Nach zehn Jahren Dauerkrise kollabiert Japans Aktienmarkt. Ist eine solche Katastrophe auch in Europa oder den USA möglich?
Berlin - Masajuro Shiokawa ist einsam. Zwar sind auch die sechs anderen Finanzminister, die bis gestern im kanadischen Ottawa zusammensaßen, derzeit nicht gerade vom Glück verfolgt. So ausweglos wie für Shiokawa ist die Situation jedoch für keinen von ihnen. Japan ist geplagt von Deflation, das Land erlebt die dritte Rezession binnen zehn Jahren. Einer Reihe von Banken droht der Bankrott durch faule Kredite, und Regierung und Notenbank schieben sich die Verantwortung gegenseitig in die Schuhe. Ausländischen Investoren ist der Geduldsfaden gerissen, sie warfen massenhaft japanische Aktien auf den Markt und drückten den Nikkei-Index vergangene Woche zwischenzeitlich auf 9475 Punkte, den niedrigsten Stand seit dem 15. Dezember 1983. Japan steht vor dem Kollaps. Und manch westlicher Beobachter, der in der erst kürzlich geplatzten Aktienblase in den USA und Europa viel Geld verloren hat, fragt sich: Kann den anderen großen Volkswirtschaften so etwas auch passieren?
"In Europa ist die Gefahr größer als in den USA", sagt Lilian Haag, Managerin des DWS-Japan-Fonds. Dennoch hält sie eine vergleichbare Entwicklung auch hier für extrem unwahrscheinlich. "Die Strukturen bei uns sind denen in Japan zwar nicht unähnlich: Auch hier gibt es eine Industrieverflechtung und verschleppte Strukturreformen. Aber die Verschuldung ist längst nicht so gigantisch." Für die USA ist die Fondsmanagerin noch optimistischer: "Im Gegensatz zu Japan, wo die Spekulationsblase im Immobiliensektor die ganze Bankenbranche mit in die Tiefe riss, hatten wir es dort lediglich mit einer Übertreibung im Bereich der Informationstechnologie zu tun", sagt Lilian Haag. Und in Soft- und Hardware würde früher oder später auch wieder investiert.
Auch Håkan Hedström, Leiter des Investment Management bei der Commerzbank Tokio, sieht keine Parallelen zwischen Japan und Euroland oder den USA. "Die Regierung in Japan hat die Probleme zu lange geleugnet oder verniedlicht, die Finanzsysteme in Deutschland oder in den USA würden da viel schneller reagieren und gegensteuern." Dies bedeute nicht, dass es an den europäischen und amerikanischen Börsen nicht noch einmal deutlich nach unten gehen könnte: "Was da mit der Rally im vierten Quartal schon wieder an Erwartungen in die Kurse gesteckt wurde, birgt noch eine Menge Rückschlagspotenzial", glaubt Hedström.
Und wie geht's nun in Japan selbst weiter? "Auf Sicht von ein paar Monaten kann der Markt auf 8000 Punkte fallen", sagt Jens Hohenberg, Aktienexperte für Japan bei der Deutschen Securities. "Februar und März laufen wegen des Fiskaljahr-Endes am 31.3. traditionell schlecht." Zu diesem Termin hin räumen die Unternehmen ihre Beteiligungsportfolios auf. Das drückt häufig auf die Kurse.
Håkan Hedström hält auch einen "selling climax", also einen Totalausverkauf, für möglich, der die Wende zum Besseren bringen könnte. "Im Moment ist bei vielen Marktteilnehmern Japan-Bashing angesagt", glaubt er. "Alle, die an fallenden Märkten interessiert sind, dreschen auf das Land ein, reden Japan herunter." Das Motiv ist klar: Zurzeit sind viele Investoren "short", sie verdienen an fallenden Kursen, indem sie sich gegen Gebühr Aktien leihen, die sie sofort am Markt verkaufen. Geht ihre Spekulation auf, kaufen sie die Aktien später billiger am Markt zurück - die Differenz ist ihr Gewinn. "Wenn diese Short Seller durch einen drehenden Markt auf dem falschen Fuß erwischt werden, müssen sie wieder einsteigen und treiben die Kurse zusätzlich hoch", sagt Hedström. Deshalb warnt der Analyst auch vor übertriebener Panik. "Wer noch in Japan investiert ist, sollte jetzt nicht mehr verkaufen", sagt er. "Bei einem Nikkei-Stand von 8000 wäre vieles in den Kursen eingepreist."
Fondsmanagerin Haag erwartet vor allem von der Bankenseite noch Ungemach. "Falls es keine Lösung der Bankenkrise gibt, wird sich auch die Konjunktur nicht erholen", sagt sie. "Profitieren können dann nur die Unternehmen, die global agieren, eine gute Bilanz vorweisen und schuldenfrei sind." So sind Autohersteller Honda, Spielkonsolen-Spezialist Nintendo und die Hardware- und Foto-Ausrüster Canon und Ricoh, die als exportorientierte Unternehmen zusätzlich vom schwachen Yen profitieren, auch in ihrem Fonds übergewichtet. Kämen von Seiten der Regierung positive Nachrichten zur Lösung der Krise, werde dagegen auch der breite Markt anziehen. "Dann profitieren vor allem die zurzeit extrem schwachen Branchen wie Bau, Einzelhandel und Immobilien", vermutet sie.
Für den Elektronik-Riesen Sony, eine der in Deutschland meistgehandelten japanischen Aktien, sind die Aussichten weniger gut. "Die Analysten sind zwar neutral bis leicht positiv gestimmt, doch die Aktie ist technisch angeschlagen", sagt Håkan Hedström. Außerdem hängt die Aktie stark von der Gunst der ausländischen Investoren ab. Und damit ist es zurzeit ja nicht weit her.
