Interview mit Klimaexperten
"Es wird noch schlimmer"
Das Wetter scheint in den vergangenen Jahren nicht nur in unseren Breitengraden immer mehr verrückt zu spielen. Stürme, Überschwemmungen und Brände sorgen offenbar Jahr für Jahr für schlimmere Verwüstungen. Trügt der Eindruck oder sind die Unwetter womöglich ein Hinweis auf die globalen Klimaveränderungen. n-tv.de fragte Mojib Latif vom Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie.
n-tv.de: Dauerregen, Stürme und Überflutungen. Sind die momentanen Wetterkapriolen normal?
Latif: Wir haben natürlich gerade ein sehr außergewöhnliches Jahr, um langfristige Trends bestimmen zu können, muss man aber mehr als ein Jahr betrachten. Blicken wir auf die vergangenen Jahre und Jahrzehnte, sehen wir allerdings in der Tat, dass die extremen Wetterereignisse weltweit zunehmen. Insofern passt das, was wir dieses Jahr erleben, durchaus in das Bild, dass die globale Erwärmung allmählich auch unser Wetter beeinflusst.
n-tv.de: Der subjektive Eindruck vieler Menschen, dass die Unwetter von Jahr zu Jahr zunehmen und heftiger werden, ist also wissenschaftlich nachweisbar ...
Latif: Ja, der lässt sich nachweisen. Es gibt zum Beispiel eine Station in den deutschen Alpen, den Hohenpeißenberg, wo es seit mehr als hundert Jahren sehr gute Niederschlagsaufzeichnungen gibt. Dort sehen wir, dass die extremen Niederschläge heute schon doppelt so häufig auftreten wie vor hundert Jahren.
n.tv.de: Sie haben auf die globale Erwärmung hingewiesen. Welchen Zusammenhang gibt es zwischen der Klimaveränderung und dem Wetterchaos?
Latif: Das ist an sich ein relativ einfacher Zusammenhang. In einer wärmeren Atmosphäre verstärkt sich der Kreislauf zwischen Verdunstung und Niederschlag. Der Mensch trägt durch seine vielfältigen Aktivitäten dazu bei, dass sich die Atmosphäre erwärmt. Das ist die globale Erwärmung oder der Treibhauseffekt. Dieser menschgemachte Effekt führt dazu, dass es auch mehr extreme Niederschlagsereignisse gibt.
n-tv.de: Welche menschlichen Aktivitäten meinen sie?
Latif: Nun, vor allem erzeugen wir ja Energie durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe, also durch Erdöl, Erdgas und Kohle. Dabei entsteht immer das Gas Kohlendioxid, CO2. Dieses so genannte Treibhausgas führt zu einer globalen Erwärmung. Da nahezu alles, was wir tun, darauf gerichtet ist, Energie zu verbrauchen, entsteht dabei fast immer auch CO2.
n-tv.de: Andere Forscher sehen in der jetzigen Erwärmung ein natürliches Phänomen. Sie argumentieren, in der Geschichte habe es immer wieder Phasen der Erwärmung und Abkühlung gegeben. Warum ist die Uneinigkeit unter den Meteorologen - trotz aller Messergebnisse - so groß?
Latif: Die Uneinigkeit ist nicht groß. Ich würde das Verhältnis auf 99:1 beziffern. In den Medien kommt es aber als 50:50 rüber. Diese 99 Prozent geben alle fünf Jahre im Auftrag der UNO und der Weltorganisation für Meteorologie einen Bericht heraus. Daran arbeiten eigentlich alle Klimawissenschaftler mit, die weltweit etwas zu sagen haben. Ihre Einschätzung ist eindeutig: Es gibt einen erkennbaren Einfluss des Menschen auf das Klima.
n-tv.de: Diese Meinung scheint sich ja auch in der Politik durchgesetzt zu haben. Eine Konsequenz ist das Klimaschutzprotokoll von Kyoto. Sind die dort beschlossenen Maßnahmen ausreichend?
Latif: Nein, Kyoto muss man eher symbolisch betrachten. Das war sozusagen der Wendepunkt in der internationalen Klimaschutzpolitik, dass man nun erst einmal den Ausstoß von Treibhausgas in die Atmosphäre bis 2012 um 5 Prozent reduziert. Das reicht natürlich nicht aus.
n-tv.de: Was muss denn Ihrer Ansicht nach getan werden, um der Klimaveränderung entgegenzuwirken?
