich ist der Sender eine Börsengesellschaft. Tatsächlich stieg schon im Vorfeld von Sterns Engagement bei Sirius die Zahl der Abonnenten von
600000 auf drei Millionen. Seine Fan-Schar in Amerika wird insgesamt auf zwölf Millionen geschätzt, das Sirius-Debüt wurde als nationales Ereignis behandelt.
Sagenhafte 500 Millionen Dollar – inklusive eines dicken Aktienpakets – ließ sich Sirius den Fünf-JahresVertrag mit Stern kosten. "Jeder Sender braucht Kult-sendungen, um über sich hinauszuwachsen", meint Robert Thomson, Professor für Medien und Kultur an der Universität von Syracuse. "Howard Stern hat eine große Zuhörerschaft, die bereit wäre, ihm sogar auf den Neptun zu folgen. Sirius baut darauf." Bisher funktioniert es. Sirius holt gegenüber Marktführer XM Satellite mit seinen sechs Millionen Kunden auf. Die Betreiber senden über eigene Satelliten und verkaufen ihre Inhalte via Monatsabos. Bei XM Satellite sind für die Auswahl unter 160 werbefreien Kanälen monatlich 12,95 Dollar fällig, bei Sirius sind es für 125 Kanäle ebenfalls 12,95 Dollar. Hierzulande ist das Geschäft noch im Aufbau. Und auch der US-Markt, den die beiden Sender unter sich aufteilen, steht erst am Anfang. Nach Schätzungen der Citigroup-Analystin Eileen Furukawa wird XMs Abo-Stamm bis 2015 auf 29 Millionen wachsen. Sirius soll dann 22 Millionen Kunden haben. Der Markt für klassische Radiostationen soll dagegen nur gemächlich wachsen. Die Hürden für Neueinsteiger im Satelliten-Business liegen derzeit unerreichbar hoch. Die Rundfunk-Aufsichtsbehörde FCC hat nur zwei Lizenzen vergeben. "Wir gehen davon aus, daß die FCC das nicht ändern wird", sagt Furukawa. Angesichts dieser kommoden Situation haben sich beide Satelliten-Firmen exklusive Inhalte gesichert: XM Satellite überträgt Baseball und ab 2007 auch die Eishockey-Spiele der NHL-Liga. Sirius hat Football (NFL) und Autorennen (NASCAR). Zum Sport kommen eigene Sendungen von Stars wie Bob Dylan (XM) oder Bruce Springsteen und Eminem (beide Sirius).
Als Multiplikator haben die Sender die Auto-Industrie unter sich aufgeteilt: Kaum ein Neuwagen in den USA wird ohne Empfang für Satellitenradio ausgeliefert. XM (unter anderem General Motors, Toyota, Nissan) beliefert 55 Prozent des Marktes, Sirius (unter anderem DaimlerChrysler, BMW, Ford) 39 Prozent. Und beide Firmen haben auch noch ordentlich Geld auf der Bank: XM Satellite 754 Millionen Dollar, Sirius 934 Millionen. Das reicht nach Ansicht Furukawas aus, um die Durststrecke bis zur Gewinnschwelle zu überstehen. Howard Stern jedenfalls bescherte der neue Job eine ganz neue Redefreiheit. Insgesamt 2,5 Millionen Dollar mußten seine jeweiligen Sender bis dato an die FCC zahlen, die auch für die sittliche Überwachung der Radioprogramme zuständig ist. "Wir haben alle Regeln gebrochen, die der Radiowelt und die der Menschheit. Ich bin stolz darauf", feiert Stern sich selbst. Bei Sirius ist der Provokateur vor den Moralaposteln der FCC sicher. Denn obwohl die Behörde die Lizenzen vergibt, unterstehen die Satellitensender nicht ihrer Aufsicht. Für Stern eine Steilvorlage: "Laßt die Freiheitsglocken von einem Stripper läuten. Wir haben sie in ihrem eigenen Spiel geschlagen."