Von Jens Weinreich, Salt Lake City
Es waren glanzvolle Winterspiele in Salt Lake City - bis kurz vor Schluss. Dann sorgte der dreifache Goldmedaillengewinner Johann Mühlegg für den größten Doping-Skandal der Sportgeschichte. Er stellt auch die Spitzenleistungen anderer Athleten in Frage.
Die Geschichten über den vermeintlichen Wunderläufer Johann "Juanito" Mühlegg schrieben sich ganz einfach. Und sie lasen sich lustig. Ein seltsamer Kauz, dieser Germano-Spanier. Ein kräftiger Kerl, der auf den Schnee einprügelte, wenn er - schnell wie kein anderer - durch die kargen Wälder von Soldier Hollow lief. Ein Allgäuer, der Weihwasser schluckt und für Spaniens König eine Medaille nach der anderen gewann.
Diese Details amüsierten und verwunderten zwei Wochen lang die Weltpresse. Die Berichte waren aber auch mit ein wenig Ungläubigkeit darüber verfasst worden, dass da einer die Weltelite so düpierte, ja sogar der Lächerlichkeit preisgab. 2:02 Minuten Vorsprung hatte Mühlegg im 30-Kilometer-Wettbewerb am 9. Februar vor dem Österreicher Christian Hoffmann. Eine halbe Minute knöpfte er im Verfolgungsrennen am 14. Februar den beiden Norwegern Thomas Alsgaard und Per Elofsson ab. Er stürzte und gewann dennoch. Nichts und niemand konnte ihn stoppen.
Am vergangenen Samstag blieb er über 50 Kilometer gleichfalls an der Spitze der Konkurrenz. Zwar hielten diesmal der Russe Michail Iwanow (15 Sekunden Rückstand) und der Este Andrus Veerpalu (39 Sekunden) noch passabel mit, aber die Goldmedaille ging wieder an Mühlegg. Schien zumindest so. Doch Mühlegg war offensichtlich gedopt.
Das legt die positive A-Probe nahe, die bereits am Donnerstag genommen wurde. Das Ergebnis der unmittelbar nach dem Rennen gemachten B-Probe wurde für Sonntagabend erwartet. Erfahrungsgemäß weicht es nur extrem selten vom Ergebnis des ersten Tests ab. Bestätigt sich, dass der "König der Langläufer" sich mit leistungssteigernden Mitteln aufputschte, haben die Olympischen Winterspiele den größten Doping-Skandal ihrer Geschichte.
1972 bei den Spielen in Sapporo wurde mit dem deutschen Eishockeykapitän Alois Schloder erstmals ein gedopter Olympionike erwischt. Er hatte Ephedrin im Blut, genauso wie die russische Skilangläuferin Galina Kulakowa 1976 in Innsbruck. In Salt Lake City wurden bis kurz vor Abschluss der Spiele zwei Sportler ertappt: der polnische Eishockeycrack Jaroslaw Morawiecki und die Shorttrack-Spezialistin Julia Pawlowitsch aus Weißrussland, die nach einem ersten Verdacht gar nicht mehr zur Dopingprobe erschien. Doch der Fall Mühlegg stellt beide Manipulationen in den Schatten, wirft zum Ende des 17-tägigen Weltereignisses ein Zwielicht auf die glanzvollen Medaillenkämpfe von Utah.
Vom Podest direkt zum Verhör
Schließlich war Johann Mühlegg einer der Superstars von Salt Lake City. Als erster Langläufer der Geschichte hatte der 31-Jährige dreimal Einzelgold bei den gleichen Winterspielen geholt. Spaniens Presse nannte ihn den "Schnee-Messias", König Juan Carlos gratulierte stets persönlich und Spaniens Regierungschef José María Aznar verabredete sich mit ihm zum Skilaufen. Doch binnen weniger Stunden wurde aus dem größten Olympia-Triumph der mutmaßlich größte Olympia-Betrug aller Zeiten. "Aus dem Helden ist über Nacht ein Bösewicht geworden", kommentiert ein spanischer Radiosprecher.
Es hatte schon vor dem Ski-Marathon am Wochenende einige Aufregung gegeben, nachdem Mühlegg mit zwölf anderen Athleten zur Blutprobe ausgelost worden war. Ähnlich wie am vergangenen Donnerstag bei der Russin Larissa Lazutina - was schließlich die Disqualifikation der russischen Staffel zur Folge hatte - war auch Mühleggs Hämoglobin-Wert auffällig. 17,5 Gramm pro Deziliter Blut sind der zulässige Grenzwert. Mühleggs Wert war leicht höher.