Latif: Wir müssen langfristig, in den nächsten hundert Jahren, viel mehr Treibhausgase reduzieren - und zwar fast vollständig, um fast hundert Prozent im Jahr 2100. Wir müssen es wirklich schaffen, die fossilen Brennstoffe durch erneuerbare Energien zu ersetzen, vor allem durch Sonnenenergie. Dafür haben wir hundert Jahre Zeit.
n-tv.de: Wie lautet denn ansonsten Ihre Prognose, wie es mit dem Wetter in Zukunft weitergeht?
Latif: Ich gehe davon aus, dass es in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch schlimmer wird. Das Ende der Fahnenstange ist nicht erreicht. Wir hatten in den vergangenen hundert Jahren eine Temperaturänderung im globalen Mittel von ungefähr 0,7 Grad. In den nächsten hundert Jahren werden wir auf jeden Fall noch mal eine Erwärmung um ein Grad haben, weil wir schon so viele Treibhausgase in die Atmosphäre entlassen haben. Alles, was über dieses eine Grad hinausgeht, haben wir noch in der Hand. Falls wir so weitermachen wie bisher, müssen wir in den nächsten hundert Jahren mit drei bis vier Grad Temperaturerhöhung rechnen.
n-tv.de: Sollten die von Ihnen geforderten Maßnahmen ergriffen werden, wird sich das Klima dann wieder erholen?
Latif: Ja, aber es wird langsam passieren. Wir haben jetzt hundert Jahre im wahrsten Sinne des Wortes Gas gegeben. Das Klima wird langsam darauf reagieren, die Stabilisierung wird natürlich auch wieder 50 bis hundert Jahre dauern. Wenn sie bei einem Auto Vollgas gegeben haben, dann dauert es ja auch eine Zeit, bis sie die Endgeschwindigkeit erreichen. Dann können sie das Auto aber natürlich auch nicht gleich anhalten - der Bremsweg ist sehr lang.
bye peet
"Es wird noch schlimmer"
Das Wetter scheint in den vergangenen Jahren nicht nur in unseren Breitengraden immer mehr verrückt zu spielen. Stürme, Überschwemmungen und Brände sorgen offenbar Jahr für Jahr für schlimmere Verwüstungen. Trügt der Eindruck oder sind die Unwetter womöglich ein Hinweis auf die globalen Klimaveränderungen. n-tv.de fragte Mojib Latif vom Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie.
n-tv.de: Dauerregen, Stürme und Überflutungen. Sind die momentanen Wetterkapriolen normal?
Latif: Wir haben natürlich gerade ein sehr außergewöhnliches Jahr, um langfristige Trends bestimmen zu können, muss man aber mehr als ein Jahr betrachten. Blicken wir auf die vergangenen Jahre und Jahrzehnte, sehen wir allerdings in der Tat, dass die extremen Wetterereignisse weltweit zunehmen. Insofern passt das, was wir dieses Jahr erleben, durchaus in das Bild, dass die globale Erwärmung allmählich auch unser Wetter beeinflusst.
n-tv.de: Der subjektive Eindruck vieler Menschen, dass die Unwetter von Jahr zu Jahr zunehmen und heftiger werden, ist also wissenschaftlich nachweisbar ...
Latif: Ja, der lässt sich nachweisen. Es gibt zum Beispiel eine Station in den deutschen Alpen, den Hohenpeißenberg, wo es seit mehr als hundert Jahren sehr gute Niederschlagsaufzeichnungen gibt. Dort sehen wir, dass die extremen Niederschläge heute schon doppelt so häufig auftreten wie vor hundert Jahren.
n.tv.de: Sie haben auf die globale Erwärmung hingewiesen. Welchen Zusammenhang gibt es zwischen der Klimaveränderung und dem Wetterchaos?
