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Autokrise
Muss Opel gerettet werden?
Von Christian Siedenbiedel
16. November 2008 Die Dämme brechen. Nach den Banken rufen jetzt die deutschen Tochtergesellschaften amerikanischer Autokonzerne um Hilfe vom deutschen Staat. Neben der Adam Opel GmbH bitten nach Informationen der Sonntagszeitung auch die Fordwerke Köln die Regierung um Unterstützung.
Die amerikanischen Muttergesellschaften General Motors und Ford machen seit Jahren Verluste und kämpfen ums Überleben. Während Ford Deutschland seinen Hilfsbedarf nicht beziffert und nach außen verkündet, alles sei bestens, braucht Opel nach eigenen Angaben mehr als eine Milliarde Euro als Bürgschaft vom Staat. Ohne Bürgschaft würde das Rüsselsheimer Unternehmen keine Kredite fürs laufende Geschäft mehr bekommen und könnte illiquide werden. Aus Amerika ist keine Hilfe zu erwarten, im Gegenteil: Es drohen weitere Kapitalabflüsse nach Detroit.
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Bundesregierung und Landesregierungen signalisieren inzwischen unisono ihre Bereitschaft zur Hilfe der deutschen Paradebranche, obwohl von ihr, anders als beim Finanzsektor, kein Risiko für das ganze Wirtschaftssystem ausgeht. Rückenwind für die Eingriffe spüren die Politiker durch die Bürger, von denen nach Umfragen von Meinungsforschern inzwischen die Mehrheit Interventionen und den Schutz sogenannter Schlüsselindustrien befürwortet. Nur Wirtschaftsminister Michael Glos ist zögerlich (sieheMichael Glos: „Ob man Einzelunternehmen stützen soll, ist fraglich“ ).
Die Staaten nutzen die Krise für einen Subventionswettlauf
Dabei würde, anders als beim Bankensektor, ein Zusammenbruch von Opel und Ford in Deutschland die Versorgung der Kundschaft mit Autos nicht gefährden. Andere, gesündere Unternehmen stünden bereit, die Lücken zu schließen. Die Autofahrer würden auch nicht das Vertrauen in das Produkt Automobil selbst verlieren. Der Vertrauensverlust der Kunden war das zentrale Argument zur Stützung des Finanzsektors.
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) gab am Wochenende für Opel eine "Überlebensgarantie" ab. Er argumentiert mit den etwa 30 000 Arbeitsplätzen, die am Unternehmen hängen. Er lässt sich aber auch mit der Aussage zitieren: Die deutschen Autos seien besonders gut, auch deshalb sei es Aufgabe des Staates, ihre Produktion sicherzustellen.
Mit dieser Argumentation signalisiert die Politik ihre Bereitschaft, Marktgesetze zu suspendieren. Wenn Autos gut sind, finden sie gewöhnlich Kundschaft. Opelchef Hans Demant argumentiert unterdessen gerissener: "Wir wollen die Bürgschaft, um die Wettbewerbsfähigkeit von Opel auch in dieser global schwierigen Zeit zu sichern."
Ganz offensichtlich nutzen die Staaten der Welt die Krise für einen Subventionswettlauf. Mehr noch: Der Wettbewerb globaler Unternehmen wie General Motors könnte sich verändern, wenn jetzt selbst Tochterunternehmen der Multis nationalisiert werden. Europäische Autobauer fürchten Nachteile auf sich zukommen, weil amerikanische Autobauer jetzt schon massiv mit staatlichen Geldern unterstützt werden, um ihre Fahrzeugflotten auf verbrauchsärmere, umweltfreundliche Modelle umzustellen.
Dabei sind Beihilfen für einzelne Unternehmen in der Europäischen Union im Normalfall verboten. Die Unternehmensführung von Opel füllt zurzeit einen langen Fragenkatalog aus, um überhaupt eine Chance auf eine Bürgschaft zu haben. Und ob die Kommission danach zustimmt, ist noch fraglich.
Doch der neue Patriotismus setzt voll auf nationale oder regionale Industriepolitik. Hessens Ministerpräsident Roland Koch, der im Wahlkampf steckt, will deshalb den "Autoschirm", wie er das Rettungspaket für Opel getauft hat, auch für Automobilzulieferer öffnen.
Auch Daimler und BMW schielen schon auf staatliche Hilfe
"Allein in Hessen gibt es 1600 Zulieferer mit 50 000 Mitarbeitern, die wegen der schlechten Konjunktur Umsatzeinbrüche von 30 bis 40 Prozent haben", sagte sein Sprecher. Die stehen schon Schlange. Auch für sie will Hessen deshalb die Möglichkeit neuer Bürgschaften eröffnen. Verteilen soll sie die landeseigene Förderbank. Den größten Anteil der Bürgschaft sichern soll allerdings der Bund.
Auch die IG Metall reiht sich in die Reihe der Hilferufer ein: Sie hat in einem Brief an die Europäische Kommission zinsgünstige Kredite für europäische Autoproduzenten gefordert. Den Brief haben die Gesamtbetriebsratsvorsitzenden aller wichtigen deutschen Hersteller unterschrieben.
Selbst Automobilhersteller wie Daimler und BMW schielen schon auf staatliche Hilfe. Sie haben wegen der Finanzkrise Schwierigkeiten, sich durch Unternehmensanleihen zu finanzieren. Deshalb wünschen sie sich staatliche Garantien für neue Anleihen. Entsprechende Programme entwickeln sie ausgerechnet mit dem Bundesverband Deutscher Banken zusammen: Der hat schließlich aus der Bankenkrise Erfahrungen mit hilfsbedürftigen Unternehmen. Daimler plant dem Vernehmen nach gleichzeitig ein milliardenschweres Sparprogramm.
Eine Gefahr ganz eigener Art bergen allerdings Rettungspakete für deutsche Töchter amerikanischer Unternehmen. Das Geld könnte von den angeschlagenen Muttergesellschaften abgezogen werden.
Davor warnt unterdessen Klaus Franz, der Betriebsratsvorsitzende von Opel. "Die Politik muss sicherstellen, dass die Gelder nicht nach Amerika abfließen können." Die Bundesregierung solle bei den Verträgen über eine Bürgschaft vereinbaren, dass das Geld bei Opel bleibe und auch im Fall einer Insolvenz der amerikanischen Muttergesellschaft gesichert sei. Außerdem solle sie Standortgarantien vereinbaren.
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