Mannigfache Erklärungen
Mühlegg argumentierte gegenüber den Kontrolleuren sehr einfallsreich. Er machte Ungenauigkeiten der Messgeräte verantwortlich, was Bengt Erik Bengtsson, Direktor des Nordischen Bereichs im Ski-Weltverband (Fis), energisch bestritt. Mühlegg gab zudem an, dass sein Körper wegen einer akuten Durchfallerkrankung dehydriert sei - dies könne den erhöhten Blutwert erklären. Nach dem Fis-Reglement wurden schließlich zwei weitere Blutproben analysiert. Beide Male wurde der Grenzwert 17,5 nicht mehr überschritten. 2:1 für den Verdächtigen. Mühlegg durfte laufen. Und gewann.
"Das war das härteste Rennen, das ich je gemacht habe", hat Mühlegg danach gesagt. Vor der Presse weigerte er sich, Fragen in Deutsch zu beantworten. Er sprach Spanisch und Englisch, parlierte gar nicht mehr so charmant wie in den beiden Wochen zuvor. Mit den Worten "it is a secret" kommentierte er die erste Blutprobe: "Es ist mir ein Rätsel."
Zwei Möglichkeiten hätten nach seinen Angaben das ominöse Resultat beeinflussen können: die Höhenlage in Soldier Hollow und eine spezielle Diät, die er in der vergangenen Woche gemacht hat, um seinen Körper optimal auf den 50-Kilometer-Lauf vorzubereiten. "Das Blut geht rauf und runter in der Höhe", formulierte Mühlegg.
Zu diesem Zeitpunkt war jedoch noch nicht bekannt geworden, dass Mühlegg schon am Donnerstag in seinem Haus, das er für die Zeit der Spiele in der Nähe von Soldier Hollow angemietet hat, Besuch bekommen hatte von den Fahndern der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada). Erst rund 48 Stunden später, solange dauern die Analysen in der Regel, lag dann das Ergebnis der A-Probe vor. Wenige Stunden nach der Olympia-Entscheidung stand jetzt fest: In Mühleggs Körper wurde die Substanz Darbepoetin nachgewiesen.
Dieser Wirkstoff ist im Medikament Aranesp enthalten, das vom weltgrößten Biotechnologie-Konzern Amgen vertrieben wird. Aranesp (kurz Nesp genannt) dient der Bekämpfung von Nierenkrankheiten und wird auch in der Krebstherapie eingesetzt, wurde aber einer Überprüfung unterzogen, nachdem sich bei der Behandlung von Patienten verstärkt Fälle von Thrombosen und Herzbeschwerden eingestellt hatten. Das Medikament sorgt - wie das verwandte Erythropoietin (Epo) - für die verstärkte Produktion roter Blutkörperchen, die wiederum für den Transport von Sauerstoff verantwortlich sind. Ein ideales Dopingmittel für alle Ausdauersportler.
In Salt Lake City überschlugen sich damit die Ereignisse. Mühlegg erhielt auf der Olympic Medal Plaza gegen 20.30 Uhr (Ortszeit) seine Goldmedaille aus den Händen des IOC-Ehrenpräsidenten Juan Antonio Samaranch. Der stolze Spanier adelte den Wahlspanier. Nahezu zeitgleich muss das Ergebnis der Probe vorgelegen haben, sodass sich die Siegerehrung nicht mehr verschieben ließ. So musste der frischgekrönte Ski-Heros von der Medal Plaza direkt zur Anhörung vor der Medizinischen Kommission des IOC eilen. Er beantragte die Öffnung der so genannten B-Probe, die endgültig Aufschluss geben sollte.
Nach Auskunft des schwedischen Dopingforschers Bengt Saltin hat Aranesp eine "zehnmal stärkere Wirkung" als Epo, jenes Dopingmittel, das im Profi-Radsport für Schlagzeilen sorgte. Es ist ungleich billiger, wirkt länger (etwa zwei Wochen), hat aber einen entscheidenden Nachteil für Betrüger: Während die Halbwertszeit von Epo lediglich acht Stunden beträgt, ist Aranesp laut Saltin "mindestens noch nach einer Woche nachzuweisen".
