Die psychologische Kriegsführung der USA hat begonnen – und trifft ein schwaches, isoliertes Regime
Seit Anfang dieser Woche landen in den früheren Sowjetrepubliken nördlich von Afghanistan immer mehr amerikanische Vorauskommandos. Sie spähen das Gelände aus, überprüfen ihre Karten, inspizieren den Zustand von Rollfeldern und Straßen. Eines der aus Amerika eingeflogenen Teams, „Commando Solo“, brachte mit Propellerflugzeugen des Typs EC-130E schweres elektronisches Gerät in die Region:mobile Radiostationen von beträchtlicher Sendeleistung.
Westliche Medienberichte, wonach bereits mehrere US-Sender in den Landessprachen nach Afghanistan hineinstrahlen, werden in Washington zwar nicht bestätigt, aber auch nicht dementiert. Flugblätter, in denen der baldige Untergang der Taliban-Herrschaft angekündigt wird, sollen bereits über afghanischen Siedlungen abgeworfen worden sein.
Ob per Radio, auf Papier oder gar über persönlich überbrachte Botschaften – es gehört zur Routine der US-Streitkräfte, alle Konflikte durch „Psychological Operations“ (PsyOp) vorzubereiten und zu begleiten. Flexible, sprachkundige Offiziere nehmen, stets im Zusammenspiel mit örtlichen Zulieferern, die Dinge in die Hand;zuletzt geschah dies auf dem Balkan. Aus Geheimhaltungsgründen dringt über konkrete Maßnahmen nur wenig an die Öffentlichkeit.
Im Anschluss an den Golfkrieg wurden einige grobe Umrisse bekannt. So warfen 1991 die amerikanischen Psycho-Krieger über den Stellungen irakischer Heeresverbände Flugblätter ab, in denen die Lage der Saddam-Getreuen als absolut aussichtslos beschrieben wurde. Wer aufgebe, werde gut und fair behandelt. Wer aber in den Stellungen verharre, werde am nächsten Tag Zeuge – und Opfer – der größten Bombenexplosionen, die derzeit auf der Erde mit konventionellen Mitteln herbeigeführt werden könnten.
Kurz zuvor hatte US-General Norman Schwarzkopf die Iraker erschreckt:Die Amerikaner erzeugten in der Luft über der Wüste einen kilometergroßen Benzinnebel, der dann gezündet wurde. Die Folge waren Blitze am Himmel, finstere Wolkenwände aus Sand und Donnerschläge von solcher Wucht, dass am Boden noch in weiter Entfernung Weltuntergangsstimmung aufkam. Die Waffensysteme wurden vorübergehend zur bloßen Kulisse der psychologischen Kriegsführung. Parallel waren im Radio irakische Überläufer zu hören, die ihren Namen und ihren bisherigen Dienstgrad nannten und den in den Schützengräben Zaudernden berichteten, wie gut Unterkunft und Verpflegung bei den „moslemischen Brüdern“ in Saudi-Arabien seien:Niemals wieder würden sie für Saddam Hussein kämpfen!
Irakische Offiziere berichteten nach demKrieg, die US-Propaganda habe die Moral ihrer Truppen erheblich geschwächt. „Aus der Mutter aller Schlachten, die Saddam ausgerufen hatte, wurde die Mutter aller Niederlagen“, höhnte der PsyOp-Offizier Andy Eisemann in den „Air Force News“.
Im Irak-Krieg wurden mehr als zehn Millionen Flugblätter abgeworfen. Mitte der neunziger Jahre haben die damals erfolgreichen Psycho-Einheiten erneut den Flugblattabwurf fern der Heimat geprobt – „in Südwest-Asien“, wie es hieß. Treffer sind dabei, besonders in dünn besiedelten und bergigen Regionen, keine Selbstverständlichkeit. Die Flugblätter werden gebündelt in einer anfangs per Leine mit dem Flugzeug verbundenen Box abgeworfen, die erst kurz über dem Zielort „explodiert“ und für die gewünschte Verbreitung sorgt.
Operationen wie diese, die weniger auf die physische als auf die psychische Kampfkraft des Gegners zielen, sind so alt wie die Geschichte der Kriege. Schon vor Jahrtausenden wussten chinesische Denker, dass es ausreicht, mit Worten Herz und Hirn des Feindes zu treffen, um ihn zu besiegen.
