Neujahrsgrüße auch von Hermann Gremliza

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DarkKnight:

Neujahrsgrüße auch von Hermann Gremliza

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31.12.01 17:22
Hermann L. Gremliza
Der Feind des Feindes: ein Feind


Budgetkürzungen, Süße«, antwortet der Mann von der CIA der Heldin Geena Davis, die sich wundert, warum der Dienst einen Terroranschlag plant. »Der Kongreß hat uns in Übersee den Hahn abgedreht ... 1993, der Bombenanschlag auf das World Trade Center, vor Gericht behauptet einer der Bombenleger, die CIA habe davon gewußt ... Es ist nicht undenkbar, daß die den Bombenlegern den Weg geebnet haben, um so eine Budgeterhöhung rauszuschlagen ... Leider hab’ ich keine Ahnung, wie man den Tod von 4.000 Menschen simuliert. Wir werden sie also einfach alle töten müssen. Und es natürlich den Moslems in die Schuhe schieben. Dann bekomme ich meine Mittel.«
Die Szene aus dem US-Spielfilm »Tödliche Weihnachten«, gedreht 1996, ist nicht einfach eine Fiktion. Sie ist eine Nachricht davon, was die für die US-Gesellschaft so wichtige Medienindustrie ihren Konsumenten am Ende des 20. Jahrhunderts als hinreichend plausibel hat darstellen können: daß die USA von Kräften regiert werden, die für Geld zu Verbrechen aller Art und jeden Ausmaßes bereit sind.

Glaubwürdigkeit solcher Art fällt nicht vom Himmel und entsteht nicht über Nacht. Sie gründet in Erfahrungen, die nach dem Anschlag auf das World Trade Center noch einmal exemplarisch erlebt werden durften. Die Überreste der 3.000 Ermordeten waren noch nicht kalt, da hatten CIA, FBI und Militär schon ihre Mittel und der Moslem die Schuld. Erst nach vier Wochen Bombenkrieg, in dem ungezählte Unbeteiligte starben, hatte die US-Regierung ein Video so weit präpariert, daß Politiker wie der deutsche Bundeskanzler, die auf einen Verdacht hin den Krieg erklärt hatten, sich trauten, es »wohl« als »letzten« (das heißt: ersten) »Beweis« für die Täterschaft Osama Bin Ladens zu werten.

Schwer vorstellbar nach der Rolle der US-Agenten beim ersten Anschlag auf die Twin Towers, aber doch möglich, daß der zweite ohne jede Mitwirkung aus den einschlägigen Diensten vorbereitet und durchgeführt worden ist. Die meisten außeramerikanischen Beobachter haben diese Möglichkeit für die Wahrheit genommen, um die Schuld der USA an ihrem Unglück dort zu suchen, wo auch dieser Denker sie gefunden hat:

„Die USA haben eine furchtbare menschliche Tragödie erlebt. Diese Tragödie kann man nicht von dem politischen Kontext trennen, der sie alleine erklärbar macht. Die Wahrheit ist, daß das amerikanische Volk – ohne diese Logik zu durchschauen – nun am eigenen Leibe die Konsequenzen der verabscheuenswürdigen Außenpolitik zu spüren bekommt, die seine Regierungen seit Jahrzehnten verfolgt haben. Diese Politik hat weltweit ein solches Ausmaß an Elend, Unglück und Katastrophen produziert, daß ein Teil der Welt sie als Kriegserklärung aufgefaßt hat.“

Der Autor hätte ein deutscher Friedensfreund gewesen sein können, Bednarz vom WDR vielleicht oder Augstein vom »Spiegel«, ein Kommentator der »Frankfurter Rundschau«, ein Redakteur des »Neuen Deutschland«, ein Autor von KONKRET sogar. Es war, in diesem Fall, ein französischer Faschist, und sein Beitrag stand in einem deutschen Naziblatt. Aber sind die Sätze darum falsch? Muß man widersprechen, wenn ein Nazi sagt, zwei mal zwei sei vier?

Wer dumm fragt, bekommt dumme Antworten. Die zitierten Sätze sind richtig, und sie sind falsch. Falsch sind sie, weil ihr Subtext die Abscheulichkeit der US-Politik zu einer Sache »der Amerikaner« macht, anstatt sie aus dem ökonomischen Gesetz zu erklären, unter dem Gesellschaften wie die US-amerikanische stehen. Wer ja sagt zum Kapitalismus (zur Marktwirtschaft und ihrer bevorzugten politischen Organisationsform, der »westlichen Demokratie«) und nein zur Außenpolitik der USA, spricht nicht als Kritiker, sondern als Konkurrent. Sein Urteil verbreitet nicht Aufklärung, sondern Ressentiment: Antiamerikanismus.

Bei guter Witterung drapieren Ideale das Wesen der kapitalistischen Bestie. Aber wehe, es tritt ihr einer auf den Schwanz. Dann verwandelt sich das Reich der Zivilisation in eines der polizeistaatlichen Barbarei. Demokratische Werte, Rechtsstaat, Völkerrecht, Gleichheit vor dem Gesetz sind abgeschafft über Nacht. Polizei und Geheimdienst werden zur Geheimpolizei, die alles darf - wer abweichender Meinung oder Hautfarbe ist, wird eingesperrt, verhört, in unbefristete Beugehaft genommen. Häuser werden ohne richterliche Genehmigung durchsucht, Militärtribunale werden ermächtig, feindliche Ausländer kidnappen zu lassen und ohne ordentliches Verfahren hinzurichten. Der »USA Patriot Act«, der das alles erlaubt, ist die rechtsförmige Materialisierung dessen, was der Präsident siebenmal die Woche der Welt mitteilt: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Er hat sich alles weitere selbst zuzuschreiben. Wir kriegen euch alle.

