Schäuble stellt der Union eine Falle
Der CDU-Politiker Wolfgang Schäuble bringt die Union in Schwierigkeiten. Seine Äußerung zu einem Beitrag Deutschlands bei einem Einsatz gegen den Irak kommt manchem Abgeordneten höchst ungelegen.
Schäuble und Stoiber: Der Außenpolitiker bringt den Kandidaten in Bedrängnis
Berlin - Wilhelm Josef Sebastian steigt in diesen Tagen kräftig in die Pedale. Am Ende des Wahlkampfes wird er 2000 Kilometer in seinem Wahlkreis Ahrweiler-Mayen südlich von Bonn zurückgelegt haben. Die Stimmung an den Wahlständen sei gut, erzählt der Sprecher der "94er-Gruppe" in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Doch seit dem Wochenende wird der 58-jährige von der eigenen Klientel immer wieder auf Wolfgang Schäuble angesprochen. Über die "Bild am Sonntag" hatte der Mann für außenpolitische Fragen im so genannten Kompetenzteam von Edmund Stoiber seine Botschaft zur Irak-Politik verbreitet. Deutschland werde sich im Falle eines Uno-Mandats in "angemessener Form" an einer Aktion gegen den Irak beteiligen, so der frühere Partei- und Fraktionschef Schäuble.
"Ich finde die Stellungnahme von Schäuble unverständlich", kritisiert Sebastian den Vorstoß seines Fraktionskollegen gegenüber SPIEGEL ONLINE. In der Bevölkerung, auch unter der Anhängerschaft der Union, fasst der Christdemokrat seine Gespräche an den Wahlständen zusammen, sei "die Mehrheit schon der Meinung, dass wir in diesem Krieg nicht das Mindeste zu tun haben sollten".
Keine Frage - Schäubles Vorstoß sorgt in der Union für mächtige Irritationen. Der außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Karl Lamers, will dessen Äußerungen in der Sache gar nicht bewerten, auch wenn er betont, es gebe keinen Dissens.
Was Lamers jedoch über eine Aktion gegen den Irak wirklich denkt, hatte er erst im Juni in einem 33-seitigen Papier niedergelegt, in dem er sich mit den Perspektiven nach dem 11. September beschäftigte: "Eine besondere Gefahr, die Feindschaft zum revolutionären Islam zu verschärfen, ginge von einem allfälligen Angriff der USA auf den Irak aus", fasste er dort seine Bedenken zusammen.
Nun erklärt der aus dem Bundestag ausscheidende Außenpolitiker: "Ich halte mich an das, was Edmund Stoiber, der Spitzenkandidat, sagt". Und der dränge auf eine europäische Haltung in der Irak-Frage. Nur so könnten die Europäer auf dem noch im Fluss befindlichen Meinungsprozess in den USA einwirken, hofft Lamers.
Doch was Stoiber wirklich will, ist so klar keineswegs. In den vergangenen Tagen hat sich der Kanzlerkandidat vergleichsweise vage über seine Irak-Politik geäußert und sich darauf konzentriert, Gerhard Schröder vorzuwerfen, das Thema "unzulässig" in den Wahlkampf gezogen zu haben.
Des Kanzlers Nein zu einer personellen und finanziellen Unterstützung Deutschlands auch im Falle eines Uno-Mandats hat die Union offenbar kalt erwischt. In der "Bild" vom Mittwoch mahnte Stoiber, ohne den Irak ausdrücklich zu erwähnen, Schröder an, in "allen wichtigen außenpolitischen Fragen konstruktiv an einer gemeinsamen europäischen Position mitzuarbeiten." Klarheit liest sich anders.
Stoibers vorsichtiger Kurs in der Irak-Frage wurde bis vor kurzem auch noch vom Kanzler geteilt. Tatsache ist: Monatelang hatten Schröder und das Kanzleramt entsprechende Anfragen von Journalisten mit der Standardformel abgewehrt, es gebe derzeit keine konkreten Pläne noch Anfragen der USA für ein Vorgehen gegen den Diktator.