Zu den betrüblichsten Nachrichten für den Feind gehörte es zu allen Zeiten, wenn man ihm glaubwürdig seine völlige Isolierung und baldige Niederlage vor Augen führen konnte. Die Taliban in Afghanistan finden sich jetzt in einer Lage wieder, die geradezu lehrbuchhaft in die Konzepte psychologischer Kriegsführung passt:Das Regime ist weltweit diplomatisch ausgegrenzt, zugleich schreitet der militärische Aufmarsch der USA in der Region voran. Der östliche Nachbar Pakistan hat die Nachschublinien für die Taliban gekappt, alle früheren GUS-Republiken im Norden kooperieren mit den USA, der westliche Nachbar Iran hält ebenfalls den Daumen nach unten. Wohin sollen sich die Taliban nun noch wenden?
Gewiss werden viele Afghanen zunächst weiterhin lieber dem Taliban-Sender lauschen, der schon seit Tagen zum „Heiligen Krieg“ aufruft. Doch mancher wird früher oder später hellhörig werden, wenn in seiner Heimatsprache nächtens Berichte darüber zu hören sind, dass Furcht, Hunger und Elend ein Ende haben, wenn man nur die Seiten wechselt und sich der Nordallianz anschließt. In Kabul und Kandahar mag dieses Umdenken länger dauern;einige Bergstämme in dem schwer geprüften Land haben dagegen bereits Übung darin, ihre Kraft und Loyalität ohne Zögern jeweils dem Meistbietenden zu widmen.
Gerade in einem so armen Land wie Afghanistan dürfte die Lockung durch materielle Vorteile nicht ohne Folgen bleiben. US-Präsident George W. Bush hatte in seiner Rede vor dem Kongress betont, Amerika sei bereits in den vergangenen Jahren der größte Geber bei der Nahrungsmittelhilfe für Afghanistan gewesen. Daran schließen sich jetzt Spekulationen an, amerikanische Truppen könnten, wenn sie denn je in das Land einrücken, die Pose des Befreiers und humanitären Helfers einnehmen – ähnlich wie nach dem Zusammenbruch des Nazi-Regimes. Denkbar wäre auch Nahrungsmittelhilfe aus der Luft.
Die allmähliche Zermürbung des Taliban-Regimes jedenfalls erscheint auch ohne massive Militäreinsätze möglich – wobei freilich der US-Aufmarsch in der Region als Drohung unverzichtbar bleibt. Eine Konzentration auf intelligente PsyOp-Aktionen indessen würde zu den jüngsten Äußerungen aus Washington passen, wonach nicht mit großen Invasionen zu rechnen ist. Bushs Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice wies bereits den Weg: „Es steht ein Krieg der Nerven und des Willens bevor.“
Matthias Koch
aus der www.haz.de von heute
mfG: Speculator
Seit Anfang dieser Woche landen in den früheren Sowjetrepubliken nördlich von Afghanistan immer mehr amerikanische Vorauskommandos. Sie spähen das Gelände aus, überprüfen ihre Karten, inspizieren den Zustand von Rollfeldern und Straßen. Eines der aus Amerika eingeflogenen Teams, „Commando Solo“, brachte mit Propellerflugzeugen des Typs EC-130E schweres elektronisches Gerät in die Region:mobile Radiostationen von beträchtlicher Sendeleistung.
Westliche Medienberichte, wonach bereits mehrere US-Sender in den Landessprachen nach Afghanistan hineinstrahlen, werden in Washington zwar nicht bestätigt, aber auch nicht dementiert. Flugblätter, in denen der baldige Untergang der Taliban-Herrschaft angekündigt wird, sollen bereits über afghanischen Siedlungen abgeworfen worden sein.
Ob per Radio, auf Papier oder gar über persönlich überbrachte Botschaften – es gehört zur Routine der US-Streitkräfte, alle Konflikte durch „Psychological Operations“ (PsyOp) vorzubereiten und zu begleiten. Flexible, sprachkundige Offiziere nehmen, stets im Zusammenspiel mit örtlichen Zulieferern, die Dinge in die Hand;zuletzt geschah dies auf dem Balkan. Aus Geheimhaltungsgründen dringt über konkrete Maßnahmen nur wenig an die Öffentlichkeit.
Im Anschluss an den Golfkrieg wurden einige grobe Umrisse bekannt. So warfen 1991 die amerikanischen Psycho-Krieger über den Stellungen irakischer Heeresverbände Flugblätter ab, in denen die Lage der Saddam-Getreuen als absolut aussichtslos beschrieben wurde. Wer aufgebe, werde gut und fair behandelt. Wer aber in den Stellungen verharre, werde am nächsten Tag Zeuge – und Opfer – der größten Bombenexplosionen, die derzeit auf der Erde mit konventionellen Mitteln herbeigeführt werden könnten.
