Deutsches Aktieninstitut fordert Börsensegment für junge Unternehmen
Experten diskutieren über eine Neubelebung des Neuen Marktes
Die Diskussion um die Wiederbelebung des Neuen Marktes erhält neue Nahrung. Mit dem Deutschen Aktieninstitut (DAI) fordert erstmals ein prominenter Vertreter des Finanzplatzes Deutschland die Einführung eines Börsensegments für Jungunternehmen, vergleichbar dem Neuen Markt.
HB FRANKFURT/M.„Ich hätte gerne wieder einen Neuen Markt, ohne den Namen jedoch wieder aufleben lassen zu wollen“, sagt Rüdiger von Rosen, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DAI. Zuletzt hatte es bereits in den Medien Spekulationen gegeben, ob das im März 2003 eingestellte Börsensegment wiederbelebt werden sollte.
Der deutsche Aktienmarkt erlebte in den Jahren von 1997 bis 2000 den größten Boom seiner Geschichte. Insgesamt 353 größtenteils junge und oft noch nicht börsenreife Unternehmen strebten damals an den Neuen Markt. Nach einem immensen Kursanstieg bis zum März 2000 ging es anschließend bergab. Am Ende war rund 20 Mrd. Euro Anlegergeld verloren.
Das DAI fordert nun erneut ein Börsensegment für junge Unternehmen, die ihre Leistungsfähigkeit erst noch beweisen müssen. Als Vorbild nennt der Lobbyverband den seit Jahren erfolgreichen Londoner Alternative Investment Market (AIM) – dort wurden im März 55 neue Unternehmen gezählt – sowie das gerade erst an der Münchener Börse geschaffene Segment „Maccess“. Deren Ausrichtung ist jedoch schwer miteinander zu vergleichen. Während der AIM jungen, aufstrebenden Unternehmen eine Plattform gibt und Investoren aus Großbritannien durch steuerliche Förderungen anzieht, setzt Maccess vor allem auf kleinere und mittlere Unternehmen, denen regulatorische Anforderungen und Kosten am geregelten Markt zu hoch sind.
Auch Bundesfinanzminister Hans Eichel hatte vergangene Woche die Vorbildfunktion des AIM für Deutschland gelobt, schloss dabei aber steuerliche Anreize wie in London aus.
Der französische Börsenbetreiber Euronext startet nach eigenen Angaben am 17. Mai ein Marktsegment für kleinere und mittlere Unternehmen namens Alternext. Den Anfang macht Meilleur Taux, eine Suchmaschine für Baufinanzierungen.
Die Deutsche Börse diskutiert derzeit mit Großinvestoren und Unternehmen, inwieweit Nachfrage nach einem Segment mit geringeren Anforderungen, niedrigeren Kosten und weniger Anlegerschutz besteht. Sollte Nachfrage da sein, würden Angebote erarbeitet, bestätigte eine Sprecherin. „Allerdings wird es dabei keine Veränderungen der bestehenden Marktsegmente geben, zumal der wenig reglementierte Freiverkehr bereits heute eine Alternative zum AIM darstellt“, sagte sie. 2004 gab es im Freiverkehr rund ein Dutzend Platzierungen.
Bei der Frage, ob in Deutschland ein Segment für aufstrebende Jungunternehmen oder für etablierte Mittelständler nötig ist, gehen die Meinungen auseinander. Während das DAI eine Lösung für Startups bevorzugt, die hohe Chancen kombiniert mit hohen Risiken bietet, bevorzugen Emissionsberater und Kleinanleger ein Segment für solide Mittelständler, die jahrelang gute Bilanzzahlen vorgelegt haben und nun ihr Eigenkapital stärken wollen.
„Was wir nicht brauchen, ist ein neues Einfallstor für Nepper, Schlepper und Bauernfänger“, sagt Jürgen Kurz von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Er plädiert für einen reformierten Freiverkehr, in dem es eine Sammelbox für seriöse Mittelständler gibt. Interesse sei vorhanden.
Ein Problem müsste noch gelöst werden. Vielen Fondsmanagern ist es in ihren Anlageregeln verwehrt, in Freiverkehrswerte zu investieren. „Wenn man die Regeln im Freiverkehr etwas anheben würde und die Fondsmanager ihre Regeln etwas lockern würden, wäre man einer sinnvollen Lösung schon sehr nahe“, sagt Emissionsberater Olaf Schuth.
Das war der Neue Markt (1997 – 2003)
Die Idee: Am 10. März 1997 startet die Deutsche Börse ein neues Segment unter dem Namen Neuer Markt. Dabei soll es sich um eine deutsche Variante der US-Wachstumsbörse Nasdaq handeln.
Die Unternehmen: Mit dem Automobilzulieferer Bertrandt und dem Mobilfunkunternehmen Mobilcom beginnt der Handel. In den sechs Jahren seines Bestehens entscheiden sich 353 Unternehmen für ein Listing.
Das Emissionsvolumen: Insgesamt 23,8 Mrd. Euro nehmen alle Gesellschaften zusammen im Rahmen der Börsengänge auf.
Das Ende: Am 21. März 2003 wird der All-Share-Index Nemax zum letzten Mal berechnet. Er wird durch den TecDax abgelöst.