Latif: Das ist an sich ein relativ einfacher Zusammenhang. In einer wärmeren Atmosphäre verstärkt sich der Kreislauf zwischen Verdunstung und Niederschlag. Der Mensch trägt durch seine vielfältigen Aktivitäten dazu bei, dass sich die Atmosphäre erwärmt. Das ist die globale Erwärmung oder der Treibhauseffekt. Dieser menschgemachte Effekt führt dazu, dass es auch mehr extreme Niederschlagsereignisse gibt.
n-tv.de: Welche menschlichen Aktivitäten meinen sie?
Latif: Nun, vor allem erzeugen wir ja Energie durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe, also durch Erdöl, Erdgas und Kohle. Dabei entsteht immer das Gas Kohlendioxid, CO2. Dieses so genannte Treibhausgas führt zu einer globalen Erwärmung. Da nahezu alles, was wir tun, darauf gerichtet ist, Energie zu verbrauchen, entsteht dabei fast immer auch CO2.
n-tv.de: Andere Forscher sehen in der jetzigen Erwärmung ein natürliches Phänomen. Sie argumentieren, in der Geschichte habe es immer wieder Phasen der Erwärmung und Abkühlung gegeben. Warum ist die Uneinigkeit unter den Meteorologen - trotz aller Messergebnisse - so groß?
Latif: Die Uneinigkeit ist nicht groß. Ich würde das Verhältnis auf 99:1 beziffern. In den Medien kommt es aber als 50:50 rüber. Diese 99 Prozent geben alle fünf Jahre im Auftrag der UNO und der Weltorganisation für Meteorologie einen Bericht heraus. Daran arbeiten eigentlich alle Klimawissenschaftler mit, die weltweit etwas zu sagen haben. Ihre Einschätzung ist eindeutig: Es gibt einen erkennbaren Einfluss des Menschen auf das Klima.
n-tv.de: Diese Meinung scheint sich ja auch in der Politik durchgesetzt zu haben. Eine Konsequenz ist das Klimaschutzprotokoll von Kyoto. Sind die dort beschlossenen Maßnahmen ausreichend?
Latif: Nein, Kyoto muss man eher symbolisch betrachten. Das war sozusagen der Wendepunkt in der internationalen Klimaschutzpolitik, dass man nun erst einmal den Ausstoß von Treibhausgas in die Atmosphäre bis 2012 um 5 Prozent reduziert. Das reicht natürlich nicht aus.
n-tv.de: Was muss denn Ihrer Ansicht nach getan werden, um der Klimaveränderung entgegenzuwirken?
Latif: Wir müssen langfristig, in den nächsten hundert Jahren, viel mehr Treibhausgase reduzieren - und zwar fast vollständig, um fast hundert Prozent im Jahr 2100. Wir müssen es wirklich schaffen, die fossilen Brennstoffe durch erneuerbare Energien zu ersetzen, vor allem durch Sonnenenergie. Dafür haben wir hundert Jahre Zeit.
n-tv.de: Wie lautet denn ansonsten Ihre Prognose, wie es mit dem Wetter in Zukunft weitergeht?
Latif: Ich gehe davon aus, dass es in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch schlimmer wird. Das Ende der Fahnenstange ist nicht erreicht. Wir hatten in den vergangenen hundert Jahren eine Temperaturänderung im globalen Mittel von ungefähr 0,7 Grad. In den nächsten hundert Jahren werden wir auf jeden Fall noch mal eine Erwärmung um ein Grad haben, weil wir schon so viele Treibhausgase in die Atmosphäre entlassen haben. Alles, was über dieses eine Grad hinausgeht, haben wir noch in der Hand. Falls wir so weitermachen wie bisher, müssen wir in den nächsten hundert Jahren mit drei bis vier Grad Temperaturerhöhung rechnen.
n-tv.de: Sollten die von Ihnen geforderten Maßnahmen ergriffen werden, wird sich das Klima dann wieder erholen?
Latif: Ja, aber es wird langsam passieren. Wir haben jetzt hundert Jahre im wahrsten Sinne des Wortes Gas gegeben. Das Klima wird langsam darauf reagieren, die Stabilisierung wird natürlich auch wieder 50 bis hundert Jahre dauern. Wenn sie bei einem Auto Vollgas gegeben haben, dann dauert es ja auch eine Zeit, bis sie die Endgeschwindigkeit erreichen. Dann können sie das Auto aber natürlich auch nicht gleich anhalten - der Bremsweg ist sehr lang.
bye peet