Berlin - Masajuro Shiokawa ist einsam. Zwar sind auch die sechs anderen Finanzminister, die bis gestern im kanadischen Ottawa zusammensaßen, derzeit nicht gerade vom Glück verfolgt. So ausweglos wie für Shiokawa ist die Situation jedoch für keinen von ihnen. Japan ist geplagt von Deflation, das Land erlebt die dritte Rezession binnen zehn Jahren. Einer Reihe von Banken droht der Bankrott durch faule Kredite, und Regierung und Notenbank schieben sich die Verantwortung gegenseitig in die Schuhe. Ausländischen Investoren ist der Geduldsfaden gerissen, sie warfen massenhaft japanische Aktien auf den Markt und drückten den Nikkei-Index vergangene Woche zwischenzeitlich auf 9475 Punkte, den niedrigsten Stand seit dem 15. Dezember 1983. Japan steht vor dem Kollaps. Und manch westlicher Beobachter, der in der erst kürzlich geplatzten Aktienblase in den USA und Europa viel Geld verloren hat, fragt sich: Kann den anderen großen Volkswirtschaften so etwas auch passieren?
"In Europa ist die Gefahr größer als in den USA", sagt Lilian Haag, Managerin des DWS-Japan-Fonds. Dennoch hält sie eine vergleichbare Entwicklung auch hier für extrem unwahrscheinlich. "Die Strukturen bei uns sind denen in Japan zwar nicht unähnlich: Auch hier gibt es eine Industrieverflechtung und verschleppte Strukturreformen. Aber die Verschuldung ist längst nicht so gigantisch." Für die USA ist die Fondsmanagerin noch optimistischer: "Im Gegensatz zu Japan, wo die Spekulationsblase im Immobiliensektor die ganze Bankenbranche mit in die Tiefe riss, hatten wir es dort lediglich mit einer Übertreibung im Bereich der Informationstechnologie zu tun", sagt Lilian Haag. Und in Soft- und Hardware würde früher oder später auch wieder investiert.
Auch Håkan Hedström, Leiter des Investment Management bei der Commerzbank Tokio, sieht keine Parallelen zwischen Japan und Euroland oder den USA. "Die Regierung in Japan hat die Probleme zu lange geleugnet oder verniedlicht, die Finanzsysteme in Deutschland oder in den USA würden da viel schneller reagieren und gegensteuern." Dies bedeute nicht, dass es an den europäischen und amerikanischen Börsen nicht noch einmal deutlich nach unten gehen könnte: "Was da mit der Rally im vierten Quartal schon wieder an Erwartungen in die Kurse gesteckt wurde, birgt noch eine Menge Rückschlagspotenzial", glaubt Hedström.
Und wie geht's nun in Japan selbst weiter? "Auf Sicht von ein paar Monaten kann der Markt auf 8000 Punkte fallen", sagt Jens Hohenberg, Aktienexperte für Japan bei der Deutschen Securities. "Februar und März laufen wegen des Fiskaljahr-Endes am 31.3. traditionell schlecht." Zu diesem Termin hin räumen die Unternehmen ihre Beteiligungsportfolios auf. Das drückt häufig auf die Kurse.
Håkan Hedström hält auch einen "selling climax", also einen Totalausverkauf, für möglich, der die Wende zum Besseren bringen könnte. "Im Moment ist bei vielen Marktteilnehmern Japan-Bashing angesagt", glaubt er. "Alle, die an fallenden Märkten interessiert sind, dreschen auf das Land ein, reden Japan herunter." Das Motiv ist klar: Zurzeit sind viele Investoren "short", sie verdienen an fallenden Kursen, indem sie sich gegen Gebühr Aktien leihen, die sie sofort am Markt verkaufen. Geht ihre Spekulation auf, kaufen sie die Aktien später billiger am Markt zurück - die Differenz ist ihr Gewinn. "Wenn diese Short Seller durch einen drehenden Markt auf dem falschen Fuß erwischt werden, müssen sie wieder einsteigen und treiben die Kurse zusätzlich hoch", sagt Hedström. Deshalb warnt der Analyst auch vor übertriebener Panik. "Wer noch in Japan investiert ist, sollte jetzt nicht mehr verkaufen", sagt er. "Bei einem Nikkei-Stand von 8000 wäre vieles in den Kursen eingepreist."
Fondsmanagerin Haag erwartet vor allem von der Bankenseite noch Ungemach. "Falls es keine Lösung der Bankenkrise gibt, wird sich auch die Konjunktur nicht erholen", sagt sie. "Profitieren können dann nur die Unternehmen, die global agieren, eine gute Bilanz vorweisen und schuldenfrei sind." So sind Autohersteller Honda, Spielkonsolen-Spezialist Nintendo und die Hardware- und Foto-Ausrüster Canon und Ricoh, die als exportorientierte Unternehmen zusätzlich vom schwachen Yen profitieren, auch in ihrem Fonds übergewichtet. Kämen von Seiten der Regierung positive Nachrichten zur Lösung der Krise, werde dagegen auch der breite Markt anziehen. "Dann profitieren vor allem die zurzeit extrem schwachen Branchen wie Bau, Einzelhandel und Immobilien", vermutet sie.
Für den Elektronik-Riesen Sony, eine der in Deutschland meistgehandelten japanischen Aktien, sind die Aussichten weniger gut. "Die Analysten sind zwar neutral bis leicht positiv gestimmt, doch die Aktie ist technisch angeschlagen", sagt Håkan Hedström. Außerdem hängt die Aktie stark von der Gunst der ausländischen Investoren ab. Und damit ist es zurzeit ja nicht weit her.