»Euch« sind alle, die den freien Zugriff des nationalen Kapitals auf alle Güter der Erde behindern oder dem Dummy im Oval Office sonstwie unheimlich sind. »We will get you« heißt, daß die Not kein Gebot kennt: keine Verträge (ABM, Kioto), kein Völkerrecht (das Verbot, Gefangene umzubringen), keine Menschenrechte. Bauchaufschlitzer werden, weil der Feind meines Feindes mein Freund ist, zu Bündnispartnern, Bürgerrechte werden gestrichen, Menschenrechte abgeschafft. Wie dünn und wie schnell ab der Lack doch ist, der sich als Zivilisation, als westliche Werte oder abendländische Kultur gefeiert hat. In den USA wird seit Wochen ernsthaft hin und her debattiert, was ein Kolumnist des Nachrichtenmagazins »Newsweek« geschrieben hat:

„Dies ist eine neue Welt, und das Überleben könnte durchaus alte Techniken verlangen, die bisher nicht in Betracht kamen ... Wir können die Folter nicht legalisieren - das widerspricht amerikanischen Werten. Aber ... wir werden darüber nachdenken müssen, einige Verdächtige unseren weniger zartbesaiteten Verbündeten zu überstellen, auch wenn das überaus heikel ist. Doch niemand hat behauptet, es würde angenehm werden.“

Gallup hat die Zustimmung von 45 Prozent der US-Amerikaner zur Folter an »bekannten Terroristen« ermittelt. Wie viele in Deutschland dazu breit wären, weiß man, seit Ernst Albrecht auch dann noch Ministerpräsident eines Bundeslandes bleiben konnte, als herauskam, daß er es zur Not für »sittlich geboten« hielt, Informationen »durch Folter zu erzwingen«.

Der skizzierten Wirklichkeit läßt sich auf sehr verschiedene Weise begegnen. Einen Amerikanismus, der in donnerndem Applaus zu Politik und Gesellschaft der real existierenden USA sich äußerte, gibt es nicht, nur eine Amerikanisierung (des Lebens und insbesondere der Sprache), die aber bereits ein Kampfbegriff des Antiamerikanismus ist. Antiamerikanismus, der nicht Antikapitalismus ist und also sich hierzulande nicht zuerst gegen das nationale Kapital und seine Gesellschaft richtet, erweist sich – von rechts bis links – als mindestens nationales, häufig völkisches Ressentiment. (Von dem Gefühl kultureller Überlegenheit eines Volkes, das einen »Mitteldeutschen Rundfunk« betreibt, hört und sieht, ein andermal.)

Neuerdings gibt es, womit Antiamerikaner, die was werden wollten, irgendwann ihr Coming-out hatten, auch von ganz links: Anti-Antiamerikanismus. Der linke Anti-Antiamerikaner dreht den Spieß, den er gegen den Feind im eigenen Land geführt sehen will, einmal zu oft herum, indem er, wie Ulrich Enderwitz seinen Freiburger Verlegern von Ça ira und der Initiative Sozialistisches Forum (ISF) attestiert, die USA »zum Wahrer und Hüter eines vergleichsweise guten, weil Liberalismus und Individualismus garantierenden und insofern unverdrossen als Bollwerk gegen den Faschismus fungierenden Kapitalismus« ausruft.

Wie verzweifelt muß ein kritischer Theoretiker sein, der seine letzte Hoffnung darauf setzt, die USA könnten noch einmal das Gute tun, das sie von 1941 bis 1945 (aus schon damals weniger guten Motiven) getan haben? Wenn der Feind meines Feindes mein Freund sein soll, dann an meine Brust, ihr Smerlappen! Kommt ran, George W. und Gulbuddin!

Antiamerikanismus ist eine Pest. Anti-Antiamerikanismus ist keine Medizin, sondern die Cholera.
hjw2:

Guter Artikel.....wie meistens..schon gelesen?? o.T.

 
31.12.01 17:30
DarkKnight:

Interessant, nicht wahr. Vor allem, wenn man

 
31.12.01 17:34
bedenkt, welche Filme in den letzten Tagen liefen: alles US-Filme, produziert nach 95 und fast ausschließlich mit Terroristenthemata.

Nö, noch nicht gelesen, keine Zeit.

Guten Rutsch übrigens, ich werde mir heute ausnahmsweise nicht die Birne zuknallen, habe noch jede Menge vor diese Woche.

Cya, hjw
hjw2:

Guter Entschluss DK...SMS erhalten?

 
31.12.01 17:39
Wünsche  einen guten Rutsch, denke sehen uns in 2002..
Herzliche Grüsse
hjw
DarkKnight:

Sehe gleich mal nach, hjw, muß jetzt weg

 
31.12.01 17:44
Sylvestertruthahn verspeisen in der Family.

Die 1. Hälfte gabs an Weihnachten (16 Kilo-Monster), die 2. ist heute fällig.

Schätze mal, daß ich die nächsten Tage nichts mehr brauche.

Herzliche Grüsse auch ... übrigens, unser Schnittchenkind friert gerade in Spanien und hat Heimweh ... hehe
schmuggler:

werd jetzt mal ein paar Kracher schmeißen gehen o.T.

 
31.12.01 18:02
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