Die Formel-1-Kolumne von Inga Stracke bei SPIEGEL ONLINE. Heute: Wieso der Große Preis von Malaysia vielleicht der schönste, mit Sicherheit aber der anstrengendste Grand Prix im PS-Zirkus ist.
Die Formel-1-Kurse kennt Inga Stracke aus dem Eff-Eff. In den vergangenen acht Jahren war die gebürtige Kasselerin bei jedem Grand-Prix-Rennen dabei. Die Germanistin und PR-Expertin, Jahrgang 1969, berichtet für SPIEGEL ONLINE in ihrer Kolumne "Pistenpatrouille" über die Entwicklungen in der Formel 1.
Die Formel 1 stöhnt. Der Grand Prix in Malaysia bedeutet für alle eigentlich hervorragende Arbeitsmöglichkeiten, weil die Einrichtungen topmodern sind. Wenn da nicht die tropische Hitze, immer wieder Platzregen und dementsprechend hohe Luftfeuchtigkeit wären.
All dies ließe sich ja noch auszuhalten, aber leider scheint es in Malaysia ein Zeichen von Wohlstand zu sein, die Klimaanlage so kalt wie möglich einzustellen. Ins Pressezentrum nehmen die meisten Journalisten warme Jacken oder gar Faserpelze mit. Es wird so extrem heruntergekühlt, dass die Scheiben sogar von außen beschlagen.
Vorbereitung auf Bali oder in Thailand Für diese schwierigen Bedingungen haben sich alle Beteiligten gut vorbereitet. Die meisten Teams und Piloten sind nach dem Saisonauftakt gleich in Australien geblieben oder von Melbourne nach Malaysia, Bali oder Thailand gereist, um sich an die tropischen Temperaturen zu gewöhnen.
Ich habe mich in Port Douglas akklimatisiert, am Salzwasserlagunen-Pool des Sheraton Mirage und beim Tauchen am Great Barrier Reef. Neben Bill Clinton und seiner Tochter Chelsea sonnten sich im australischen Paradies auch die Teams von BAR und Renault. Bei Temperaturen um die 35 Grad ließ es sich gut aushalten.
Direkt neben dem internationalen Flughafen und rund 45 Minuten Fahrtzeit von der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur - im Volksmund wegen der Anfangsbuchstaben "Kay-El" genannt - liegt die neueste der derzeitigen Formel-1-Strecken. Vor drei Jahren war hier nach 14 Monaten Bauzeit Premiere. Michael Schumacher führte bei seinem Comebackrennen nach dem Beinbruch, überließ aber seinem damaligen Teamkollegen Eddie Irvine den Sieg.
Am Ende der Start-Ziel-Geraden erreichen die Boliden mit rund 310 Stundenkilometern den Topspeed auf der Strecke in Sepang. Die Tribünen bieten Platz für 30.000 Zuschauer, leider hatten die Veranstalter im vergangenen Jahr Probleme, die Tickets los zu werden. Das soll nach Auskunft der Organisatoren dieses Jahr nicht wieder passieren.
Hoffen auf einige spektakuläre Überholmanöver Für die meisten Piloten ist es vielleicht der schönste Kurs. Insgesamt 15 sehr schnelle und langsame Kurven wechseln sich ab. Nach den vergleichsweise ruhigeren Passagen folgt meist eine lange Gerade. Insgesamt gibt es acht davon, die längste bringt es auf 927 Meter.
Die schnellen Kurven gehen zum Teil mit 200 Stundenkilometern. Für die langsamen müssen die Piloten manchmal bis auf unter Tempo 80 herunterbremsen, wie zum Beispiel die letzte Haarnadelkurve vor der langen Zielgeraden.
Die Strecke ist im Vergleich zu den meisten anderen mit 16 Metern recht breit. Deshalb können wir für das 56-Runden-Rennen auf einige spektakuläre Überholmanöver hoffen. 1999 etwa war David Coulthard gleich in der ersten Kurve an Michael Schumacher vorbeigegangen.
Die Streckenoberfläche bringt einen höheren Reifenverschleiß mit sich als in Melbourne. Hinzu kommt, dass es in Malaysia deutlich wärmer ist. Während beim Großen Preis von Australien die meisten Teams einen regulären Boxenstopp eingeplant hatten, können wir in Kuala Lumpur durchaus mehrere erwarten. Außerdem werden einige Teams von der in Melbourne verwendeten weicheren Reifenmischung auf die etwas härtere wechseln.
Der zwischen 1999 und 2000 erneuerte Streckenbelag führte in der Vergangenheit verstärkt zum Durchdrehen der Reifen und zu seitlichem Rutschen. Beides ließ die Pneus stärker aufheizen und erhöhte damit den Reifenverbrauch. Die seit Barcelona 2001 wieder eingeführte Traktionskontrolle dürfte diesen Efekt allerdings einschränken.
"Das wird für uns Fahrer sehr hart" Ralf Schumacher, der in Australien neben sieben anderen Fahrern beim Startunfall ausgeschieden war, ist zuversichtlich, beim Großen Preis von Malaysia besser abzuschneiden. "Wichtig war, dass unser Auto auch bei den relativ niedrigen Temperaturen in Melbourne sehr konkurrenzfähig war", sagte der BMW-Williams-Pilot, "in Sepang wird es nun viel heißer sein, da sollten unsere Michelin-Reifen ein noch größerer Vorteil gegenüber der Konkurrenz sein."
Das Rennen ist vor allem eine große physische Herausforderung. "Das wird wegen des heißen und feuchten Klimas für uns Fahrer sehr hart", sagt auch Ralf Schumachers Teamkollege Juan Pablo Montoya, der in Melbourne Zweiter geworden war.
Fitness ist also ganz besonders gefragt, die tropische Hitze mit bis zu 70 Prozent Luftfeuchtigkeit kann man nicht einfach wegstecken. Dazu kommt noch die Kombination von sehr starkem Bremsen für die langsamen Kurven und extremem Beschleunigen. Das ist anstrengend für Mensch und Maschine, vor allem die Motoren werden ausgereizt. Dennoch, liebe Formel-1-Fans, "Salamat Datang", wie man in Malaysia sagt, "guten Tag".