Außerdem ist Aranesp auch leichter zu ermitteln. Bei Erythropoietin besteht das Problem darin, künstlich zugeführtes Epo von jenem zu unterscheiden, das jeder Körper ohnehin produziert. Bei Aranesp dagegen geben dem Analytiker bestimmte Aminosäuren und eine zusätzliche Zuckerkette im Molekül klar Auskunft. Bengt Saltin, Mitglied der Wada-Forschungsgruppe, sagt, dass Aranesp von drei der zwei Dutzend IOC-Labors analysiert werden kann: In Oslo, in Sydney und im temporären olympischen Labor von Salt Lake City.
Kontrollen wie nie zuvor
Aranesp war zum ersten Mal bei einer Razzia während des Giro d’Italia am 7. Juni 2001 in den Hotelzimmern von Radprofis gefunden worden. Seither sind die Dopingjäger wachsam. Laut Auskunft von Saltin sollen die Blutwerte Johann Mühleggs schon im Verlauf der Saison auffällig gewesen sein: "Es gab einen klaren Verdacht gegen Mühlegg. Er hatte ein klares Muster in seinen Blutwerten, das man nicht anders interpretieren konnte."
Dennoch blieb die Sachlage bis Sonntagabend unklar. Nicht zuletzt deshalb, weil Darbepoetin bisher nicht ausdrücklich auf der Dopingliste des Olympischen Komitees (IOC) steht. Die Medizinische Kommission des IOC beriet darüber, ob Darbepoetin zweifelsfrei ein Epo-verwandtes Produkt ist.
IOC-Präsident Jacques Rogge sieht im Fall Mühlegg ein Zeichen für den erfolgreichen Anti-Doping-Kurs. "Ich bin niemals besorgt, wenn es einen Doping-Fall gibt", sagt der Belgier. Die Kontrollen vor und während der Winterspiele von Salt Lake City waren so umfangreich wie nie zuvor. Von April 2001 bis zur Eröffnung am 8. Februar gab es 3639 Trainingstests, 27 waren positiv.
Im Verlauf der Spiele wurden dann rund 800 Bluttests bei fast allen Ausdauerathleten veranlasst. Sie waren fast ausnahmslos negativ. Trotzdem werden viele ihrer Weltklasseleistungen jetzt in Frage gestellt. Schließlich konnte auch Mühlegg zunächst zwei Goldmedaillen gewinnen, ohne ertappt zu werden.
Quelle: FTD.de
Es waren glanzvolle Winterspiele in Salt Lake City - bis kurz vor Schluss. Dann sorgte der dreifache Goldmedaillengewinner Johann Mühlegg für den größten Doping-Skandal der Sportgeschichte. Er stellt auch die Spitzenleistungen anderer Athleten in Frage.
Die Geschichten über den vermeintlichen Wunderläufer Johann "Juanito" Mühlegg schrieben sich ganz einfach. Und sie lasen sich lustig. Ein seltsamer Kauz, dieser Germano-Spanier. Ein kräftiger Kerl, der auf den Schnee einprügelte, wenn er - schnell wie kein anderer - durch die kargen Wälder von Soldier Hollow lief. Ein Allgäuer, der Weihwasser schluckt und für Spaniens König eine Medaille nach der anderen gewann.
Diese Details amüsierten und verwunderten zwei Wochen lang die Weltpresse. Die Berichte waren aber auch mit ein wenig Ungläubigkeit darüber verfasst worden, dass da einer die Weltelite so düpierte, ja sogar der Lächerlichkeit preisgab. 2:02 Minuten Vorsprung hatte Mühlegg im 30-Kilometer-Wettbewerb am 9. Februar vor dem Österreicher Christian Hoffmann. Eine halbe Minute knöpfte er im Verfolgungsrennen am 14. Februar den beiden Norwegern Thomas Alsgaard und Per Elofsson ab. Er stürzte und gewann dennoch. Nichts und niemand konnte ihn stoppen.
Am vergangenen Samstag blieb er über 50 Kilometer gleichfalls an der Spitze der Konkurrenz. Zwar hielten diesmal der Russe Michail Iwanow (15 Sekunden Rückstand) und der Este Andrus Veerpalu (39 Sekunden) noch passabel mit, aber die Goldmedaille ging wieder an Mühlegg. Schien zumindest so. Doch Mühlegg war offensichtlich gedopt.
Das legt die positive A-Probe nahe, die bereits am Donnerstag genommen wurde. Das Ergebnis der unmittelbar nach dem Rennen gemachten B-Probe wurde für Sonntagabend erwartet. Erfahrungsgemäß weicht es nur extrem selten vom Ergebnis des ersten Tests ab. Bestätigt sich, dass der "König der Langläufer" sich mit leistungssteigernden Mitteln aufputschte, haben die Olympischen Winterspiele den größten Doping-Skandal ihrer Geschichte.
