Seitwärtsbewegung und Nanotechnologie – was von den nächsten 15 Jahren zu erwarten ist
von Jochen Steffens
Ihre Reaktionen auf manche Artikel sind für mich zumeist sehr interessant. Auch auf den gestrigen Artikel erhielt ich mehrere Mails von Ihnen. Auf einer dieser Mails möchte ich hier eingehen. Diese Mail bezog sich auf meine "Prognose" zur langjährigen Seitwärtsbewegung, an der sich bereits Mitte letzten Jahres die Gemüter erhitzten. Ein Leser hoffte, dass ich von 10-15 Monaten Seitwärtsbewegung ausgehe und nicht 10-15 Jahren. Er verwies darauf, dass ein solcher Zeitraum kaum seriös vorhersehbar sei.
Es stimmt, wer kann schon seriös voraussagen, was in der nächsten Stunde passieren wird. Aber gerade an der Börse sind die längerfristigen Prognosen oft sogar überschaubarer als die kurzfristigen Prognosen. Bei langfristigen Prognosen gleichen sich die tagesaktuellen Geschehnisse gerne aus, sie sind nur kleine unbedeutende Zacken in dem Verlauf der Ereignisse. Selbst der Einbruch am 11. September 2001 wurde in nur 2 Monaten wieder aufgeholt und erst danach fuhr die Börse mit dem fort, was sie schon vorher gemacht hat: Fallen!
Dabei ist es nicht so, dass ich einfach eine Prognose salopp in den Raum geworfen habe. Dieser Vermutung liegen gründliche Recherchen und historische Gesetzmäßigkeiten der Börse zu Grunde. Eine von diesen lautet: Nach einem großen Boom folgt ein tiefer Crash, der in einer 15-20 jährigen Seitwärtsbewegung mündet. Diese historisch nachweisbare Erkenntnis bestätigte sich in der jüngsten Entwicklung Japans. Dort bewegen sich die Märkte seit dem Crash 1989/90 in einer großen Seitwärtsbewegung und das nun schon seit 12-14 Jahren.
Kern dieser Seitwärtsbewegung sind große Marktbewegungen, die den Nikkei teilweise um über 50 % anstiegen ließen. Das heißt, es gab immer wieder lange Bärenmarktrallyes und erneute Einbrüche. Seitwärtsbewegung nennt man das deswegen, da ein japanischer Kostolany nach langem Schlaf aufgewacht wäre und müde hätte feststellen müssen, dass seine Aktien immer noch, nach 15 Jahren, keinen Gewinn erwirtschaftet hätten.
Gut, was in der Geschichte passiert ist, kann, muss sich aber nicht wiederholen. Doch es gibt noch weitere Anhaltspunkte, die für eine Seitwärtsbewegung sprechen. Die letzten beiden Jahrhunderte waren geprägt von mehreren technologischen Revolutionen, die ihrerseits immer wieder zu neuen Haussen an den Börsen geführt haben. Die Eisenbahn, der Fernseher, Transistor bis hin zum Computerchip. Der Wirtschaftsboom, der durch den Computerchip eingeleitet wurde, startete in den 80er Jahren. Der Chip revolutionierte nicht nur unser Alltagsleben, sondern die gesamte Produktionsabläufe und Produktionsstätten der westlichen Industrieländer.
Sie müssen sich vorstellen, welcher Aufwand betrieben wurde, um die gesamte Produktion der Waren und Produktionsstätten zu "vercomputerisieren" – weltweit! Einerseits wurden unglaubliche Mengen an Chips gebraucht, gleichzeitig fand aber eine grundlegende Erneuerung der gesamten Produktion statt. Neue Maschinen wurden konstruiert, neue Produktionstechniken und -verfahren wurden erst durch die Computer möglich. Die Wissenschaft erlebte ebenfalls die umfassendste Hausse der Geschichte.
