Ökonomische Gründe sind selten der Hauptgrund, jedoch fast nie ein Hinderungsgrund für einen Krieg. Zugleich haben Kriege aber enorme Auswirkungen auf die Wirtschaft.
Wir erinnern uns gut an die verschiedenen Kriegsszenarien und die prognostizierten wirtschaftlichen Folgen. Anthony Cordesman, Analyst beim Center for Strategic Studies in Washington, hielt vor dem Angriff auf Irak drei Szenarien für möglich, mit einem je nach Szenario steigenden Ölpreis: einen schnellen Krieg von vier bis sechs Wochen, einen Krieg mittlerer Dauer von sechs bis zwölf Wochen und einen Krieg, der länger als zwölf Wochen dauert.
Nach zwölf Tagen ist ein Ende des Militärschlags gegen Saddam Hussein nicht absehbar. Die Chancen für das erste Szenario, welches Cordesman damals als das wahrscheinlichste bezifferte, sinken. Das zweite Szenario wird wahrscheinlicher. Vom dritten Szenario zu sprechen ist noch zu früh.
Was die Kriegskosten angeht, erinnern wir uns, dass Professor William Nordhaus von der Yale-Universität folgende Rechnung veranschlagt hatte: Im günstigsten aller Fälle rechnet er mit 80 Mrd. $, im ungünstigsten Fall mit über 1000 Mrd. $. Der Golf-Krieg 1991 kostete im Vergleich dazu 76 Mrd. $.
Der US-Präsident hat schon nach wenigen Tagen den Kongress gebeten, ihm 75 Mrd. $ an neuen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen. Damit liegen wir im Basisszenario am unteren Ende von Nordhaus’ Schätzungen. Da der Krieg nicht so läuft wie erhofft, bewegen wir uns auf der Kostenleiter nach oben. Wie schnell und wie weit, wissen wir nicht.
Hohe Kosten für den Wiederaufbau
Da das Pentagon jetzt weitere Divisionen auf den Weg in den Golf schickt, um die aus Sicht der Militärs unzureichende Zahl der Bodentruppen zu verstärken, ist damit zu rechnen, dass die operationellen Kosten stark ansteigen. Da in einem längeren Krieg bei gleicher Intensität mehr zerstört wird als bei einem kurzen Militärschlag, werden auch die Wiederaufbaukosten in die Höhe gehen. Anders als erhofft wird all das nicht allein aus irakischem Vermögen finanzierbar sein. Den Alliierten, eventuell der gesamten Weltgemeinschaft werden neue Kosten entstehen. In der Kalkulation von Nordhaus bewegen wir uns je nach Dauer und Intensität des Krieges irgendwo zwischen der 100-Mrd.-$- und der 1000-Mrd.-$-Marke, mit steigender Tendenz.
Die Kostenrechnung für sich allein ist kein Grund zum Pessimismus; der wichtigste Hebel zwischen Krieg und Weltwirtschaft ist der Ölpreis. Hier bewegen wir uns derzeit noch gerade im optimistischen Szenario. Das mittlere Szenario geht davon aus, dass der Ölpreis zunächst auf 40 $ pro Barrel steigt und sich später bei 30 $ pro Barrel einpendelt. Am Montagmittag lag der Preis von Brent bei 26,50 $. Wir sind also nicht weit vom mittleren Szenario entfernt. Die Gesamtprognose dafür ist deprimierend: Das Wirtschaftswachstum der USA würde im ersten Halbjahr auf null Prozent zurückgehen. Auch das europäische Wachstum würde abnehmen. Da Deutschland das strukturell schwächste Wachstum der EU hat, droht hier zu Lande die Verlängerung der jetzt schon bestehenden Rezession.
Transatlantische Zeitverzögerung
Der Aufschwung käme frühestens im dritten Quartal, infolge der üblichen transatlantischen, konjunkturellen Zeitverzögerung wahrscheinlich aber erst ein bis zwei Quartale später. Die Arbeitslosigkeit würde im Winter rasant auf über fünf Millionen ansteigen.