1972 bei den Spielen in Sapporo wurde mit dem deutschen Eishockeykapitän Alois Schloder erstmals ein gedopter Olympionike erwischt. Er hatte Ephedrin im Blut, genauso wie die russische Skilangläuferin Galina Kulakowa 1976 in Innsbruck. In Salt Lake City wurden bis kurz vor Abschluss der Spiele zwei Sportler ertappt: der polnische Eishockeycrack Jaroslaw Morawiecki und die Shorttrack-Spezialistin Julia Pawlowitsch aus Weißrussland, die nach einem ersten Verdacht gar nicht mehr zur Dopingprobe erschien. Doch der Fall Mühlegg stellt beide Manipulationen in den Schatten, wirft zum Ende des 17-tägigen Weltereignisses ein Zwielicht auf die glanzvollen Medaillenkämpfe von Utah.
Vom Podest direkt zum Verhör
Schließlich war Johann Mühlegg einer der Superstars von Salt Lake City. Als erster Langläufer der Geschichte hatte der 31-Jährige dreimal Einzelgold bei den gleichen Winterspielen geholt. Spaniens Presse nannte ihn den "Schnee-Messias", König Juan Carlos gratulierte stets persönlich und Spaniens Regierungschef José María Aznar verabredete sich mit ihm zum Skilaufen. Doch binnen weniger Stunden wurde aus dem größten Olympia-Triumph der mutmaßlich größte Olympia-Betrug aller Zeiten. "Aus dem Helden ist über Nacht ein Bösewicht geworden", kommentiert ein spanischer Radiosprecher.
Es hatte schon vor dem Ski-Marathon am Wochenende einige Aufregung gegeben, nachdem Mühlegg mit zwölf anderen Athleten zur Blutprobe ausgelost worden war. Ähnlich wie am vergangenen Donnerstag bei der Russin Larissa Lazutina - was schließlich die Disqualifikation der russischen Staffel zur Folge hatte - war auch Mühleggs Hämoglobin-Wert auffällig. 17,5 Gramm pro Deziliter Blut sind der zulässige Grenzwert. Mühleggs Wert war leicht höher.
Mannigfache Erklärungen
Mühlegg argumentierte gegenüber den Kontrolleuren sehr einfallsreich. Er machte Ungenauigkeiten der Messgeräte verantwortlich, was Bengt Erik Bengtsson, Direktor des Nordischen Bereichs im Ski-Weltverband (Fis), energisch bestritt. Mühlegg gab zudem an, dass sein Körper wegen einer akuten Durchfallerkrankung dehydriert sei - dies könne den erhöhten Blutwert erklären. Nach dem Fis-Reglement wurden schließlich zwei weitere Blutproben analysiert. Beide Male wurde der Grenzwert 17,5 nicht mehr überschritten. 2:1 für den Verdächtigen. Mühlegg durfte laufen. Und gewann.
"Das war das härteste Rennen, das ich je gemacht habe", hat Mühlegg danach gesagt. Vor der Presse weigerte er sich, Fragen in Deutsch zu beantworten. Er sprach Spanisch und Englisch, parlierte gar nicht mehr so charmant wie in den beiden Wochen zuvor. Mit den Worten "it is a secret" kommentierte er die erste Blutprobe: "Es ist mir ein Rätsel."
Zwei Möglichkeiten hätten nach seinen Angaben das ominöse Resultat beeinflussen können: die Höhenlage in Soldier Hollow und eine spezielle Diät, die er in der vergangenen Woche gemacht hat, um seinen Körper optimal auf den 50-Kilometer-Lauf vorzubereiten. "Das Blut geht rauf und runter in der Höhe", formulierte Mühlegg.
Zu diesem Zeitpunkt war jedoch noch nicht bekannt geworden, dass Mühlegg schon am Donnerstag in seinem Haus, das er für die Zeit der Spiele in der Nähe von Soldier Hollow angemietet hat, Besuch bekommen hatte von den Fahndern der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada). Erst rund 48 Stunden später, solange dauern die Analysen in der Regel, lag dann das Ergebnis der A-Probe vor. Wenige Stunden nach der Olympia-Entscheidung stand jetzt fest: In Mühleggs Körper wurde die Substanz Darbepoetin nachgewiesen.