Diese Umwälzung war nur möglich, da die Einführung des Computerchips, der Roboter etc, versprach, die Investitionskosten in kürzester Zeit zu amortisieren. Es ist nicht zu beziffern, wie viele Billionen Dollar die Erneuerung der Produktion einerseits gekostet hat, und anderseits, wie viel wiederum die Wirtschaft "eingespart" hat. Neue Arbeitsplätze wurden geschaffen, die andere, wegrationalisierte Arbeitsplätze, zum Teil ersetzten konnten. Und so begann mit der Erfindung des Computerchips einer der größten Wirtschaftsbooms gefolgt von einer umfassenden bisher nie dagewesenen Veränderung des Lebensalltags bis hin zum Internet.
Und wir alle saßen während dies geschah in unseren Fernsehsesseln, habe diese gigantischen Veränderungen kaum wahrgenommen und uns weiter für die Spätnachrichten interessiert.
Doch diese Phase der Umwälzung ist nun vorbei. Natürlich wird der Chip sich weiterentwickeln. Doch die Weiterentwicklungen werden voraussichtlich nicht mehr zu solch dramatischen Veränderungen führen. Diese neue Technologie hat sich etabliert. Nun warten wir im Prinzip auf einen neuen Boom, der ähnliche dramatische Auswirkungen auf unseren Alltag haben wird. Eine neue Technologie, die uns wieder eine derartige Veränderungsbedarf bringen kann und dadurch die Börsen in eine neue Hausse zwingen. Bis dahin ist warten angesagt – mit anderen Worten: Seitwärtsbewegung!
Und am Horizont ist auch schon etwas zu erkennen, das noch theoretisch, aber prinzipiell in der Lage wäre, unseren Alltag bis hin zu Produktion und Wissenschaft derart dramatisch zu verändern und damit einen neuen, möglicherweise noch wesentlich umfassenderen Wirtschaftsboom einzuleiten: Die Nanotechnologie.
Die ersten Produkte und Verfahren sind überaus vielversprechend. Doch der Durchbruch der Nanotechnologie wird noch einige Zeit auf sich warten lassen. Mein Schwager, Professor für Oberflächenphysik, steht auf dem Standpunkt, dass die Nanotechnologie noch mindestens 15-20 Jahre brauchen wird, bis sie den Kinderschuhen entwachsen ist.
Vergleicht man dies mit dem Chipboom, befinden wird uns vielleicht im Jahre 1974 (hm, war damals nicht eine Ölkrise?)
Und damit wären wir bei dem letzten Punkt. Die Verknappung der Rohstoffe könnte dazu führen, dass eine Technologie vorangetrieben wird, die bisher mehr Utopie als Realität ist:
Der umstrittene Wissenschaftler Eric Drexler glaubt, dass die meisten Produkte in nicht allzuferner Zukunft durch "molekularen Fabriken" hergestellt werden. Dort werden so genannte "molekulare Assembler" spezielle chemische Reaktionen zwischen Atomen steuern und somit Stück für Stück die gewünschten Güter oder Rohstoffe zusammenbauen. Eine solche fortgeschrittene Technologie könnte herkömmliche Produktionsmethoden ersetzen. Probleme wie Materialvergeudung, Produktionsabfälle, Luft- und Wasserverschmutzung, sogar Energie und Rohstoffprobleme würden der Vergangenheit angehören.
Sie denken nun, das sei völlig unmöglich? Das ist es nicht, wir erleben dieses Prozess jeden Tag am eigenen Leibe. Denn im Prinzip machen unsere Körperzellen nichts anderes.
Wie dem auch sei. Im Moment ist noch nicht abzusehen, was passiert. Aber zurzeit ist keine neue Technologie in Sicht, die das Potential hat, in den nächsten Jahren, die Wirtschaft wieder derart anzuheizen – solange das der Fall ist – Seitwärtsbewegung.
