INTERVIEW: Ölbranche schleppt hohe Überkapazitäten bei Tankstellen mit sich
Datum: 15.05.2002 Uhrzeit: 13:54
HAMBURG (dpa-AFX) - Mit dem Betrieb einer Tankstellen ist seit Jahren kaum noch Geld zu verdienen, doch ein Abbau der Überkapazitäten auf dem deutschen Benzinmarkt ist nicht in Sicht. "Ich halte es für unausweichlich, dass es zu einem Strukturwandel und Kapazitätsabbau kommen muss", sagte Peter Schlüter, der Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbandes (MWV), am Mittwoch in Hamburg. "Der Anpassungsdruck bleibt bestehen." Der MWV schätzt, dass von den rund 16.000 Tankstellen in Deutschland ungefähr 4.000 überflüssig sind, also jede vierte. Die Zahl der Tankstellen geht zwar kontinuierlich zurück, doch nur geringfügig; im vergangenen Jahr um weniger als 300. Der Versuch der Branche, mit einem Strukturfonds den mittelständischen Tankstellenbetreibern das Ausscheiden aus dem Markt zu erleichtern, ist vor kurzem am Veto des Bundeskartellamtes gescheitert. "Die Sache ist aus unserer Sicht damit erledigt", sagte Schlüter, dessen Verband die großen Mineralölfirmen vertritt, nicht den Mittelstand. Obgleich die Autofahrer regelmäßig über hohe Benzinpreise klagen, bleiben den Ölfirmen nur noch acht Cent je Liter für Transport, Vertrieb und Gewinn. "Den Benzinpreis können wir zu 90 Prozent nicht beeinflussen; er besteht aus Steuern und Importkosten", sagte Schlüter. BENZINABSATZ WIRD BIS 2020 UM 40% ZURÜCKGEHEN Die Situation wird verschärft durch den schrumpfenden Markt. Die jüngste Prognose des MWV kommt zu dem Ergebnis, dass der Benzinabsatz bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent zurückgehen wird, weil es weniger benzingetriebene Autos gibt, die zudem bei einem geringeren Verbrauch weniger gefahren werden. Der Dieselabsatz soll dagegen nur leicht zurückgehen. Auch im vergangenen Jahr reduzierte sich der Benzinverbrauch in Deutschland von 28,8 auf 27,9 Millionen Tonnen und der Dieselverkauf von 28,9 auf 28,5 Millionen Tonnen. Nach den Fusionen von Aral und BP sowie Shell und DEA stehen zudem durch Auflagen des Kartellamtes rund 1.500 Tankstellen in Deutschland zum Verkauf. Bislang ist unklar, wer mit Milliardeninvestitionen in einen schrumpfenden und ertragsschwachen Markt einsteigen soll. Die Konzerne dürfen die Tankstellen nur verkaufen, nicht stilllegen. "Die wirtschaftliche Perspektive für einen Erwerber ist immer auch eine Frage des Preises", sagte Schlüter. Zu deutsch: Die Konzerne dürften für ihre Tankstellen nicht allzu viel bekommen. 11 EURO PRO TONNE ÖL VOR STEUERN VERDIENTE DIE WIRTSCHAFT Ungeachtet der schlechten Lage bei den Tankstellen hat die Mineralölwirtschaft in Deutschland ein gutes Jahr hinter sich und verdiente vor Steuern elf Euro an jeder Tonne Ölprodukt, so viel wie seit zehn Jahren nicht mehr. Die Gewinne kamen aus den Raffinerien, weil die Spanne zwischen dem Rohölpreis und dem Benzin- oder Heizölpreis ab Raffinerie relativ hoch war. Grund sei eine lebhafte Benzinnachfrage aus den USA gewesen. Wegen dieser Sonderentwicklung stufte Schlüter die Ertragslage der Raffinerien aber als "nicht robust" ein. Schon in den ersten Monaten des laufenden Jahres seien die Raffineriemargen wieder eingebrochen./DP/aa -- Von Eckart Gienke, dpa --
Quelle: DPA-AFX
