Russischer Mobilfunkmarkt boomt

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Nassie:

Russischer Mobilfunkmarkt boomt

 
25.12.02 16:57
Telekom-Branche - Weckruf in Russlands Regionen  
   
In Russland wachsen die Mobilfunkmärkte wie einst im Westen. Unternehmen wie Vimpelcom oder MTS schreiben dabei Zahlen, von denen Europas Riesen nur träumen können
von Stephan Bauer und Elena Spaeh, Euro am Sonntag 51/02

Der Name ist eigentlich ein Unding: Vimpelcom klingt für russische Ohren ungefähr wie „Parade-Fähnchen Internet AG“. Vor allem die Einwohner Moskaus können sich an die roten Wimpel aus vergangenen Sowjet-Zeiten noch gut erinnern: Sie schmückten bei Paraden der Roten Armee regelmäßig die Straßen der Metropole.

Trotzdem ist Vimpelcom kein Relikt aus Kader-Zeiten. Die Aktie des zweitgrößten russischen Mobilfunk-Betreibers legte bis dato im miesen Börsenjahr 2002 immerhin rund zehn Prozent zu. Nicht ganz so viel zwar wie der russische Leitindex RTX, der mit seinen boomenden Öl- und Rohstoffwerten weit über 20 Prozent im Plus notiert. Doch die jüngsten Zahlen sprechen für weiter steigende Kurse: Im dritten Quartal verdreifachten die Moskauer den Gewinn gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres auf rund 41 Millionen Euro. Der Umsatz schoss um 94 Prozent auf rund 222 Millionen Euro nach oben.

Vimpelcoms Generaldirektor Dimitri Zimin bewies einen guten Riecher, als er das Unternehmen 1992 gründete. 30 Jahre Dienst als Ingenieur für Rundfunktechnik in der Bürokratie des russischen Verteidigungsministeriums hatten scheinbar nicht geschadet. Im Gegenteil. Zimin hatte die richtigen Beziehungen und witterte als einer der Ersten die Milliardenchancen des Mobilfunks im Riesenreich. Heute ähneln die Wachstumsraten des russischen Mobilfunkmarktes denen in Westeuropa Ende der 90er: Von Januar bis November dieses Jahres verdoppelte sich die Anzahl der Handy-Besitzer in der russischen Föderation auf rund 16,3 Millionen. Für 2002 erwartet Telekom-Experte Anton Pogrebinsky von der Moskauer Beratung AC & M ein Umsatzwachstum in der Branche von über 40 Prozent auf fast 3,7 Milliarden Euro. Im kommenden Jahr soll der Markt 4,4 Milliarden Umsatz bringen. 2007 sollen es 6,8 Milliarden Dollar sein.

„Die Mobilfunkmärkte in Russland haben noch sehr viel Potenzial im Vergleich zu denen in Westeuropa“, erklärt Pogrebinsky. Zwischen Sankt Petersburg im Westen und Wladiwostok im äußersten Osten Russlands hatten Ende November erst rund elf Prozent der 144 Millionen Einwohner ein Handy. In der Türkei – mit ähnlichem Durchschnittseinkommen wie Russland – sind es rund 30 Prozent, in Westeuropa um die 70 Prozent.

Die Wachstumserwartungen sind realistisch. Den Russen geht es heute, gut vier Jahre nach der russischen Währungskrise, so gut wie nie. Seit 1998 hat sich der Durchschnittslohn der Russen im Schnitt auf rund 4600 Rubel (umgerechnet 140 Euro) pro Monat vervierfacht. Und der Rubel rollt: Die Ausgaben für den privaten Verbrauch lagen 1999 bei 100 Milliarden Euro, 2002 sollen es 170 Milliarden werden.

Die Unterschiede in der Föderation sind allerdings noch riesig. Östlich des Urals ist Russland noch ein Entwicklungsland. Lokale Zentren, etwa um das aufstrebende Sankt Petersburg oder das im Süden gelegene Krasnodar, entwickeln sich hingegen rasant. Die Einkommen steigen, und entsprechend entwickelt sich auch die Nachfrage nach Mobiltelefonie. Am weitesten ist der Markt in Moskau. Die Marktdurchdringung liegt bei rund 42 Prozent. Verglichen mit den Städten des Westens ist das allerdings noch nicht viel.

