Schwedische Content-Anbieter filtern nach Provider

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Schwedische Content-Anbieter filtern nach Provider

 
21.07.01 13:08
Schwedische Content-Anbieter filtern nach Providern
[21.07.2001 12:32 ]

Eine Grafik[1] auf der Homepage des schwedischen Startups TRIC[2] zeigt es auf den ersten Blick: Hier fließt anscheinend etwas nur in die eine, aber nicht in die andere Richtung. Die einleuchtende Erkenntnis der Firma: Während die Internet Provider (ISPs) seit Jahren für den Zugang zu Inhalten im Netz eine Gebühr verlangen und diese auch bezahlt bekommen, bleiben den Web-Anbietern selbst hochwertigster Inhalte nur die Einnahmen durch Werbung oder eigene Abo-Dienste.

Das Neun-Mann-Unternehmen, dessen Name ausgeschrieben so viel wie "True revenue for Internet content" bedeutet, will den gebeutelten Produzenten von Netz-Content einen alten Traum erfüllen: Die User kosten nicht nur Geld für Traffic und Inhalte-Erstellung, sondern bringen bei jedem Besuch die Kasse zum Klingeln. Zahlen sollen dafür die Provider: Ein Filter, implementiert auf den Webservern der Content-Anbieter, soll "zahlende" und "nicht zahlende" Kunden unterscheiden – die IP-Adresse ihres Internet-Anbieters macht sie erkennbar. Nutzer fremder Provider erhielten dann zum Beispiel ein "Access Denied" oder ein abgespecktes Angebot, während "paying customers" die volle Breite einer Site zu sehen bekommen.

Der erste Markt soll die Heimat Schweden sein – hier soll das Experiment bereits im September startet. Danach soll das System nach und nach in andere europäische Länder und in die USA gebracht werden. 70 Prozent der wichtigsten schwedischen Inhalte-Lieferanten will TRIC inzwischen vertraglich gebunden haben, beispielsweise das größte Portal des Landes, ScandinaviaOnline.se[3] oder den einflussreiche Finanzdienst Ekonomi24[4]. Mit den großen schwedischen Providern befindet man sich laut TRIC-Gründer Markus Aglander, "in abschließenden Verhandlungen", wie er im Gespräch mit heise online sagte. Sie seien zwar nicht froh darüber, nun zur Kasse gebeten zu werden, sähen aber den Punkt: "Das große Risiko der heutigen Zeit ist nicht unser Filter, sondern dass die Inhalte-Anbieter möglicherweise auf längere Sicht nicht überleben werden. Das kann den ISPs nicht recht sein."

TRIC will von Providern pro Kunde und Monat rund einen Dollar verlangen und diese Summe dann prozentual an die Inhalte-Anbieter verteilen – wer mehr Nutzer angezogen hat, bekommt auch mehr. Schätzungsweise zehn Prozent will man als Kommission nehmen. Doch die 1-Dollar-"Flatfee" ist erst der Anfang: Nach und nach sollen zeitabhängige Tarife und Gebühren für einzelne Abfragen über die Provider-Rechnung laufen. Aglander erwartet nicht, dass die schwedischen Internet-Anbieter im ersten Schritt ihre Preise erhöhen, rechnet damit aber in Zukunft: "Wir wollen eine Art Win-Win-Situation für Content-Anbieter und Provider herstellen."

Die Technologie zum Aussperren einzelner Benutzergruppen ist in ihren Grundzügen unter anderem längst im vielfach verwendeten Webserver Apache[5] vorhanden: Das Modul mod_access[6] steuert über die Direktiven "Allow" und "Deny" den Zugriff auf einzelne Seiten oder ganze Sites bis in einzelne Subnetze hinunter. TRIC hat für seine nicht unähnliche, wenn auch angeblich ausgefeiltere Methodik nun weltweit Patente angemeldet – ob diesen auch überall stattgegeben wird, ist mindestens zum Teil zweifelhaft.

Auch könnten Nutzer auf die Idee kommen, einfach auf dem Rechner eines zugelassenen Teilnehmers einen Proxy-Server zu installieren, über den dann auch Anfragen aus Fremdnetzen beantwortet würden. Die IP-Filterung würde so umgangen. TRIC meint jedoch, bereits eine Lösung für dieses Problem gefunden zu haben – wie genau, verschweigt die Firma derzeit noch. "Hacker sehen wir nicht als Problem", meint Aglander, "die kosten unsere Technik nur einige Stunden, um die Lücke zu stopfen".

Angst vor den großen Medienkonzernen hat die kleine schwedische Firma jedenfalls nicht. Sie sieht sich als "Intermediär" oder "Clearing House", also als Mittelsmann zwischen der nach Geldquellen Ausschau haltenden Inhalte-Wirtschaft, die nicht mehr an das Geschäft mit der Online-Werbung glaubt, und den Internet-Providern, die mit dem Verkauf von Netzzugängen bereits ein veritables Geschäftsmodell besitzen, bei dem nennenswerte Umsätze generiert werden. Nun müsse letzteren eben nur erklärt werden, dass sie etwas von ihren Einnahmen abgeben.

Der Erfolg der Firma hängt stark vom jeweiligen Markt ab. Während im kleinen Schweden mit seinen knapp 4 Millionen Internet-Usern eine überschaubare Anzahl an Web-Inhalteanbietern den lokalen Markt bedient, würden die Nutzer beispielsweise in den USA zumindest für die nachrichtliche Mindestversorgung Alternativen finden. Bemerkenswert bleibt die Zurückhaltung der großen Internet-Provider, eigene Zahlungssysteme einzuführen – trotz der vielfach wiederholten Bemerkung[7], das "Ende der Kostenlos-Kultur[8]" sei angebrochen.

In Deutschland verfügen sowohl die AOL-Tochter Compuserve als auch T-Online aus ihrer Zeit als reine Online-Dienste über ausreichende Erfahrungen im Einziehen von einzelnen Beträgen mittels jeweiliger proprietärer Systeme oder Clients. Kaum jemand scheint sich daran zu erinnern, dass beim T-Online-Vorläufer BTX einzelne (Sex-)Seiten bis zu 9 Mark 99 kosten konnten, während Compuserve gesalzende Stundennutzungspreise zu verlangen wusste. (Ben Schwan) / (jk[9]/c't)



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