Hintergründe zur inszenierten Flucht des Kim Schmitz
Sein Tod ist auf unbestimmte Zeit verschoben. Noch am Donnerstag hatte er seinen Tod für den folgenden Montag, seinen Geburtstag angekündigt - jetzt wurde Kim Schmitz in Thailand verhaftet.
So richtig hat die Meldung dann doch nicht eingeschlagen: Ein gewisser Herr Schmitz, der sich persönlich als die Verkörperung der deutschen New Economy sah, ist in Thailand verhaftet worden. Der Vorwurf: Kapitalanlagebetrug und Insidergeschäfte. Zwar verbreiteten am Freitag alle wichtigen Nachrichtenagenturen die Information, doch in den Zeitungen taucht sie dann doch unter "Vermischtes" auf.
So berichtet die Bild-Zeitung am Samstag auf Seite 7 nur in einem kurzen Lückenbüßer-Artikel, obwohl sie zu dem Zeitpunkt wohl über die meisten Informationen verfügt. Sieben thailändische Polizisten und zwei Zielfahnder des Landeskriminalamts Bayern hätten den verdutzten Schmitz abgeholt. Nun sitze er in einer Zelle im Coy-Suan-Plo-Gefängnis.
Medien sind selbstreferenzierend: wenn eine Zeitung zu einem Thema ein Riesen-Fass aufmacht, dann müssen die anderen gucken, ob sie nicht etwas verpasst haben. Ob sie etwas nicht berichtet haben, was vielleicht doch jemanden interessieren könnte. In diesem Fall hat RTL den Anstich zelebriert. Anfang Januar berichtete das Boulevard-Magazin "Exclusiv" exklusiv von der Flucht des Kim Schmitz. Schulden im Rotlicht-Millieu seien der Grund, warum der 27jährige aus München geflohen sei. Seine Wohnung sei aufgelöst und auch bei seiner Firma Kimvestor sei niemand mehr zu erreichen.
Mail aus Thailand
Auf ein Leben auf der Flucht konnte sich Kim Schmitz wohl nicht gewöhnen. Sich unauffällig verhalten, bescheiden leben - das kam nicht in Frage. So gab er seinen alten Freunden von RTL, die seine Eskapaden jahrelang mit Bewunderung verfolgt hatten, ein Interview. Da müssen schon ein paar Schwenks durchs Hotelzimmer erlaubt sein. Und das Hotel verfügt über einen eigenen Internetanschluss - warum sollte man den nicht nutzen? So erhielt der freie Journalist Torsten Kleinz folgende gönnerhafte Mail:
Return-path: kim@kimvestor.com
Envelope-to: kimbledoku@kleinz.net
Delivery-date: Wed, 16 Jan 2002 21:57:36 +0100
Received: from [202.183.197.198] (helo=hyatt-bkk-th-1.inter-touch.net)
by mxng01.kundenserver.de with esmtp (Exim 3.22 #2)
id 16Qx7m-0004J9-00
hi,
deine seite [www.kleinz.net/kimble] ist geil. hab mich köstlich amüsiert. weiter so, K.
Anhand der Informationen im Header war nicht wirklich schwer zu erraten, wo sich der Flüchtige aufhielt. Und Schmitz schrieb nicht wenige Emails. Wusste der angebliche Sicherheitsexperte nicht, wie man Emails verschickt, ohne seinen Aufenthaltsort rauszuposaunen? Die Gestaltung seiner Webseite lässt das vermuten. (Siehe Bye, Bye, Deutschland). Oder sah er sich gar nicht als so bedroht an?
Seine Peiniger oder Gläubiger - je nach Lesart und Informationsstand - waren in der Heimat nämlich beschäftigt mit Presseanfragen. So versichert ein namenloser Herr aus der vielzitierten Rotlichtszene dem Magazin Max: "Wir haben ihm nicht mal die Finger gebrochen". Menschen, die üblicherweise Finger brechen, lesen ja keine Emails.
Gleichzeitig drehte der Wind - die Medieninszenierung des Herrn Schmitz brach zusammen. Auch andere Journalisten, die sich das teure Bildmaterial nicht leisten konnten oder wollten, fingen an zu recherchieren. Es tauchten unbezahlte Rechnungen auf: ein Hotel in Hamburg und eine Filmproduktionsgesellschaft seien geprellt worden. Schließlich kommt sogar ein Strafbefehl wegen Kapitalanlagebetrugs ans Licht der Öffentlichkeit. Die Höhe der Strafe von 13770 Euro scheint lächerlich für einen Mann, der sich einst gebrüstet hat, ein Vermögen von 500 Millionen Mark zu haben. Doch Geld scheint zur Zeit Mangelware zu sein. So berichtet Max, Schmitz habe bei Freunden 350000 Euro per Blitzanweisung angefordert. Wie üblich zahle er das Doppelte zurück.
Legends may die
Auf alle Fälle dürfte die Legende "Kimble" beträchtlichen Schaden genommen haben. Dass es mit seinen Hack-Künsten nicht sehr weit her ist, weiß man spätestens seit seinem dilettantischen Vorgehen, als seine Webseite gehackt wurde. Wenn man mit Hacken "den kreativen Umgang mit Technik" gleichsetzt, hat er diesem Hobby wohl noch nie gefrönt. Er ging lieber kreativ mit Medien und Firmen um. Doch auch das ist vorbei.
Das Image als erfolgreicher Geschäftsmann ist de facto nicht mehr vorhanden. Seine berühmte Dataprotect GmbH war defizitär bis zum Konkurs, die Anteile an anderen Gesellschaften sind nach Angaben der Telebörse längst gepfändet. Sein groß angekündigtes Kimpire ist eine Luftnummer.
Immerhin: die Deutsche Presse-Agentur attestiert ihm, dass er als "schillernde Figur" gilt. Bild weiß nur noch zu berichten, dass Schmitz dick ist. Das untergegangene Boulevard-Magazin Thema1 formulierte es unfeiner. "Riesenschwabbelbaby" wurde er auf dieser Seite genannt.
Wer nun meint, die Kimble-Story sei aus und vorbei, mag sich täuschen. Noch ist nicht sicher, dass Thailand den mutmaßlichen Anlagebetrüger überhaupt ausliefert. Ein Prozess in München könnte zum Schaulaufen ausarten.
Dass sein Name jetzt in aller Munde ist kann man jedenfalls nicht behaupten. So schreibt die Nachrichtenseite Newsclick.de "Kim Schmidtz - ein Name, den man sich nicht merken muss?" Offenbar reichte die Zeitspanne nicht einmal, um den Namen richtig abzutippen.
Gruß
Happy End