Dotcoms waren out, megaout. Jetzt melden sich die Internet-Aktien zurück. Die Kurse haben bereits kräftig zugelegt. Wo der Einstieg noch lohnt.
von Stephan Bauer, Euro am Sonntag 13/03
Und läuft und läuft und läuft..." Keiner denkt bei dem Spruch an die New Economy. Und doch: Seit Jahresbeginn sind Internetwerte die VW Käfer der US-Aktien. Sowohl im S&P500 als auch im Nasdaq100 sind sie in Sachen Performance ganz vorne dabei. So legte der Kurs des Internet-Portals Yahoo seit Jahresbeginn um 51 Prozent zu, der Online-Händler Amazon brachte es auf ein Plus von 47 Prozent.
Misstrauisch schaut da mancher Anleger auf die Kurszettel: Die Dotcoms als Sieger? Auf die hat doch noch vor kurzem keiner mehr auch nur einen Pfifferling gesetzt. Der Argwohn ist verständlich. Konnte man mit Yahoo während der Internet-Krise doch bis zu 97 Prozent seines Kapitals vernichten. Inzwischen wird jedoch ein Teil dessen Realität, was die New Economy einst versprochen hat. So wächst die Zahl der Internet-Nutzer kontinuierlich: Ende 2000 besaßen weltweit 350 Millionen Computer Internet-Zugang. Ende dieses Jahres sollen es bereits 570 Millionen PCs sein, prognostizieren die amerikanischen Marktforscher Gartner.
Dementsprechend nimmt die Zahl der Leute zu, die im Web zum Einkaufen gehen, bei Versteigerungen mitbieten oder Informationen suchen. Zugleich verstärken die schleppende Konjunktur und die schmaleren Geldbeutel der Verbraucher den Drang zum Internet-Einkauf. Die Generation Geiz geht ins Web: "Der Anteil der Schnäppchenjäger ist im Internet höher als im stationären Handel", so E-Commerce-Experte Sebastian Fesefeldt vom Institut für Handelsforschung der Uni Köln.
Auch hinter der neuen Lust der Investoren steckt eine alte Leidenschaft: die Gier. "Es gibt eben immer noch Investoren, die Wachstumswerte suchen. Internet-Werte liefern in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld gute Zahlen und bieten zudem die Hoffnung, dass dies auch so bleiben könnte", erklärt Carsten Jansing, Frankfurter Niederlassungsleiter bei Hornblower Fischer, die Outperformance der Dotcoms.
So sagen Experten Ebay eine glänzende Zukunft voraus. "Das Unternehmen ist durchaus vergleichbar mit der jungen Microsoft", meint Fondsmanager Andre Köttner von Union Invest. Der Grund für diese euphorische Beurteilung: Das größte Online-Auktionshaus der Welt hat in den Ländern, in denen es vertreten ist, eine monopolartige Stellung. Verkäufer suchen eben möglichst viele Käufer und umgekehrt - und bei Ebay treffen sich alle. "Das ist wie bei Microsoft: Je mehr Windows verbreitet war, desto schneller hat sich der Standard ausgeweitet", erklärt Experte Jansing. Zugleich ist das Unternehmen kosteneffizient: Es genügt eine Handelsplattform sowie Personal für deren Pflege. Lagerhaltung entfällt. Und: Die Kunden übernehmen sogar den Versand der Ware.
Zudem sorgt Firmenchefin Meg Whitman clever dafür, dass die Zahl der Nutzer weiter wächst. 2002 trieb eine Werbekampagne mit dem Slogan "Do it Ebay" die Zahl derjenigen, die im virtuellen Flohmarkt mitbieten oder etwas verhökern wollten, von 17,8 Millionen auf 27,7 Millionen. Kein Wunder, dass der Gewinn der Kalifornier im vierten Quartal 2002 um das Dreifache auf 87 Millionen Dollar kletterte. Inzwischen ist Ebay nicht nur schuldenfrei, sondern hat sogar 1,2 Milliarden Dollar Cash angehäuft - auch das eine Parallele zu Microsoft.
Für 2003 rechnet Whitman mit einem Gewinnplus von über 30 Prozent. Die Ebay-Chefin ist ob solcher Daten nicht eben bescheiden: "Ein Unternehmen wie das unsere gibt es nur einmal in einer Generation", sagte Whitman Anfang Januar. Sprach’s und verkaufte aus ihrer Privatschatulle Ebay-Aktien im Wert von 30 Millionen Dollar.
Wermutstropfen für Anleger ist jedoch die Bewertung von Ebay. Die Aktie ist mit einem 2003er-Kurs/Gewinn-Verhältnis von rund 80 sehr teuer. "Auch Microsoft war am Anfang immer hoch bewertet", wiegelt Fondsmanager Andre Köttner ab. Den stolzen Preis hat Ebay mit Amazon und Yahoo gemein. Jedoch ist Whitmans Unternehmen dasjenige, das wegen der hohen Dynamik seiner Gewinnentwicklung bald auf günstigere KGVs kommen dürfte.