Diese Daten sind gegenwärtig zwar noch nicht in den Wachstumsprognosen der Bundesregierung, der EU-Kommission, der europäischen Zentralbank oder des Internationalen Währungsfonds berücksichtigt. Aber alle sind zumindest intern bereits dabei, ihre Prognosen langsam zurückzunehmen. Die EU-Kommission etwa schätzt das reale Wirtschaftswachstum für Deutschland in diesem Jahr mittlerweile auf nur 0,4 Prozent.
Und dies ist bei weitem nicht das pessimistischste Szenario. Eine Bankenkrise, die in Deutschland nicht mehr auszuschließen ist, würde die hiesige Wirtschaft zum Absturz bringen. Sollte der Krieg mehrere Monate dauern und die Nachkriegsordnung in Irak sich als instabil erweisen, wird die gesamte Weltwirtschaft ins Stocken geraten. Auch dass Diplomaten zufolge die Doha-Welthandelsrunde kurz vor dem Scheitern steht, trübt mittelfristig die Hoffnung auf eine robuste Wiederbelebung der Weltkonjunktur. Es bedarf keiner extrem pessimistischen Annahmen, um extrem pessimistische Aussagen zu treffen: Die Weltwirtschaft ist in großer Gefahr.
Unter der realistischen Annahme, dass der Krieg unabhängig von wirtschaftlichen Überlegungen geführt wird und dass die transatlantische Kooperation auch in wirtschaftlichen Fragen ins Stocken geraten ist, ist der Handlungsspielraum für Europa relativ eng. Eine kräftige Senkung der Zinsen von mindestens 100 Basispunkten, ein Aussetzen des Stabilitätspaktes und - in Deutschland - die Umsetzung struktureller Reformen, die weit über das vom Bundeskanzler vorgeschlagene Paket hinausgehen, sind notwendig - allein um einer drohenden Depression zu entgehen.
Da die für die Wirtschafts-, Finanz- und Geldpolitik zuständigen Organisationen in Europa und in den einzelnen Ländern jedoch dazu neigen, sich gegenseitig die Schuld zuzuweisen anstatt zusammenzuarbeiten, sind die Aussichten nicht gerade erfreulich.
© 2003 Financial Times Deutschland
So long,
Calexa
www.investorweb.de
Wir erinnern uns gut an die verschiedenen Kriegsszenarien und die prognostizierten wirtschaftlichen Folgen. Anthony Cordesman, Analyst beim Center for Strategic Studies in Washington, hielt vor dem Angriff auf Irak drei Szenarien für möglich, mit einem je nach Szenario steigenden Ölpreis: einen schnellen Krieg von vier bis sechs Wochen, einen Krieg mittlerer Dauer von sechs bis zwölf Wochen und einen Krieg, der länger als zwölf Wochen dauert.
Nach zwölf Tagen ist ein Ende des Militärschlags gegen Saddam Hussein nicht absehbar. Die Chancen für das erste Szenario, welches Cordesman damals als das wahrscheinlichste bezifferte, sinken. Das zweite Szenario wird wahrscheinlicher. Vom dritten Szenario zu sprechen ist noch zu früh.
Was die Kriegskosten angeht, erinnern wir uns, dass Professor William Nordhaus von der Yale-Universität folgende Rechnung veranschlagt hatte: Im günstigsten aller Fälle rechnet er mit 80 Mrd. $, im ungünstigsten Fall mit über 1000 Mrd. $. Der Golf-Krieg 1991 kostete im Vergleich dazu 76 Mrd. $.
Der US-Präsident hat schon nach wenigen Tagen den Kongress gebeten, ihm 75 Mrd. $ an neuen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen. Damit liegen wir im Basisszenario am unteren Ende von Nordhaus’ Schätzungen. Da der Krieg nicht so läuft wie erhofft, bewegen wir uns auf der Kostenleiter nach oben. Wie schnell und wie weit, wissen wir nicht.