Noch im März versicherte er, weitere Aktionen gegen den Irak werde Deutschland nur nach einem Uno-Mandat mittragen. Und Tatsache ist auch, dass die Bundeswehr ABC-Schützenpanzer in Kuweit stationiert hat. Umso empörter sind nun Vertreter der Union über den abrupten Kurswechsel des Kanzlers. "Schröder zeichnet sich auch in der Außenpolitik durch ein hohes Maß an Unberechenbarkeit aus", sagte der Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Eckart von Klaeden, gegenüber SPIEGEL ONLINE. Es sei ein "Kardinalfehler", wenn der Kanzler plötzlich gegenüber Diktatoren auf militärische Mittel "als Ultima ratio zur Durchsetzung völkerrechtlicher Prinzipien kategorisch verzichtet." Zumal der Kanzler den Afghanistan-Einsatz zum Sturz der Taliban mitgetragen habe.
Die Aufregung in der Union über Schröder ("Das ist wohl der letzte Rettungsanker", so Lamers) kann jedoch nicht die Zwangslage verdecken, in der sich Stoiber befindet. So offen wie Schäuble kann der Kandidat nicht reden - ohne in Gefahr zu geraten, von Rot-Grün als Kriegstreiber diffamiert zu werden. Von einem Dissens zwischen Stoiber und Schäuble will Klaeden, der am Mittwoch zusammen mit Stoiber und den CSU-Landesgruppenchef Michael Glos ins Kosovo flog, ohnehin nichts wissen: "Sie betonen nur unterschiedliche Aspekte derselben Position."
Doch ganz so harmonisch ist die Haltung der Union, wie sie von Klaeden zeichnet, in der Irak-Frage keinesfalls. In der Sache gilt zwar: Die Solidarität mit den USA wird nicht in Frage gestellt. Doch wie weit sie in der Praxis gehen soll, darüber herrscht Uneinigkeit in der Union.
Der Europa- und Außenpolitiker Friedbert Pflüger, im Gegensatz zu dem eher "frankophilen" Lamers ein ausgewiesener "Transatlantiker", brachte sich diese Woche mit einer Extremposition ins Gespräch. Gegenüber dem "Rheinischen Merkur" erklärte er, ein neues Uno-Mandat, wie es Schäuble verlangt, sei "wünschenswert, aber nicht erforderlich". Es gebe ja bereits mehrere Mandate für Waffeninspektionen im Irak. Die Zitate, hieß es aus dessen Büro, seien "korrekt" wiedergegeben. Einem Mann wie Wilhelm Josef Sebastian werden sie in diesem Wahlkampf wohl kaum gefallen.
bye peet
Der CDU-Politiker Wolfgang Schäuble bringt die Union in Schwierigkeiten. Seine Äußerung zu einem Beitrag Deutschlands bei einem Einsatz gegen den Irak kommt manchem Abgeordneten höchst ungelegen.
Schäuble und Stoiber: Der Außenpolitiker bringt den Kandidaten in Bedrängnis
Berlin - Wilhelm Josef Sebastian steigt in diesen Tagen kräftig in die Pedale. Am Ende des Wahlkampfes wird er 2000 Kilometer in seinem Wahlkreis Ahrweiler-Mayen südlich von Bonn zurückgelegt haben. Die Stimmung an den Wahlständen sei gut, erzählt der Sprecher der "94er-Gruppe" in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Doch seit dem Wochenende wird der 58-jährige von der eigenen Klientel immer wieder auf Wolfgang Schäuble angesprochen. Über die "Bild am Sonntag" hatte der Mann für außenpolitische Fragen im so genannten Kompetenzteam von Edmund Stoiber seine Botschaft zur Irak-Politik verbreitet. Deutschland werde sich im Falle eines Uno-Mandats in "angemessener Form" an einer Aktion gegen den Irak beteiligen, so der frühere Partei- und Fraktionschef Schäuble.
"Ich finde die Stellungnahme von Schäuble unverständlich", kritisiert Sebastian den Vorstoß seines Fraktionskollegen gegenüber SPIEGEL ONLINE. In der Bevölkerung, auch unter der Anhängerschaft der Union, fasst der Christdemokrat seine Gespräche an den Wahlständen zusammen, sei "die Mehrheit schon der Meinung, dass wir in diesem Krieg nicht das Mindeste zu tun haben sollten".
Keine Frage - Schäubles Vorstoß sorgt in der Union für mächtige Irritationen. Der außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Karl Lamers, will dessen Äußerungen in der Sache gar nicht bewerten, auch wenn er betont, es gebe keinen Dissens.
Was Lamers jedoch über eine Aktion gegen den Irak wirklich denkt, hatte er erst im Juni in einem 33-seitigen Papier niedergelegt, in dem er sich mit den Perspektiven nach dem 11. September beschäftigte: "Eine besondere Gefahr, die Feindschaft zum revolutionären Islam zu verschärfen, ginge von einem allfälligen Angriff der USA auf den Irak aus", fasste er dort seine Bedenken zusammen.