Zum Markt:
Furchtbar unentschlossenes Hin und Her. Der Markt weiß nicht wohin er will. Vielleicht wird diese Unentschlossenheit sogar noch bis zur US-Wahl in zwei Wochen anhalten. Selbst der Ölpreis will nicht weiter fallen, obwohl Russland erneut betonte, dass es zu keinen Beeinträchtigungen durch den Verkauf von Juganskneftegas, der wichtigste Förderbetrieb des Yukos Konzerns, kommen werde. Mehr zum Öl bei den Konjunkturdaten.
von Jochen Steffens
Ihre Reaktionen auf manche Artikel sind für mich zumeist sehr interessant. Auch auf den gestrigen Artikel erhielt ich mehrere Mails von Ihnen. Auf einer dieser Mails möchte ich hier eingehen. Diese Mail bezog sich auf meine "Prognose" zur langjährigen Seitwärtsbewegung, an der sich bereits Mitte letzten Jahres die Gemüter erhitzten. Ein Leser hoffte, dass ich von 10-15 Monaten Seitwärtsbewegung ausgehe und nicht 10-15 Jahren. Er verwies darauf, dass ein solcher Zeitraum kaum seriös vorhersehbar sei.
Es stimmt, wer kann schon seriös voraussagen, was in der nächsten Stunde passieren wird. Aber gerade an der Börse sind die längerfristigen Prognosen oft sogar überschaubarer als die kurzfristigen Prognosen. Bei langfristigen Prognosen gleichen sich die tagesaktuellen Geschehnisse gerne aus, sie sind nur kleine unbedeutende Zacken in dem Verlauf der Ereignisse. Selbst der Einbruch am 11. September 2001 wurde in nur 2 Monaten wieder aufgeholt und erst danach fuhr die Börse mit dem fort, was sie schon vorher gemacht hat: Fallen!
Dabei ist es nicht so, dass ich einfach eine Prognose salopp in den Raum geworfen habe. Dieser Vermutung liegen gründliche Recherchen und historische Gesetzmäßigkeiten der Börse zu Grunde. Eine von diesen lautet: Nach einem großen Boom folgt ein tiefer Crash, der in einer 15-20 jährigen Seitwärtsbewegung mündet. Diese historisch nachweisbare Erkenntnis bestätigte sich in der jüngsten Entwicklung Japans. Dort bewegen sich die Märkte seit dem Crash 1989/90 in einer großen Seitwärtsbewegung und das nun schon seit 12-14 Jahren.
Kern dieser Seitwärtsbewegung sind große Marktbewegungen, die den Nikkei teilweise um über 50 % anstiegen ließen. Das heißt, es gab immer wieder lange Bärenmarktrallyes und erneute Einbrüche. Seitwärtsbewegung nennt man das deswegen, da ein japanischer Kostolany nach langem Schlaf aufgewacht wäre und müde hätte feststellen müssen, dass seine Aktien immer noch, nach 15 Jahren, keinen Gewinn erwirtschaftet hätten.
Gut, was in der Geschichte passiert ist, kann, muss sich aber nicht wiederholen. Doch es gibt noch weitere Anhaltspunkte, die für eine Seitwärtsbewegung sprechen. Die letzten beiden Jahrhunderte waren geprägt von mehreren technologischen Revolutionen, die ihrerseits immer wieder zu neuen Haussen an den Börsen geführt haben. Die Eisenbahn, der Fernseher, Transistor bis hin zum Computerchip. Der Wirtschaftsboom, der durch den Computerchip eingeleitet wurde, startete in den 80er Jahren. Der Chip revolutionierte nicht nur unser Alltagsleben, sondern die gesamte Produktionsabläufe und Produktionsstätten der westlichen Industrieländer.
Sie müssen sich vorstellen, welcher Aufwand betrieben wurde, um die gesamte Produktion der Waren und Produktionsstätten zu "vercomputerisieren" – weltweit! Einerseits wurden unglaubliche Mengen an Chips gebraucht, gleichzeitig fand aber eine grundlegende Erneuerung der gesamten Produktion statt. Neue Maschinen wurden konstruiert, neue Produktionstechniken und -verfahren wurden erst durch die Computer möglich. Die Wissenschaft erlebte ebenfalls die umfassendste Hausse der Geschichte.
