Kahn träumt vom entscheidenden Elfmeter
Seoul (dpa) - Der «Titan» rüstet zu seiner größten Tat. «Mein Gefühl sagt mir, dass wir Weltmeister werden», verkündete Oliver Kahn vor dem «absoluten Wahnsinns-Endspiel» gegen Brasilien. Eigentlich, so hatte der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft noch kurz vor WM-Beginn angemerkt, seien für ihn als Profi alle Spiele gleich.
Auf alle müsse man sich gleich konzentrieren. Doch Kahn gab in Seoul zu: «Ich muss mich da revidieren. Ein WM-Finale ist schon etwas Außergewöhnliches.» Im Gegensatz zu den Endspielen mit Bayern München gehe es jetzt nicht um einen Klub, «es geht um ein ganzes Land», strich der überragende deutsche Spieler heraus.
«Natürlich» mache es ihn stolz, gestand Kahn, wenn von allen Seiten das Lob hereinprasselt. Doch die Krönung, eigentlich erst für 2006 vorgesehen, überraschend aber nun schon in Yokohama möglich, will der 33-jährige Ausnahme-Athlet erst noch schaffen. Meister, DFB- Pokalsieger, UEFA-Cup-Gewinner, Champions League-Sieger, Weltpokal-Gewinner - Kahn hat fast alles erreicht.
«Doch das ist noch eine Stufe höher», betonte der uneingeschränkte Chef der deutschen Mannschaft. Man habe nicht so viele Möglichkeiten, ein WM-Finale zu bestreiten, vielleicht einmal, in Ausnahmen zwei Mal komme diese Chance. «Da muss man versuchen, sein Spiel des Lebens auch zu machen», sagte der gebürtige Karlsruher.
Ja, er träume schon mal davon, einen entscheidenden Elfmeter als Torwart zu schießen, gab Kahn zu. Doch «normalerweise» sei das nicht seine Aufgabe. Falls es gegen die Brasilianer zum finalen Shootout vom Elfmeterpunkt kommen sollte, will Kahn wieder den «Killer» spielen, nicht den Schützen.
«Ich bleibe bei meinen Leisten.» Ein großes Finale hat der Münchner bereits im Elfer-Duell praktisch allein entschieden - vor 13 Monaten parierte er im Champions League-Endspiel gleich drei Schüsse gegen den FC Valencia.
«Die sensationellste Entwicklung bei Oliver Kahn ist, dass er seine Emotionen unter Kontrolle hat», nannte Bayern-Coach Ottmar Hitzfeld einen wichtigen Punkt für die weitere Vervollkommnung des Torwart-Profis. Für seine überragenden WM-Spiele in Asien hat Kahn selbst eine «ganz einfache Erklärung» parat: «Die Arbeit von vielen Jahren, die große Erfahrung - alles kommt zum richtigen Zeitpunkt zusammen. Und ich habe die Fähigkeit, mich genau auf solche extremen Situationen konzentrieren zu können.»
Das Ergebnis: Gleich ein halbes Dutzend Unhaltbare hat der «Allerhärteste» bei dieser WM schon gehalten. «Wir wussten von Anfang an, dass wir nur so eine Chance haben», ordnete Rudi Völler seine Nummer eins auch als Erfolgsgaranten Nummer eins ein. Der Held selbst wehrte sich immer wieder gegen einen Sonder-Status: «Ohne die Mannschaft bin ich nichts.» Nach dem Halbfinale sei er deshalb auch besonders froh gewesen, «dass es nicht immer nur Kahn, Kahn, Kahn hieß. Das hatte übertriebene Ausmaße», betonte der Kapitän.
Die Jubel-Bilder aus der Heimat, die Kritik aus dem Ausland, die spezielle Final-Atmosphäre («Da passieren Dinge, mit denen niemand rechnet») - das alles macht Kahn noch heißer. «Viele kleine Mosaiksteine führen dazu, dass so eine Leistung zu Stande kommt», erklärte der zweimalige deutsche Fußballer des Jahres (2000 und 2001). Die Superstars Ronaldo, Rivaldo und Ronaldinho können ruhig kommen: «Das sind Weltklasse-Leute. Aber die müssen mich erst überwinden, die müssen zeigen, ob sie es fertig bringen», so Kahn.