Nun erklärt der aus dem Bundestag ausscheidende Außenpolitiker: "Ich halte mich an das, was Edmund Stoiber, der Spitzenkandidat, sagt". Und der dränge auf eine europäische Haltung in der Irak-Frage. Nur so könnten die Europäer auf dem noch im Fluss befindlichen Meinungsprozess in den USA einwirken, hofft Lamers.
Doch was Stoiber wirklich will, ist so klar keineswegs. In den vergangenen Tagen hat sich der Kanzlerkandidat vergleichsweise vage über seine Irak-Politik geäußert und sich darauf konzentriert, Gerhard Schröder vorzuwerfen, das Thema "unzulässig" in den Wahlkampf gezogen zu haben.
Des Kanzlers Nein zu einer personellen und finanziellen Unterstützung Deutschlands auch im Falle eines Uno-Mandats hat die Union offenbar kalt erwischt. In der "Bild" vom Mittwoch mahnte Stoiber, ohne den Irak ausdrücklich zu erwähnen, Schröder an, in "allen wichtigen außenpolitischen Fragen konstruktiv an einer gemeinsamen europäischen Position mitzuarbeiten." Klarheit liest sich anders.
Stoibers vorsichtiger Kurs in der Irak-Frage wurde bis vor kurzem auch noch vom Kanzler geteilt. Tatsache ist: Monatelang hatten Schröder und das Kanzleramt entsprechende Anfragen von Journalisten mit der Standardformel abgewehrt, es gebe derzeit keine konkreten Pläne noch Anfragen der USA für ein Vorgehen gegen den Diktator.
Noch im März versicherte er, weitere Aktionen gegen den Irak werde Deutschland nur nach einem Uno-Mandat mittragen. Und Tatsache ist auch, dass die Bundeswehr ABC-Schützenpanzer in Kuweit stationiert hat. Umso empörter sind nun Vertreter der Union über den abrupten Kurswechsel des Kanzlers. "Schröder zeichnet sich auch in der Außenpolitik durch ein hohes Maß an Unberechenbarkeit aus", sagte der Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Eckart von Klaeden, gegenüber SPIEGEL ONLINE. Es sei ein "Kardinalfehler", wenn der Kanzler plötzlich gegenüber Diktatoren auf militärische Mittel "als Ultima ratio zur Durchsetzung völkerrechtlicher Prinzipien kategorisch verzichtet." Zumal der Kanzler den Afghanistan-Einsatz zum Sturz der Taliban mitgetragen habe.
Die Aufregung in der Union über Schröder ("Das ist wohl der letzte Rettungsanker", so Lamers) kann jedoch nicht die Zwangslage verdecken, in der sich Stoiber befindet. So offen wie Schäuble kann der Kandidat nicht reden - ohne in Gefahr zu geraten, von Rot-Grün als Kriegstreiber diffamiert zu werden. Von einem Dissens zwischen Stoiber und Schäuble will Klaeden, der am Mittwoch zusammen mit Stoiber und den CSU-Landesgruppenchef Michael Glos ins Kosovo flog, ohnehin nichts wissen: "Sie betonen nur unterschiedliche Aspekte derselben Position."
Doch ganz so harmonisch ist die Haltung der Union, wie sie von Klaeden zeichnet, in der Irak-Frage keinesfalls. In der Sache gilt zwar: Die Solidarität mit den USA wird nicht in Frage gestellt. Doch wie weit sie in der Praxis gehen soll, darüber herrscht Uneinigkeit in der Union.
Der Europa- und Außenpolitiker Friedbert Pflüger, im Gegensatz zu dem eher "frankophilen" Lamers ein ausgewiesener "Transatlantiker", brachte sich diese Woche mit einer Extremposition ins Gespräch. Gegenüber dem "Rheinischen Merkur" erklärte er, ein neues Uno-Mandat, wie es Schäuble verlangt, sei "wünschenswert, aber nicht erforderlich". Es gebe ja bereits mehrere Mandate für Waffeninspektionen im Irak. Die Zitate, hieß es aus dessen Büro, seien "korrekt" wiedergegeben. Einem Mann wie Wilhelm Josef Sebastian werden sie in diesem Wahlkampf wohl kaum gefallen.
bye peet