Warum die Schotten hoffen, daß Berti Vogts seinen Job verliert
von Florian Haupt
Chisinau/Berlin - - Die Metereologen sagen Windböen voraus für heute abend in Moldawiens Hauptstadt Chisinau - das passende Wetter für ein schicksalhaftes Spiel im Leben des Hans-Hubert Vogts. Erstmals in seiner Trainerkarriere muß der deutsche Coach der schottischen Fußball-Nationalelf eine Partie unfreiwillig von der Tribüne aus verfolgen, weil er beim 0:1 am Samstag gegen Norwegen wegen eines angeblich zu Unrecht nicht gegebenen Tores den Schiedsrichter beschimpft hatte.
Dabei sei die Tirade, vermuten Kritiker, nur der Versuch gewesen, von der eigenen Situation abzulenken. Die scheint trotzdem klar: Gewinnt Schottland beim Tabellenletzten der Gruppe 5 nicht, wird Vogts wohl nie mehr auf die Bank der "Bravehearts" zurückkehren.
"Auf Wiedersehen for Berti?", fragt die angesehene Zeitung "Scotsman". Wie alle anderen Medien des Landes sehnt sie Vogts' Demission herbei, das Ende von "30 jammervollen Monaten" ("Scotland on Sunday"). Viele Fans forderten am Samstag bei Schottlands erster Heimniederlage in einem WM-Qualifikationsspiel seit 19 Jahren mit Sprechchören den Rauswurf des Deutschen. Und selbst im Verband schwindet die Unterstützung, auf die sich Vogts bislang verlassen konnte. "Wir werden seinen Vertrag einhalten, solange die Qualifikation möglich ist", sagt Geschäftsführer David Taylor. Aber: "Natürlich würde eine Pleite in Moldawien die Lage vollständig verändern."
An eine Teilnahme an der WM in Deutschland 2006 glaubt nach einem Punkt aus den ersten beiden Spielen, beide vor eigenem Publikum, niemand - außer Vogts. Schottland hätte "sehr gut, sehr organisiert gespielt" gegen Norwegen, nur das Glück habe gefehlt. "Wirklichkeitsverlust", konstatierten die Beobachter, wie schon seit Monaten. Weil Vogts selbst die blamabelsten Vorstellungen seiner Elf schönredet. Und weil er seine eigene Lage zu verkennen scheint. Mit Befremden registrierten die Schotten angesichts des immensen Drucks auf Vogts dessen Äußerung zu deutschen Journalisten, der Job habe ihm "den Spaß am Fußball zurückgegeben". Realistischer klingt da schon die Einschätzung seines Assistenten Tommy Burns: "Wir leiden im Stillen und bemühen uns um Würde." Doch Vogts, dessen Vertrag bis 2006 läuft, bleibt stur, er möchte sein Auslandsabenteuer unbedingt als Erfolgsgeschichte verstanden wissen.
Derzeit erinnert freilich vieles an das qualvolle Ende der Ära Vogts als Bundestrainer (1990 bis 1998). Die Öffentlichkeit fordert seinen Kopf, weshalb sich der Europameister von 1996 immer mehr in Ausreden und Verschwörungstheorien verstrickt. Welche die Medien genüßlich enttarnen: Keine Zeitung, die in den vergangenen Tagen nicht mehrmals darauf hingewiesen hätte, daß der Schiedsrichter im Recht war - und nicht Vogts.
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