Stahl-Magnat Lakshmi Mittal
Mittal - der unterschätzte Emporkömmling
Aus verrostenden Stahlkombinaten hat der Inder Lakshmi Mittal ein Weltreich aufgebaut.
LONDON. Der drittreichste Mann der Welt hat viele Gesichter: Lakshmi Mittal ist der unerschrockene Sanierer, der scheue Visionär, der prunksüchtige Patriarch und der großzügige Helfer. Vor allem aber ist er der Industrielle aus einem Schwellenland, der das bisher größte Wirtschaftsimperium aufgebaut hat. Der sanft auftretende, leise redende 55-Jährige mit den vollen Lippen ist ein Stahlbaron neuer Schule.
Lange Zeit haben die etablierten Konzerne seine stetig wachsende Sammlung rostiger Stahlwerke belächelt. Das hat er ihnen gründlich ausgetrieben: Seit vergangenem Jahr ist Mittal Steel Weltmarktführer. Und er denkt gar nicht daran, einen Gang zurückzuschalten. Allein im Oktober gab er den Bau eines Stahlkomplexes für neun Milliarden Dollar in seiner indischen Heimat bekannt und übernahm für knapp fünf Milliarden Dollar die ukrainische Kryvorizhstal.
Auch dort wird er wieder seine Erfolgsmethode anwenden: Er schickt eine schnelle Eingreiftruppe aus erfahrenen Stahlwerkern und Experten aus der Londoner Zentrale nach Kryvorizhstal. Sie wird alle Ein- und Verkaufsverträge prüfen, Vetternwirtschaft unterbinden, politische und gewerkschaftliche Macht beschneiden und das Finanzwesen auf Vordermann bringen. Mittal und seine Getreuen werden viele Einzelgespräche führen und die Führungsmannschaft neu aufstellen.
Diese Methode hat Mittal bereits mehr als ein Dutzend Mal durchexerziert, denn er ist davon überzeugt: „Wir brauchen viel größere Unternehmen, gesündere Unternehmen. Ich hoffe, dass die Konsolidierung weitergeht.“ Um dieses Ziel zu erreichen, legt der stets in edles Tuch gekleidete Stahlkönig nach eigener Schätzung jedes Jahr über 560 000 Kilometer in seinem Privatjet zurück. „Wo es am schwersten war, hatte er den größten Erfolg“, sagt ein ehemaliger Geschäftspartner, der ihn als Vordenker mit enormem Ehrgeiz charakterisiert.
Mittals Aufstieg begann in Indien. Nach einer Kindheit in der Provinz, wo fließendes Wasser und Strom noch nicht zur Grundausstattung gehören, zieht er mit der Familie nach Kalkutta. Vater Mohan erwirtschaftet als Stahlindustrieller ein Vermögen. Mit 19 steigt Lakshmi Mittal in die Familienfirma ein – Ispat, das Hindi-Wort für Stahl, gibt ihr den Namen. Er lernt das Geschäft von Grund auf und zieht mit 26 Jahren nach Indonesien, wo er sein erstes Stahlwerk aufbaut. Die Mittal-Methode wird 1989 geboren. Er kauft der Regierung von Trinidad und Tobago das verlustreiche Stahlwerk Iscott ab und dreht es um. Sein Meisterstück ist der Kauf des kasachischen Kolosses Karmet. Die Branche schüttelt den Kopf, als er die rostige Altlast aus Sowjetzeiten kauft, und staunt, als er sie flottmacht. Die westeuropäischen Stahlkonzerne denken, dass die maroden Werke Osteuropas kollabieren. Aber Mittal macht ihnen einen Strich durch die Rechnung und kauft reihenweise scheinbar hoffnungslose Fälle in Polen, Tschechien und Rumänien.
Haben die Konkurrenten den Emporkömmling unterschätzt? Gegenfrage eines Branchenkenners: „Können Sie sich vorstellen, wie der Vorstand von Thyssen-Krupp in Kasachstan einfliegt und ein Ex-Kombinat in einem halben Jahr in die Gewinnzone führt?“
Seit einem Jahr haben die Skeptiker ein neues Thema: Mit der Übernahme der International Steel Group, eines im Gläubigerschutz gesundgeschrumpften Konglomerats, das 40 Prozent der Bleche für die US-Autoindustrie liefert, hat Mittal den Sprung an die Weltspitze geschafft. Doch kann er aus dem sanierten Konzern wirklich höhere Renditen herausholen?
Jedenfalls hat Mittal seine Vision wahr gemacht: In wenigen Jahren werde eine Hand voll Konzerne den Stahlmarkt beherrschen. Und er wollte ganz oben mitmischen. Mittal habe die Zukunft der Industrie lange vor den meisten anderen erkannt, sagt Guy Dollé, Chef des europäischen Stahlriesen Arcelor.
Gegenüber der Öffentlichkeit hält sich Mittal zurück. Die Kommunikation mit Presse und Investoren überlässt er lieber seinem Sohn Adithya, der als Finanzchef die Nummer zwei im Konzern ist.