Kurz zuvor hatte US-General Norman Schwarzkopf die Iraker erschreckt:Die Amerikaner erzeugten in der Luft über der Wüste einen kilometergroßen Benzinnebel, der dann gezündet wurde. Die Folge waren Blitze am Himmel, finstere Wolkenwände aus Sand und Donnerschläge von solcher Wucht, dass am Boden noch in weiter Entfernung Weltuntergangsstimmung aufkam. Die Waffensysteme wurden vorübergehend zur bloßen Kulisse der psychologischen Kriegsführung. Parallel waren im Radio irakische Überläufer zu hören, die ihren Namen und ihren bisherigen Dienstgrad nannten und den in den Schützengräben Zaudernden berichteten, wie gut Unterkunft und Verpflegung bei den „moslemischen Brüdern“ in Saudi-Arabien seien:Niemals wieder würden sie für Saddam Hussein kämpfen!
Irakische Offiziere berichteten nach demKrieg, die US-Propaganda habe die Moral ihrer Truppen erheblich geschwächt. „Aus der Mutter aller Schlachten, die Saddam ausgerufen hatte, wurde die Mutter aller Niederlagen“, höhnte der PsyOp-Offizier Andy Eisemann in den „Air Force News“.
Im Irak-Krieg wurden mehr als zehn Millionen Flugblätter abgeworfen. Mitte der neunziger Jahre haben die damals erfolgreichen Psycho-Einheiten erneut den Flugblattabwurf fern der Heimat geprobt – „in Südwest-Asien“, wie es hieß. Treffer sind dabei, besonders in dünn besiedelten und bergigen Regionen, keine Selbstverständlichkeit. Die Flugblätter werden gebündelt in einer anfangs per Leine mit dem Flugzeug verbundenen Box abgeworfen, die erst kurz über dem Zielort „explodiert“ und für die gewünschte Verbreitung sorgt.
Operationen wie diese, die weniger auf die physische als auf die psychische Kampfkraft des Gegners zielen, sind so alt wie die Geschichte der Kriege. Schon vor Jahrtausenden wussten chinesische Denker, dass es ausreicht, mit Worten Herz und Hirn des Feindes zu treffen, um ihn zu besiegen.
Zu den betrüblichsten Nachrichten für den Feind gehörte es zu allen Zeiten, wenn man ihm glaubwürdig seine völlige Isolierung und baldige Niederlage vor Augen führen konnte. Die Taliban in Afghanistan finden sich jetzt in einer Lage wieder, die geradezu lehrbuchhaft in die Konzepte psychologischer Kriegsführung passt:Das Regime ist weltweit diplomatisch ausgegrenzt, zugleich schreitet der militärische Aufmarsch der USA in der Region voran. Der östliche Nachbar Pakistan hat die Nachschublinien für die Taliban gekappt, alle früheren GUS-Republiken im Norden kooperieren mit den USA, der westliche Nachbar Iran hält ebenfalls den Daumen nach unten. Wohin sollen sich die Taliban nun noch wenden?
Gewiss werden viele Afghanen zunächst weiterhin lieber dem Taliban-Sender lauschen, der schon seit Tagen zum „Heiligen Krieg“ aufruft. Doch mancher wird früher oder später hellhörig werden, wenn in seiner Heimatsprache nächtens Berichte darüber zu hören sind, dass Furcht, Hunger und Elend ein Ende haben, wenn man nur die Seiten wechselt und sich der Nordallianz anschließt. In Kabul und Kandahar mag dieses Umdenken länger dauern;einige Bergstämme in dem schwer geprüften Land haben dagegen bereits Übung darin, ihre Kraft und Loyalität ohne Zögern jeweils dem Meistbietenden zu widmen.
Gerade in einem so armen Land wie Afghanistan dürfte die Lockung durch materielle Vorteile nicht ohne Folgen bleiben. US-Präsident George W. Bush hatte in seiner Rede vor dem Kongress betont, Amerika sei bereits in den vergangenen Jahren der größte Geber bei der Nahrungsmittelhilfe für Afghanistan gewesen. Daran schließen sich jetzt Spekulationen an, amerikanische Truppen könnten, wenn sie denn je in das Land einrücken, die Pose des Befreiers und humanitären Helfers einnehmen – ähnlich wie nach dem Zusammenbruch des Nazi-Regimes. Denkbar wäre auch Nahrungsmittelhilfe aus der Luft.
Die allmähliche Zermürbung des Taliban-Regimes jedenfalls erscheint auch ohne massive Militäreinsätze möglich – wobei freilich der US-Aufmarsch in der Region als Drohung unverzichtbar bleibt. Eine Konzentration auf intelligente PsyOp-Aktionen indessen würde zu den jüngsten Äußerungen aus Washington passen, wonach nicht mit großen Invasionen zu rechnen ist. Bushs Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice wies bereits den Weg: „Es steht ein Krieg der Nerven und des Willens bevor.“
Matthias Koch
aus der www.haz.de von heute
mfG: Speculator