Dieser Wirkstoff ist im Medikament Aranesp enthalten, das vom weltgrößten Biotechnologie-Konzern Amgen vertrieben wird. Aranesp (kurz Nesp genannt) dient der Bekämpfung von Nierenkrankheiten und wird auch in der Krebstherapie eingesetzt, wurde aber einer Überprüfung unterzogen, nachdem sich bei der Behandlung von Patienten verstärkt Fälle von Thrombosen und Herzbeschwerden eingestellt hatten. Das Medikament sorgt - wie das verwandte Erythropoietin (Epo) - für die verstärkte Produktion roter Blutkörperchen, die wiederum für den Transport von Sauerstoff verantwortlich sind. Ein ideales Dopingmittel für alle Ausdauersportler.
In Salt Lake City überschlugen sich damit die Ereignisse. Mühlegg erhielt auf der Olympic Medal Plaza gegen 20.30 Uhr (Ortszeit) seine Goldmedaille aus den Händen des IOC-Ehrenpräsidenten Juan Antonio Samaranch. Der stolze Spanier adelte den Wahlspanier. Nahezu zeitgleich muss das Ergebnis der Probe vorgelegen haben, sodass sich die Siegerehrung nicht mehr verschieben ließ. So musste der frischgekrönte Ski-Heros von der Medal Plaza direkt zur Anhörung vor der Medizinischen Kommission des IOC eilen. Er beantragte die Öffnung der so genannten B-Probe, die endgültig Aufschluss geben sollte.
Nach Auskunft des schwedischen Dopingforschers Bengt Saltin hat Aranesp eine "zehnmal stärkere Wirkung" als Epo, jenes Dopingmittel, das im Profi-Radsport für Schlagzeilen sorgte. Es ist ungleich billiger, wirkt länger (etwa zwei Wochen), hat aber einen entscheidenden Nachteil für Betrüger: Während die Halbwertszeit von Epo lediglich acht Stunden beträgt, ist Aranesp laut Saltin "mindestens noch nach einer Woche nachzuweisen".
Außerdem ist Aranesp auch leichter zu ermitteln. Bei Erythropoietin besteht das Problem darin, künstlich zugeführtes Epo von jenem zu unterscheiden, das jeder Körper ohnehin produziert. Bei Aranesp dagegen geben dem Analytiker bestimmte Aminosäuren und eine zusätzliche Zuckerkette im Molekül klar Auskunft. Bengt Saltin, Mitglied der Wada-Forschungsgruppe, sagt, dass Aranesp von drei der zwei Dutzend IOC-Labors analysiert werden kann: In Oslo, in Sydney und im temporären olympischen Labor von Salt Lake City.
Kontrollen wie nie zuvor
Aranesp war zum ersten Mal bei einer Razzia während des Giro d’Italia am 7. Juni 2001 in den Hotelzimmern von Radprofis gefunden worden. Seither sind die Dopingjäger wachsam. Laut Auskunft von Saltin sollen die Blutwerte Johann Mühleggs schon im Verlauf der Saison auffällig gewesen sein: "Es gab einen klaren Verdacht gegen Mühlegg. Er hatte ein klares Muster in seinen Blutwerten, das man nicht anders interpretieren konnte."
Dennoch blieb die Sachlage bis Sonntagabend unklar. Nicht zuletzt deshalb, weil Darbepoetin bisher nicht ausdrücklich auf der Dopingliste des Olympischen Komitees (IOC) steht. Die Medizinische Kommission des IOC beriet darüber, ob Darbepoetin zweifelsfrei ein Epo-verwandtes Produkt ist.
IOC-Präsident Jacques Rogge sieht im Fall Mühlegg ein Zeichen für den erfolgreichen Anti-Doping-Kurs. "Ich bin niemals besorgt, wenn es einen Doping-Fall gibt", sagt der Belgier. Die Kontrollen vor und während der Winterspiele von Salt Lake City waren so umfangreich wie nie zuvor. Von April 2001 bis zur Eröffnung am 8. Februar gab es 3639 Trainingstests, 27 waren positiv.
Im Verlauf der Spiele wurden dann rund 800 Bluttests bei fast allen Ausdauerathleten veranlasst. Sie waren fast ausnahmslos negativ. Trotzdem werden viele ihrer Weltklasseleistungen jetzt in Frage gestellt. Schließlich konnte auch Mühlegg zunächst zwei Goldmedaillen gewinnen, ohne ertappt zu werden.
Quelle: FTD.de