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Datum: 15.05.2002 Uhrzeit: 13:54
HAMBURG (dpa-AFX) - Mit dem Betrieb einer Tankstellen ist seit Jahren kaum noch Geld zu verdienen, doch ein Abbau der Überkapazitäten auf dem deutschen Benzinmarkt ist nicht in Sicht. "Ich halte es für unausweichlich, dass es zu einem Strukturwandel und Kapazitätsabbau kommen muss", sagte Peter Schlüter, der Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbandes (MWV), am Mittwoch in Hamburg. "Der Anpassungsdruck bleibt bestehen." Der MWV schätzt, dass von den rund 16.000 Tankstellen in Deutschland ungefähr 4.000 überflüssig sind, also jede vierte. Die Zahl der Tankstellen geht zwar kontinuierlich zurück, doch nur geringfügig; im vergangenen Jahr um weniger als 300. Der Versuch der Branche, mit einem Strukturfonds den mittelständischen Tankstellenbetreibern das Ausscheiden aus dem Markt zu erleichtern, ist vor kurzem am Veto des Bundeskartellamtes gescheitert. "Die Sache ist aus unserer Sicht damit erledigt", sagte Schlüter, dessen Verband die großen Mineralölfirmen vertritt, nicht den Mittelstand. Obgleich die Autofahrer regelmäßig über hohe Benzinpreise klagen, bleiben den Ölfirmen nur noch acht Cent je Liter für Transport, Vertrieb und Gewinn. "Den Benzinpreis können wir zu 90 Prozent nicht beeinflussen; er besteht aus Steuern und Importkosten", sagte Schlüter. BENZINABSATZ WIRD BIS 2020 UM 40% ZURÜCKGEHEN Die Situation wird verschärft durch den schrumpfenden Markt. Die jüngste Prognose des MWV kommt zu dem Ergebnis, dass der Benzinabsatz bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent zurückgehen wird, weil es weniger benzingetriebene Autos gibt, die zudem bei einem geringeren Verbrauch weniger gefahren werden. Der Dieselabsatz soll dagegen nur leicht zurückgehen. Auch im vergangenen Jahr reduzierte sich der Benzinverbrauch in Deutschland von 28,8 auf 27,9 Millionen Tonnen und der Dieselverkauf von 28,9 auf 28,5 Millionen Tonnen. Nach den Fusionen von Aral und BP sowie Shell und DEA stehen zudem durch Auflagen des Kartellamtes rund 1.500 Tankstellen in Deutschland zum Verkauf. Bislang ist unklar, wer mit Milliardeninvestitionen in einen schrumpfenden und ertragsschwachen Markt einsteigen soll. Die Konzerne dürfen die Tankstellen nur verkaufen, nicht stilllegen. "Die wirtschaftliche Perspektive für einen Erwerber ist immer auch eine Frage des Preises", sagte Schlüter. Zu deutsch: Die Konzerne dürften für ihre Tankstellen nicht allzu viel bekommen. 11 EURO PRO TONNE ÖL VOR STEUERN VERDIENTE DIE WIRTSCHAFT Ungeachtet der schlechten Lage bei den Tankstellen hat die Mineralölwirtschaft in Deutschland ein gutes Jahr hinter sich und verdiente vor Steuern elf Euro an jeder Tonne Ölprodukt, so viel wie seit zehn Jahren nicht mehr. Die Gewinne kamen aus den Raffinerien, weil die Spanne zwischen dem Rohölpreis und dem Benzin- oder Heizölpreis ab Raffinerie relativ hoch war. Grund sei eine lebhafte Benzinnachfrage aus den USA gewesen. Wegen dieser Sonderentwicklung stufte Schlüter die Ertragslage der Raffinerien aber als "nicht robust" ein. Schon in den ersten Monaten des laufenden Jahres seien die Raffineriemargen wieder eingebrochen./DP/aa -- Von Eckart Gienke, dpa --
Quelle: DPA-AFX
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