Quelle: HANDELSBLATT, Freitag, 15. April 2005, 09:51 Uhr
...be invested
Der Einsame Samariter
Experten diskutieren über eine Neubelebung des Neuen Marktes
Die Diskussion um die Wiederbelebung des Neuen Marktes erhält neue Nahrung. Mit dem Deutschen Aktieninstitut (DAI) fordert erstmals ein prominenter Vertreter des Finanzplatzes Deutschland die Einführung eines Börsensegments für Jungunternehmen, vergleichbar dem Neuen Markt.
HB FRANKFURT/M.„Ich hätte gerne wieder einen Neuen Markt, ohne den Namen jedoch wieder aufleben lassen zu wollen“, sagt Rüdiger von Rosen, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DAI. Zuletzt hatte es bereits in den Medien Spekulationen gegeben, ob das im März 2003 eingestellte Börsensegment wiederbelebt werden sollte.
Der deutsche Aktienmarkt erlebte in den Jahren von 1997 bis 2000 den größten Boom seiner Geschichte. Insgesamt 353 größtenteils junge und oft noch nicht börsenreife Unternehmen strebten damals an den Neuen Markt. Nach einem immensen Kursanstieg bis zum März 2000 ging es anschließend bergab. Am Ende war rund 20 Mrd. Euro Anlegergeld verloren.
Das DAI fordert nun erneut ein Börsensegment für junge Unternehmen, die ihre Leistungsfähigkeit erst noch beweisen müssen. Als Vorbild nennt der Lobbyverband den seit Jahren erfolgreichen Londoner Alternative Investment Market (AIM) – dort wurden im März 55 neue Unternehmen gezählt – sowie das gerade erst an der Münchener Börse geschaffene Segment „Maccess“. Deren Ausrichtung ist jedoch schwer miteinander zu vergleichen. Während der AIM jungen, aufstrebenden Unternehmen eine Plattform gibt und Investoren aus Großbritannien durch steuerliche Förderungen anzieht, setzt Maccess vor allem auf kleinere und mittlere Unternehmen, denen regulatorische Anforderungen und Kosten am geregelten Markt zu hoch sind.
Auch Bundesfinanzminister Hans Eichel hatte vergangene Woche die Vorbildfunktion des AIM für Deutschland gelobt, schloss dabei aber steuerliche Anreize wie in London aus.
Der französische Börsenbetreiber Euronext startet nach eigenen Angaben am 17. Mai ein Marktsegment für kleinere und mittlere Unternehmen namens Alternext. Den Anfang macht Meilleur Taux, eine Suchmaschine für Baufinanzierungen.
Die Deutsche Börse diskutiert derzeit mit Großinvestoren und Unternehmen, inwieweit Nachfrage nach einem Segment mit geringeren Anforderungen, niedrigeren Kosten und weniger Anlegerschutz besteht. Sollte Nachfrage da sein, würden Angebote erarbeitet, bestätigte eine Sprecherin. „Allerdings wird es dabei keine Veränderungen der bestehenden Marktsegmente geben, zumal der wenig reglementierte Freiverkehr bereits heute eine Alternative zum AIM darstellt“, sagte sie. 2004 gab es im Freiverkehr rund ein Dutzend Platzierungen.
Bei der Frage, ob in Deutschland ein Segment für aufstrebende Jungunternehmen oder für etablierte Mittelständler nötig ist, gehen die Meinungen auseinander. Während das DAI eine Lösung für Startups bevorzugt, die hohe Chancen kombiniert mit hohen Risiken bietet, bevorzugen Emissionsberater und Kleinanleger ein Segment für solide Mittelständler, die jahrelang gute Bilanzzahlen vorgelegt haben und nun ihr Eigenkapital stärken wollen.
„Was wir nicht brauchen, ist ein neues Einfallstor für Nepper, Schlepper und Bauernfänger“, sagt Jürgen Kurz von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Er plädiert für einen reformierten Freiverkehr, in dem es eine Sammelbox für seriöse Mittelständler gibt. Interesse sei vorhanden.
Ein Problem müsste noch gelöst werden. Vielen Fondsmanagern ist es in ihren Anlageregeln verwehrt, in Freiverkehrswerte zu investieren. „Wenn man die Regeln im Freiverkehr etwas anheben würde und die Fondsmanager ihre Regeln etwas lockern würden, wäre man einer sinnvollen Lösung schon sehr nahe“, sagt Emissionsberater Olaf Schuth.
Das war der Neue Markt (1997 – 2003)
Die Idee: Am 10. März 1997 startet die Deutsche Börse ein neues Segment unter dem Namen Neuer Markt. Dabei soll es sich um eine deutsche Variante der US-Wachstumsbörse Nasdaq handeln.
Die Unternehmen: Mit dem Automobilzulieferer Bertrandt und dem Mobilfunkunternehmen Mobilcom beginnt der Handel. In den sechs Jahren seines Bestehens entscheiden sich 353 Unternehmen für ein Listing.
Das Emissionsvolumen: Insgesamt 23,8 Mrd. Euro nehmen alle Gesellschaften zusammen im Rahmen der Börsengänge auf.
Das Ende: Am 21. März 2003 wird der All-Share-Index Nemax zum letzten Mal berechnet. Er wird durch den TecDax abgelöst.
Quelle: HANDELSBLATT, Freitag, 15. April 2005, 09:51 Uhr
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Der Einsame Samariter