Diese Umwälzung war nur möglich, da die Einführung des Computerchips, der Roboter etc, versprach, die Investitionskosten in kürzester Zeit zu amortisieren. Es ist nicht zu beziffern, wie viele Billionen Dollar die Erneuerung der Produktion einerseits gekostet hat, und anderseits, wie viel wiederum die Wirtschaft "eingespart" hat. Neue Arbeitsplätze wurden geschaffen, die andere, wegrationalisierte Arbeitsplätze, zum Teil ersetzten konnten. Und so begann mit der Erfindung des Computerchips einer der größten Wirtschaftsbooms gefolgt von einer umfassenden bisher nie dagewesenen Veränderung des Lebensalltags bis hin zum Internet.
Und wir alle saßen während dies geschah in unseren Fernsehsesseln, habe diese gigantischen Veränderungen kaum wahrgenommen und uns weiter für die Spätnachrichten interessiert.
Doch diese Phase der Umwälzung ist nun vorbei. Natürlich wird der Chip sich weiterentwickeln. Doch die Weiterentwicklungen werden voraussichtlich nicht mehr zu solch dramatischen Veränderungen führen. Diese neue Technologie hat sich etabliert. Nun warten wir im Prinzip auf einen neuen Boom, der ähnliche dramatische Auswirkungen auf unseren Alltag haben wird. Eine neue Technologie, die uns wieder eine derartige Veränderungsbedarf bringen kann und dadurch die Börsen in eine neue Hausse zwingen. Bis dahin ist warten angesagt – mit anderen Worten: Seitwärtsbewegung!
Und am Horizont ist auch schon etwas zu erkennen, das noch theoretisch, aber prinzipiell in der Lage wäre, unseren Alltag bis hin zu Produktion und Wissenschaft derart dramatisch zu verändern und damit einen neuen, möglicherweise noch wesentlich umfassenderen Wirtschaftsboom einzuleiten: Die Nanotechnologie.
Die ersten Produkte und Verfahren sind überaus vielversprechend. Doch der Durchbruch der Nanotechnologie wird noch einige Zeit auf sich warten lassen. Mein Schwager, Professor für Oberflächenphysik, steht auf dem Standpunkt, dass die Nanotechnologie noch mindestens 15-20 Jahre brauchen wird, bis sie den Kinderschuhen entwachsen ist.
Vergleicht man dies mit dem Chipboom, befinden wird uns vielleicht im Jahre 1974 (hm, war damals nicht eine Ölkrise?)
Und damit wären wir bei dem letzten Punkt. Die Verknappung der Rohstoffe könnte dazu führen, dass eine Technologie vorangetrieben wird, die bisher mehr Utopie als Realität ist:
Der umstrittene Wissenschaftler Eric Drexler glaubt, dass die meisten Produkte in nicht allzuferner Zukunft durch "molekularen Fabriken" hergestellt werden. Dort werden so genannte "molekulare Assembler" spezielle chemische Reaktionen zwischen Atomen steuern und somit Stück für Stück die gewünschten Güter oder Rohstoffe zusammenbauen. Eine solche fortgeschrittene Technologie könnte herkömmliche Produktionsmethoden ersetzen. Probleme wie Materialvergeudung, Produktionsabfälle, Luft- und Wasserverschmutzung, sogar Energie und Rohstoffprobleme würden der Vergangenheit angehören.
Sie denken nun, das sei völlig unmöglich? Das ist es nicht, wir erleben dieses Prozess jeden Tag am eigenen Leibe. Denn im Prinzip machen unsere Körperzellen nichts anderes.
Wie dem auch sei. Im Moment ist noch nicht abzusehen, was passiert. Aber zurzeit ist keine neue Technologie in Sicht, die das Potential hat, in den nächsten Jahren, die Wirtschaft wieder derart anzuheizen – solange das der Fall ist – Seitwärtsbewegung.
Zum Markt:
Furchtbar unentschlossenes Hin und Her. Der Markt weiß nicht wohin er will. Vielleicht wird diese Unentschlossenheit sogar noch bis zur US-Wahl in zwei Wochen anhalten. Selbst der Ölpreis will nicht weiter fallen, obwohl Russland erneut betonte, dass es zu keinen Beeinträchtigungen durch den Verkauf von Juganskneftegas, der wichtigste Förderbetrieb des Yukos Konzerns, kommen werde. Mehr zum Öl bei den Konjunkturdaten.