Die Zurückhaltung bedeutet jedoch nicht, dass der Vater ein zurückgezogenes Leben führt. In London, seit zehn Jahren Sitz der Firma und der Familie, hat er einen Palast für mehr als 100 Millionen Euro gekauft und mit Festen von sich reden gemacht. Genüsslich kolportieren die Boulevard-Blätter, dass er für die Hochzeit seiner einzigen Tochter Vanisha in Versailles angeblich 45 Millionen Euro springen ließ. Sechs Tage dauerten die Feiern, bei denen Pop-Star Kylie Minogue die 1500 Gäste unterhielt.
In der Politik unterstützt er die Labour-Partei. Der ersten Spende in Höhe von 125 000 Pfund folgt 2002 eine Intervention Tony Blairs bei der rumänischen Regierung, der das Gebot Mittals für den Stahlkonzern Sidex unterstützt. Vor kurzem hat er zwei Millionen Pfund überwiesen und steigt so zum zweitgrößten Labour-Finanzier aller Zeiten auf.
Selbst in der Wohltätigkeit denkt Mittal groß. Er versprach, die durch Hurrikan „Katrina“ verwüstete Küstenstadt Long Beach in Mississippi aufzubauen. Er will rund 50 Millionen Pfund investieren, um 17 000 Menschen ein neues Dach über dem Kopf zu geben. Damit strebt er auch in der britischen Rangliste der größten Spender ganz nach oben.
Lakshmi Mittal
1950 wird er in Sadulpur/Indien geboren. Sein Vater steigt ins Stahlgeschäft ein und zieht mit der Familie nach Kalkutta.
1970 beendet er sein Wirtschaftsstudium am St. Xavier’s College in Kalkutta und steigt in das Unternehmen des Vaters, Ispat (Hindi für "Stahl"), ein.
1976 baut er für Ispat ein Stahlwerk in Indonesien auf.
1989 übernimmt er die staatlichen Stahlproduzenten Iscott in Trinidad und Tobago. 1992 und 1994 folgen Übernahmen in Mexiko und Kanada.
1995 löst er das internationale Geschäft vom Konzern seines Vaters und zieht nach London. Er kauft die Hamburger Stahlwerke. 1997 geht Ispat International an die Börse.
2004 führt er Ispat International, seine LNM-Holding und International Steel zusammen. Der neue Stahlkonzern Mittal Steel mit 175 000 Beschäftigten in 14 Ländern und über 30 Milliarden Dollar Umsatz wird die Nummer eins weltweit.
Quelle: HANDELSBLATT, Freitag, 27. Januar 2006, 10:45 Uhr
...be invested
Der Einsame Samariter
Mittal - der unterschätzte Emporkömmling
Aus verrostenden Stahlkombinaten hat der Inder Lakshmi Mittal ein Weltreich aufgebaut.
LONDON. Der drittreichste Mann der Welt hat viele Gesichter: Lakshmi Mittal ist der unerschrockene Sanierer, der scheue Visionär, der prunksüchtige Patriarch und der großzügige Helfer. Vor allem aber ist er der Industrielle aus einem Schwellenland, der das bisher größte Wirtschaftsimperium aufgebaut hat. Der sanft auftretende, leise redende 55-Jährige mit den vollen Lippen ist ein Stahlbaron neuer Schule.
Lange Zeit haben die etablierten Konzerne seine stetig wachsende Sammlung rostiger Stahlwerke belächelt. Das hat er ihnen gründlich ausgetrieben: Seit vergangenem Jahr ist Mittal Steel Weltmarktführer. Und er denkt gar nicht daran, einen Gang zurückzuschalten. Allein im Oktober gab er den Bau eines Stahlkomplexes für neun Milliarden Dollar in seiner indischen Heimat bekannt und übernahm für knapp fünf Milliarden Dollar die ukrainische Kryvorizhstal.
Auch dort wird er wieder seine Erfolgsmethode anwenden: Er schickt eine schnelle Eingreiftruppe aus erfahrenen Stahlwerkern und Experten aus der Londoner Zentrale nach Kryvorizhstal. Sie wird alle Ein- und Verkaufsverträge prüfen, Vetternwirtschaft unterbinden, politische und gewerkschaftliche Macht beschneiden und das Finanzwesen auf Vordermann bringen. Mittal und seine Getreuen werden viele Einzelgespräche führen und die Führungsmannschaft neu aufstellen.
Diese Methode hat Mittal bereits mehr als ein Dutzend Mal durchexerziert, denn er ist davon überzeugt: „Wir brauchen viel größere Unternehmen, gesündere Unternehmen. Ich hoffe, dass die Konsolidierung weitergeht.“ Um dieses Ziel zu erreichen, legt der stets in edles Tuch gekleidete Stahlkönig nach eigener Schätzung jedes Jahr über 560 000 Kilometer in seinem Privatjet zurück. „Wo es am schwersten war, hatte er den größten Erfolg“, sagt ein ehemaliger Geschäftspartner, der ihn als Vordenker mit enormem Ehrgeiz charakterisiert.