Anders die Lage beim weltgrößten Web-Händler Amazon: Der setzte 2002 zwar 3,9 Milliarden Dollar um - 26 Prozent mehr als 2001. Doch die hohen Kosten des Warenhauses hinter der Web-Fassade drücken die Marge gegen Null. Nur drei Millionen Dollar Gewinn blieben im vierten Quartal hängen. Kein Wunder: Amazon-Boss Jeff Bezos beschäftigt rund 8000 Leute, die meisten davon in riesigen Versandzentren.
Da hilft es wenig, dass der Firmensitz in Seattle spartanisch eingerichtet ist und in der ehemaligen Tierklinik alle Rohre - echt New Economy - über Putz liegen. Das Plus des weltgrößten Web-Shops ist dagegen seine große Bekanntheit. "Die werden nicht verschwinden", sagt Fondsmanager Köttner zwar. Doch auch er findet die Amazon-Aktie viel zu teuer.
Yahoo-Boss Terry Semel dagegen hat noch ein anderes Problem. Er muss aus den über 100 Millionen regelmäßigen Besuchern des bekanntesten Internet-Portals möglichst viele zahlende Kunden machen. Für den Internet-Zugang, aber auch für Kontakt- oder Stellenanzeigen löhnen inzwischen 2,2 Millionen Kunden regelmäßig. Semel will so die Abhängigkeit vom Werbegeschäft verringern. Immerhin lieferten die zahlenden Surfer in den letzten drei Monaten des Jahres 2002 schon 31 Prozent des Gesamtumsatzes in Höhe von 286 Millionen Dollar. Dieser Anteil soll 2003 um 50 Prozent gesteigert werden.
Doch auch hier heißt es: Der Preis ist heiß: "Die Bewertung der Aktie setzt voraus, dass die Gratwanderung zwischen Bezahldiensten und Werbemarkt gelingt", mäkelt Fondsmanager Köttner.
Wahre Internet-Schnäppchen bietet dagegen der TecDAX. Der kleine Nischenanbieter United Internet etwa weist nur ein KGV von 16 auf. Gerade haben die Westerwälder ihr erstes Geschäftsjahr mit einem Nettogewinn beendet: 38,8 Millionen Euro sind es geworden. Eine Premiere ist auch die üppige Dividende von 50 Cent. 2003 soll der Gewinn um 42 Prozent steigen.
United Internet profitiert von der hohen Nachfrage nach Breitband-Anschlüssen. Das Unternehmen verkauft etwa DSL-Anschlüsse der Telekom und kassiert dafür Provision. Der besondere Charme aus der rheinland-pfälzischen Provinz: United-Chef Ralph Dommermuth bietet alles rund ums Web. Inzwischen zahlen 2,2 Millionen Kunden monatlich für Mehrwertdienste wie einer Luxus-Mailbox mit großer virtueller Festplatte oder den Internet-Shop. "Das Unternehmen wächst mit der Zahl seiner Kunden. Und Wachstumspotenzial ist da, denn immer mehr Menschen werden mit dem Web immer vertrauter", sagt Iris Schäfer von der Landesbank Baden-Württemberg. Sie rechnet auch für 2004 mit einem Gewinnwachstum von 40 Prozent.
Vom Breitband-Fieber profitiert vor allem Deutschlands Internet-Provider Nummer1, T-Online. Über zwei Millionen DSL-Kunden bringt er bislang ins Netz. Nicht zuletzt dank eines cleveren Marketings gemeinsam mit der Mutter Deutsche Telekom: "Viele denken: Wenn ich mir den DSL-Anschluss bei der Telekom besorge, dann muss ich auch den Internet-Dienst bei T-Online kaufen", grollt United-Chef Dommermuth. Lohn der List: Operativ gab’s 2002 bei T-Online erstmals ein Plus von 76 Millionen Euro, der Umsatz wuchs um 39 Prozent auf 1,6 Milliarden.
Das Manko: Beim Umsatz aus Bezahldiensten hapert es noch. Und die Marktkapitalisierung ist mit knapp acht Milliarden Euro mehr als doppelt so hoch wie beim DAX-Wert Adidas-Salomon. Nur: Der Sportartikler macht Nettogewinne in dreistelliger Millionenhöhe, T-Online Verluste. Allerdings kann die Telekom-Tochter ein rasantes Wachstum vorweisen.
Und einige lockt die Wachstums-Phantasie wieder. Doch alle, die ihr erliegen, sollten sich an den ersten Internet-Boom erinnern. Auch der wurde von Phantasien getragen und nicht von realen Gewinnen - Ende bekannt.