Hohe Kosten für den Wiederaufbau
Da das Pentagon jetzt weitere Divisionen auf den Weg in den Golf schickt, um die aus Sicht der Militärs unzureichende Zahl der Bodentruppen zu verstärken, ist damit zu rechnen, dass die operationellen Kosten stark ansteigen. Da in einem längeren Krieg bei gleicher Intensität mehr zerstört wird als bei einem kurzen Militärschlag, werden auch die Wiederaufbaukosten in die Höhe gehen. Anders als erhofft wird all das nicht allein aus irakischem Vermögen finanzierbar sein. Den Alliierten, eventuell der gesamten Weltgemeinschaft werden neue Kosten entstehen. In der Kalkulation von Nordhaus bewegen wir uns je nach Dauer und Intensität des Krieges irgendwo zwischen der 100-Mrd.-$- und der 1000-Mrd.-$-Marke, mit steigender Tendenz.
Die Kostenrechnung für sich allein ist kein Grund zum Pessimismus; der wichtigste Hebel zwischen Krieg und Weltwirtschaft ist der Ölpreis. Hier bewegen wir uns derzeit noch gerade im optimistischen Szenario. Das mittlere Szenario geht davon aus, dass der Ölpreis zunächst auf 40 $ pro Barrel steigt und sich später bei 30 $ pro Barrel einpendelt. Am Montagmittag lag der Preis von Brent bei 26,50 $. Wir sind also nicht weit vom mittleren Szenario entfernt. Die Gesamtprognose dafür ist deprimierend: Das Wirtschaftswachstum der USA würde im ersten Halbjahr auf null Prozent zurückgehen. Auch das europäische Wachstum würde abnehmen. Da Deutschland das strukturell schwächste Wachstum der EU hat, droht hier zu Lande die Verlängerung der jetzt schon bestehenden Rezession.
Transatlantische Zeitverzögerung
Der Aufschwung käme frühestens im dritten Quartal, infolge der üblichen transatlantischen, konjunkturellen Zeitverzögerung wahrscheinlich aber erst ein bis zwei Quartale später. Die Arbeitslosigkeit würde im Winter rasant auf über fünf Millionen ansteigen.
Diese Daten sind gegenwärtig zwar noch nicht in den Wachstumsprognosen der Bundesregierung, der EU-Kommission, der europäischen Zentralbank oder des Internationalen Währungsfonds berücksichtigt. Aber alle sind zumindest intern bereits dabei, ihre Prognosen langsam zurückzunehmen. Die EU-Kommission etwa schätzt das reale Wirtschaftswachstum für Deutschland in diesem Jahr mittlerweile auf nur 0,4 Prozent.
Und dies ist bei weitem nicht das pessimistischste Szenario. Eine Bankenkrise, die in Deutschland nicht mehr auszuschließen ist, würde die hiesige Wirtschaft zum Absturz bringen. Sollte der Krieg mehrere Monate dauern und die Nachkriegsordnung in Irak sich als instabil erweisen, wird die gesamte Weltwirtschaft ins Stocken geraten. Auch dass Diplomaten zufolge die Doha-Welthandelsrunde kurz vor dem Scheitern steht, trübt mittelfristig die Hoffnung auf eine robuste Wiederbelebung der Weltkonjunktur. Es bedarf keiner extrem pessimistischen Annahmen, um extrem pessimistische Aussagen zu treffen: Die Weltwirtschaft ist in großer Gefahr.
Unter der realistischen Annahme, dass der Krieg unabhängig von wirtschaftlichen Überlegungen geführt wird und dass die transatlantische Kooperation auch in wirtschaftlichen Fragen ins Stocken geraten ist, ist der Handlungsspielraum für Europa relativ eng. Eine kräftige Senkung der Zinsen von mindestens 100 Basispunkten, ein Aussetzen des Stabilitätspaktes und - in Deutschland - die Umsetzung struktureller Reformen, die weit über das vom Bundeskanzler vorgeschlagene Paket hinausgehen, sind notwendig - allein um einer drohenden Depression zu entgehen.
Da die für die Wirtschafts-, Finanz- und Geldpolitik zuständigen Organisationen in Europa und in den einzelnen Ländern jedoch dazu neigen, sich gegenseitig die Schuld zuzuweisen anstatt zusammenzuarbeiten, sind die Aussichten nicht gerade erfreulich.
© 2003 Financial Times Deutschland
So long,
Calexa
www.investorweb.de