In der Hauptstadt startete Vimpelcom-Gründer Zimin sein erstes Handy-Netz. Heute ist das Unternehmen mit rund 3,6 Millionen Kunden und einem Marktanteil von rund 53 Prozent die Nummer1 in der russischen Metropole. Mit aggressiven Preisen schaffte es Manager Jo Lunder Anfang des Jahres, den großen Konkurrenten Mobile Telesystems (MTS) auf Platz2 zu verweisen. Außerhalb Moskaus ist der Konzern mit rund einer Million Kunden jedoch noch vergleichsweise schwach aufgestellt. Ein entscheidender Schritt vorwärts gelang Vimpelcom jedoch im Oktober. Lunder erhielt eine Mobilfunk-Lizenz für die Region um Sankt Petersburg. Derzeit wird dort in Windeseile ein eigenes Mobilnetz hochgezogen. Spätestens im zweiten Quartal 2003 soll der kommerzielle Betrieb starten. Das Beispiel Sankt Petersburg gilt als typisch für Vimpelcoms Expansionsstrategie: Es werden sukzessive eigene Mobilfunknetze errichtet, die sich ohne technische Probleme miteinander verknüpfen lassen. Inzwischen kann Lunder 34 Netze außerhalb Moskaus vorweisen. Sein Ziel: ein möglichst flächendeckendes Angebot, denn das Wachstum wird künftig vor allem auf dem flachen Land stattfinden: „Wir erwarten, dass der Hauptstadtmarkt in zwei bis drei Jahren weitgehend gesättigt ist.

Im übrigen Russland dauert es hingegen noch fünf bis sieben Jahre, bis das Wachstum nachlässt“, sagt Experte Pogrebinsky. Konkurrent MTS baut sein Netz vor allem über Akquisitionen aus – auch außerhalb der russischen Grenzen. Letzter Coup: Die Übernahme von 57 Prozent am ukrainischen Mobilfunkbetreiber UMC Anfang November.

Die Zukaufstrategie bringt zwar technische Probleme, aber auch rasches Wachstum: In 47 der 89 russischen Verwaltungsregionen betreibt MTS inzwischen Netze und ist mit über sechs Millionen Kunden landesweit die Nummer1. Die Eroberung der Provinzen zeigt Früchte: „Zum ersten Mal ist die Kundenzahl in den Regionen höher als die in der Hauptstadt“, verkündete Vorstand Mikhail Smirnow vergangenen Montag bei der Vorstellung der Zahlen für das dritte Quartal.

Trotz hoher Investitionen sind die Verbindlichkeiten gering. Zum Jahresende rechnet UBS-Warburg-Analyst Dimitri Vinogradov bei Vimpelcom mit einer Nettoverschuldung von gerade mal 176 Millionen Dollar, bei MTS von 296 Millionen Dollar. Dem steht ein erwarteter Gewinn nach Steuern von 129 Millionen beziehungsweise 218 Millionen Euro gegenüber. Zum Vergleich: Mobilfunkriese Vodafone bringt es laut Goldman Sachs im laufenden Geschäftsjahr auf eine Nettoverschuldung von fast 22 Milliarden Euro – und schreibt einen Nettoverlust von etwa 14,6 Milliarden Euro.

Die Russen machen echte Gewinne, während Wessis wie Vodafone auf den Gewinn vor diversen Posten wie Abschreibungen und Zinsen verweisen müssen. Hintergrund: Westeuropas Telekom-Konzerne stöhnen unter dem hohen Kapital- und Abschreibungsbedarf, den die Lizenzen verursachen. In Russland läuft das Geschäft anders: Die Lizenzen etwa werden vom staatlichen Kommunikationsministerium nicht in Milliarden verschlingenden Auktionen versteigert, sondern in so genannten Schönheitswettbewerben verteilt. Typisch russisch: Wer die besten Beziehungen zur Bürokratie hat, bekommt den Zuschlag.

Generaldirektor Zimins Wink mit sowjetroten Fähnchen kommt bei den Lizenzbürokraten offenbar gut an. Aber Konkurrent MTS schläft nicht: Als Hauptaktionär sorgt ein Konsortium um den Moskauer Bürgermeister Jurij Luzhkov für gute Kontakte zur Behörde.
 
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