Mittals Aufstieg begann in Indien. Nach einer Kindheit in der Provinz, wo fließendes Wasser und Strom noch nicht zur Grundausstattung gehören, zieht er mit der Familie nach Kalkutta. Vater Mohan erwirtschaftet als Stahlindustrieller ein Vermögen. Mit 19 steigt Lakshmi Mittal in die Familienfirma ein – Ispat, das Hindi-Wort für Stahl, gibt ihr den Namen. Er lernt das Geschäft von Grund auf und zieht mit 26 Jahren nach Indonesien, wo er sein erstes Stahlwerk aufbaut. Die Mittal-Methode wird 1989 geboren. Er kauft der Regierung von Trinidad und Tobago das verlustreiche Stahlwerk Iscott ab und dreht es um. Sein Meisterstück ist der Kauf des kasachischen Kolosses Karmet. Die Branche schüttelt den Kopf, als er die rostige Altlast aus Sowjetzeiten kauft, und staunt, als er sie flottmacht. Die westeuropäischen Stahlkonzerne denken, dass die maroden Werke Osteuropas kollabieren. Aber Mittal macht ihnen einen Strich durch die Rechnung und kauft reihenweise scheinbar hoffnungslose Fälle in Polen, Tschechien und Rumänien.
Haben die Konkurrenten den Emporkömmling unterschätzt? Gegenfrage eines Branchenkenners: „Können Sie sich vorstellen, wie der Vorstand von Thyssen-Krupp in Kasachstan einfliegt und ein Ex-Kombinat in einem halben Jahr in die Gewinnzone führt?“
Seit einem Jahr haben die Skeptiker ein neues Thema: Mit der Übernahme der International Steel Group, eines im Gläubigerschutz gesundgeschrumpften Konglomerats, das 40 Prozent der Bleche für die US-Autoindustrie liefert, hat Mittal den Sprung an die Weltspitze geschafft. Doch kann er aus dem sanierten Konzern wirklich höhere Renditen herausholen?
Jedenfalls hat Mittal seine Vision wahr gemacht: In wenigen Jahren werde eine Hand voll Konzerne den Stahlmarkt beherrschen. Und er wollte ganz oben mitmischen. Mittal habe die Zukunft der Industrie lange vor den meisten anderen erkannt, sagt Guy Dollé, Chef des europäischen Stahlriesen Arcelor.
Gegenüber der Öffentlichkeit hält sich Mittal zurück. Die Kommunikation mit Presse und Investoren überlässt er lieber seinem Sohn Adithya, der als Finanzchef die Nummer zwei im Konzern ist.
Die Zurückhaltung bedeutet jedoch nicht, dass der Vater ein zurückgezogenes Leben führt. In London, seit zehn Jahren Sitz der Firma und der Familie, hat er einen Palast für mehr als 100 Millionen Euro gekauft und mit Festen von sich reden gemacht. Genüsslich kolportieren die Boulevard-Blätter, dass er für die Hochzeit seiner einzigen Tochter Vanisha in Versailles angeblich 45 Millionen Euro springen ließ. Sechs Tage dauerten die Feiern, bei denen Pop-Star Kylie Minogue die 1500 Gäste unterhielt.
In der Politik unterstützt er die Labour-Partei. Der ersten Spende in Höhe von 125 000 Pfund folgt 2002 eine Intervention Tony Blairs bei der rumänischen Regierung, der das Gebot Mittals für den Stahlkonzern Sidex unterstützt. Vor kurzem hat er zwei Millionen Pfund überwiesen und steigt so zum zweitgrößten Labour-Finanzier aller Zeiten auf.
Selbst in der Wohltätigkeit denkt Mittal groß. Er versprach, die durch Hurrikan „Katrina“ verwüstete Küstenstadt Long Beach in Mississippi aufzubauen. Er will rund 50 Millionen Pfund investieren, um 17 000 Menschen ein neues Dach über dem Kopf zu geben. Damit strebt er auch in der britischen Rangliste der größten Spender ganz nach oben.
Lakshmi Mittal
1950 wird er in Sadulpur/Indien geboren. Sein Vater steigt ins Stahlgeschäft ein und zieht mit der Familie nach Kalkutta.
1970 beendet er sein Wirtschaftsstudium am St. Xavier’s College in Kalkutta und steigt in das Unternehmen des Vaters, Ispat (Hindi für "Stahl"), ein.
1976 baut er für Ispat ein Stahlwerk in Indonesien auf.
1989 übernimmt er die staatlichen Stahlproduzenten Iscott in Trinidad und Tobago. 1992 und 1994 folgen Übernahmen in Mexiko und Kanada.
1995 löst er das internationale Geschäft vom Konzern seines Vaters und zieht nach London. Er kauft die Hamburger Stahlwerke. 1997 geht Ispat International an die Börse.
2004 führt er Ispat International, seine LNM-Holding und International Steel zusammen. Der neue Stahlkonzern Mittal Steel mit 175 000 Beschäftigten in 14 Ländern und über 30 Milliarden Dollar Umsatz wird die Nummer eins weltweit.
Quelle: HANDELSBLATT, Freitag, 27. Januar 2006, 10:45 Uhr
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Der Einsame Samariter