vwd HEIDELBERG. Biotechwerte gehören zur Zeit zu den absoluten Favoriten der Börsianer. Nach Aufsehen erregenden Forschungsergebnissen der Genforschung haben die Biotechs das Internetsegment als Trendsetter abgelöst. Mit der Lion Bioscience, Heidelberg, die am 26. Juli an den Neuen Markt strebt, betritt nun eines der interessantesten Unternehmen der Branche das Börsenparkett. Wer hier an einen weiteren Hersteller innovativer gentechnischer Medikamente denkt, liegt falsch. Denn LION, die als SAP der Biotechnologie bezeichnet wurden, bieten informationstechnologische Lösungen für die Pharma- und Biotechnologiebranche an.
Voraussetzung für die Arbeit von Lion ist ein Paradigmenwechsel in der Pharmabranche. Wurde früher in der Chemie-basierten Produktentwicklung nach dem "Trial-and-Error-Verfahren" gearbeitet, so ergänzen inzwischen biologische Erkenntnisse die Forschung. Damit erhöht sich die Menge der zu verwertenden Datenmengen in extremen Maß. Genau hier setzt nun die Tätigkeit von Lion ein. Denn mit der so genannten Life-Science-Informatik-Software (LSI) wird das Management der komplexen Daten und Informationen möglich. Herzstück dieser Software ist das Datenbank-integrationssystem SRS.
Hiermit werden Forscher auf der ganzen Welt in die Lage versetzt, ihre abgespeicherten Forschungserkenntnisse. Damit wird der Zeitaufwand, der zum Sammeln und Analysieren von Daten nötig ist, verkürzt. Daneben bietet Lion mit i-biology eine Software an, die Integration verschiedener Forschungs- und Entwicklungbereiche in den Unternehmen. Traditionell getrennte Abteilungen können damit zusammengeführt werden, was erlaubt, sich aus unterschiedlichen Perspektiven auf die verschiedenen Aspekte einer Krankheit zu fokussieren. Damit treten Indikation Targetklassen und Indikationen an die Stelle von Abteilungsstrukturen.
Durch die Kommunikation zwischen interdisziplinären Teams kann so der Informations- und Wissensfluss optimiert werden. Hier kann Lion bereits eine auf fünf Jahre angelegte Kooperation mit der Bayer AG, Leverkusen, verweisen. Darüber hinaus wird Aventis, Straßburg, und Glaxo-Wellcome, London, um nur zwei Namen zu nennen, zusammengearbeitet.
Mit den Informatik-Produkten hört die Tätigkeit von Lion aber noch nicht auf. Die IT-Lösungen werden im Bereich Integrated Drug Discovery and Diagnostics (iD-Bereich) auch zur eigenen Forschung eingesetzt. Im Mittelpunkt stehen dabei die Gewinnung und Lizensierung von von geschütztem Wissen für die Anwendung in DNA-basierter Diagnostik. Damit sollen die Grundlagen für die Diagnose komplexer Krankheiten und die Gesundheitssysteme für eine künftige Individualmedizin geschaffen werden.
Die intensiven Forschungs- und Entwicklungsprogramme wirken sich auf die Zahlen von Lion noch sehr belastend aus. Bei einem Gesamtumsatz für die Geschäftsjahre 1998/99 und 1999/00 von 4,6/9,8 Mio Euro fiel ein negatives EBIT von 4,3/13,0 Mio Euro an. Dabei beliefen sich allein die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung auf 6,1/15,3 Mio Euro.
Im Rahmen des Börsengangs will Lion insgesamt 4,575 Mio. Inhaberstammaktien ausgeben, die aus einer Kapitalerhöhung stammmen. Der Greenshoe umfasst 685.625 Papiere. Die Erlöse von 170 bis 230 Mio Euro sollen dem organischen Wachstum sowie der Finanzierung von Übernahmen dienen. Gezeichnet werden kann die Aktie vom 12. bis 24. Juli. Die Bookbuildingspanne liegt bei 37 bis 44 Euro. Die Emission erfolgt unter der Führung von Morgan Stanley Dean Witter und Deutsche Bank. Im Konsortium sitzen außerdem FleetBoston Robertson Stephens International und SG Cowen.
HANDELSBLATT, Dienstag, 11. Juli 2000